Dachau:Monotonie und Rausch

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Kleines Intermezzo: Reinhard Fritz spielt eine Eigenkomposition auf seiner Renaissanceflöte. (Foto: Toni Heigl)

Die Doppelausstellung von Jan Brokof und Susanne Hanus

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Wie sieht der Feierabend 2016 aus? Etwa so wie ihn Susanne Hanus auf ihrem mehrteiligen Holzrelief sieht? Auf den ersten Blick ganz alltäglich: Sie steht am Herd, er lümmelt auf dem Sofa. Doch was haben Dracula-Gebiss und ein gieriger Wolf in dieser vordergründigen Normalität zu suchen? Kuratorin Jutta Mannes findet bei der Vernissage zur Ausstellung "Außen- und Innenansichten - Holzschnitte von Jan Brokof und Susanne Hanus" eine Antwort: "Unser Alltag steckt voller Rätsel, voller Abgründe, überall lauert der Albtraum, wenn nicht der Wahnsinn." Schade, dass sich Landrat Stefan Löwl, sein Vorgänger Hansjörg Christmann, Kulturreferent Claus Weber, etliche Kreis- und Stadträte und viele Kunstinteressierte nicht mehr Zeit nehmen konnten, um in der Neuen Galerie noch intensiver dem Wahnsinn monotoner Architektur nachzuspüren, war doch die zweite Ausstellungseröffnung in der Galerie der KVD nur eine Stunde später angesetzt. Selten führt einem ein Künstler buchstäblich greifbar vor, welche sozialen und menschlichen Katastrophen monotone Baupolitik auslösen kann, wie das Jan Brokof mit seiner Rauminstallation "Problemviertel" schafft.

Jan Brokof ist in einer Plattenbausiedlung in Schwedt an der Oder aufgewachsen, kennt also, was er darstellt. Und ist wie seine Kollegin Hanus dem Holzschnitt verpflichtet. Allerdings mit einer ganz anderen Vorgehensweise. Warum beide den Naturwerkstoff bevorzugen? Hanus sagt, es sei "die besondere Ästhetik, die das Material Holz" habe. Der Naturwerkstoff entspreche ihrer Intention, "die Grenzen zwischen Wandmalerei und Bildhauerei, zwischen Möbel und Objekt aufzuheben".

Malerei und Objekt bestimmen Vernissage Nummer zwei "Dream, dance and fly - Malerei und Musik von Reinhard Fritz" in der KVD-Galerie. Objekt der Bewunderung ist der neue, graue Fußboden. "Der bringt die Bilder viel besser zur Geltung", sagt eine Besucherin. Dabei würden die bunten, sehr bunten Gemälde des Münchner Künstlers Reinhard Fritz womöglich jeden noch so farbigen Fußboden leicht verblassen lassen. Fritz hat die Einführung in die Ausstellung selbst übernommen, macht sich gewissermaßen zum Objekt. Spricht über seine Kraftquellen - Malaufenthalte im Süden, über das "kosmische Gefühl der Weltverbundenheit", das er dort findet und zitiert ausgiebig, was Rezensenten und Wegbegleiter über ihn geschrieben haben - "Werbeunterbrechung" für die CD mit selbst komponierter und gespielter Musik inklusive.

So nahbar Jan Brokof und Susanne Hanus in der Neuen Galerie sind, so eigenwillig ist die Annäherung an Fritz. Sie gelingt erst durch die Musik. Zwei Eigenkompositionen spielt er auf seiner (nachgebauten) Renaissanceflöte. Und erklärt damit ohne Worte, was er unter "der Verschränkung unterschiedlicher Welten" versteht. "Wenn die Flöte singt, bin ich auf der richtigen Welle", sagt er im Gespräch. Gut vorstellbar, wie Fritz auf einer Mittelmeerinsel sitzt, vor sich hin improvisiert, trunken von Luft, Licht und Sonne aufspringt und zu malen beginnt. Oder um ihn nochmals zu zitieren: "Ich arbeite mit Stoffen, die sehr viel mit Drogen gemeinsam haben, aber harmlos sind".

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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