Dachau:Mehr Verkehr, mehr Unfälle

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Einer der größten Unfallschwerpunkte im Landkreis wird derzeit entschärft: Die Kreuzung Freisinger und Alte Römerstraße in Dachau. (Foto: Toni Heigl)

Die Polizei notiert von Januar bis September 3750 Karambolagen - etwa 250 mehr als im Vorjahreszeitraum.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Die Zahl der Unfälle im Landkreis Dachau ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Das widerspricht dem bayernweiten Trend, wo es insgesamt zwischen Januar und August weniger Unfälle und weniger Verletzte gab als im selben Zeitraum 2015. Das hat das statistische Landesamt bekannt gegeben. Im Landkreis Dachau gab es allerdings bis einschließlich September etwa 250 Unfälle mehr als im Vorjahreszeitraum. Besonders stark zugenommen haben Unfälle auf der Autobahn und Wildunfälle, sagt Polizeioberkommissar Richard Wacht, Verkehrsexperte der Polizeiinspektion Dachau. 40 mal häufiger sind Autofahrer im Landkreis in diesem Jahr bereits mit Wildtieren zusammengestoßen. Zumeist mit Rehen, sagt Wacht. Auf der Autobahn zählten die Polizisten bereits 50 Unfälle mehr. Bis Ende August wurden bei 472 Unfällen im Landkreis Menschen verletzt, im vergangenen Jahr waren es im selben Zeitraum 444. Insgesamt ereigneten sich im Landkreis bis Ende September etwa 3750 Unfälle.

Polizist Richard Wacht sieht den Anstieg mit Sorge, hat aber eine einfache Erklärung dafür: Mehr Menschen verursachen mehr Verkehr. Zuzug verzeichnet nicht nur der Landkreis Dachau, sondern auch die umliegenden Landkreise. Damit würden alle Straßen mehr belastet. Viele Autofahrer versuchen, den Stau im Allacher Tunnel oder an anderen Engstellen zu umgehen und weichen auf Bundesstraßen und Staatsstraßen aus oder fahren durch die Orte. Zugleich nehme auch der Schwerlastverkehr zu, sagt Wacht. In der Gegend gebe es schließlich mehrere Logistikunternehmen, nicht nur MAN und Transporte aus dem Bergkirchener Gewerbegebiet drängen auf die Straße, auch aus Richtung Eching und Neufahrn rollt der Verkehr. Nicht zuletzt der Lieferverkehr: "Wer bestellt denn nicht bei Zalando?"

Die Wege von Autos und Wild kreuzen sich jetzt öfter

Anderes Einkaufsverhalten, andere Arbeitszeiten - auch gesellschaftliche Veränderungen macht Wacht für die Verkehrslage verantwortlich. Zum Beispiel für die Wildunfälle. Mehr Menschen müssten heute später im Büro erscheinen, arbeiteten dafür abends länger. Sind also häufiger in der Dämmerung unterwegs. Begegnungen mit Rehen gibt es fast ausschließlich in der Dämmerung. Andere wiederum müssen wegen des zunehmenden Verkehrs und immer häufigerer und längerer Staus früher los - fahren also in der Morgendämmerung über die Landkreisstraßen. "Die Rush Hour dehnt sich zeitlich aus."

Wacht rät dringend dazu, Wild nicht auszuweichen. "Kontrolliert abbremsen, in der Spur bleiben, den Zusammenprall in Kauf nehmen", sagt er. Auch wenn selbst die Vorstellung schwer fällt. Ausweichen, gar das Steuer verreißen, führe häufig zu weitaus schlimmeren Unfällen, warnt der Polizist.

Insgesamt wurden bis August 91 Menschen bei Unfällen schwer verletzt, im vergangenen Jahr erlitten im selben Zeitraum 87 Menschen Verletzungen bei Unfällen im Straßenverkehr. Grundsätzlich würden die meisten Menschen bei Autounfällen verletzt, sagt Wacht. Allerdings ist unter den fünf Verkehrstoten in diesem Jahr ein Autofahrer, aber zwei Motorradfahrer und zwei E-Bike-Fahrer. Pedelecs und E-Bikes stuft der Polizist grundsätzlich als eher gefährlicher ein als Fahrräder. "Bei einem Unfall mit 25 Stundenkilometern kommt es nun einmal schnell zu Verletzungen." Vier Menschen kamen allein in diesem August im Straßenverkehr ums Leben.

Mehr Auffahrunfälle

Ein 58-jähriger Mann starb auf der Autobahn A8 Richtung Stuttgart, er hatte wohl wegen überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Auto verloren. Ein 77-jähriger E-Bike-Fahrer starb nach dem Zusammenprall mit einem Auto, der Radfahrer hatte die Vorfahrt missachtet. Eine 68-jährige Pedelec-Fahrerin starb, nachdem sie von einem Auto erfasst worden war, dessen Fahrerin sie übersehen hatte. Ein 18-jähriger Motorradfahrer starb nach der Kollision mit einem Auto, eine Fahrerin hatte ihn beim Linksabbiegen nicht kommen sehen.

Häufig meldet die Polizei Unfälle, in denen ein Fahrer einen anderen "übersieht". Auch hier verweist Wacht auf die schiere Verkehrsmenge. Nicht jeder Mensch ist immer achtsam, alle machen Fehler, sagt Wacht. "Heute werden Fehler häufiger bestraft." Früher sei weniger los gewesen, da war die Wahrscheinlichkeit geringer, jemanden beim unachtsamen Abbiegen anzufahren. Die tragischen Fälle sind immer zu viele und doch, gemessen an der Menge der Unfälle, wenige zu nennen. Die Unachtsamkeit im Straßenverkehr aber macht den Polizisten zu schaffen. Nicht selten machen sie das Handy dafür verantwortlich. "Von was kann man so abgelenkt sein, dass man ungebremst auf zwei stehende Fahrzeuge auffährt?" Bei den Auffahrunfällen sieht Wacht eine steigende Tendenz.

Radwege werden besser

Im Verhältnis nur gering angestiegen seien Radlerunfälle, sagt Wacht. Schließlich habe der Radverkehr in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Wacht lobt die massive Verbesserung der Radwege im Landkreis. Schließlich: Je mehr Radfahrer auf den Straßen unterwegs sind, desto höher ist die Aufmerksamkeit der anderen Verkehrsteilnehmer für sie.

Ob am Ende des Jahres sich die Zahl der Unfälle im Vergleich zu den Vorjahren deutlich erhöht haben wird, hängt nun vom Wetter ab. So, wie Wacht an Statistiken über Motorradunfälle ablesen kann, wann es Schönwetterperioden gab, so entscheidet ein früher Wintereinbruch oder besonders nasser Herbst über die Verkehrssicherheit in den kommenden Wochen. Nebel, nasses Laub und Glatteis sind Feinde auf der Straße. Der schlimmste Feind aber ist wohl immer noch die Unachtsamkeit.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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