Dachau:Gegen alle Widerstände

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149 Meter hoch wird der Turm sein, die Rotorblätter sind 59 Meter lang, insgesamt also wird das Windrad 208 Meter hoch in den Himmel ragen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das umstrittene Windrad an der Ziegelei Hörl und Hartmann in Pellheim ist im Aufbau. Die Firma hat es sich dafür mit einigen Nachbarn gründlich verscherzt. Andere konnte sie allerdings beruhigen

Von Viktoria Großmann, Dachau

Schon jetzt kann man es kaum noch übersehen: Ein großer, blauer Kran erhebt sich über Pellheim. Der Sockel des Windrads, das in Zukunft die Ziegelei Hörl und Hartmann mit Energie versorgen soll, steht bereits. Ring um Ring setzt derzeit der Hersteller Enercon aufeinander. Die Windkraftanlage war im Dezember vom Landratsamt genehmigt worden. Im August soll sie in Betrieb gehen. Bürger der umliegenden Orte sollen sich über Genussscheine am Windrad beteiligen können.

Einfach war das Vorhaben des Familienunternehmens nicht durchzusetzen gewesen. Die letzten Kämpfe sind noch nicht ausgefochten. Zunächst hatte die Stadt Dachau das Landratsamt gebeten, die Genehmigung auszusetzen, bis ein gemeinsamer Flächennutzungsplan aller Gemeinden zum Aufstellen von Windrädern beschlossen sei. Gerichtlich setzte die Firma durch, dass ihr Antrag zu bearbeiten sei. Es wurde festgestellt: Das Windrad ist eine betriebliche Nebenanlage, für sie gelten die üblichen Abstandsregelungen ohnehin nicht. Damit war die Kommune außen vor. Protest gab es von Seiten der Nachbarn in Pellheim. Das Windrad wird laut Unternehmer Matthias Hörl 860 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt stehen. Nach dem gemeinsamen Flächennutzungsplan wären es 900 Meter gewesen.

Die Gegner brachten unter anderem vor, das Windrad störe in der Gegend lebende Rotmilane. Tatsächlich wurde der Vogel in der Gegend gesichtet, auch Jungvögel. Dass aber die Raubvögel dort brüten, konnte kein Gutachter feststellen. Im Januar hatte der erst 2015 gegründete Verein für Landschaftspflege und Artenschutz Bayern (VLAB) gegen die Errichtung des Windrads Klage eingereicht. Am 19. Juli gibt es dazu vor dem Münchner Verwaltungsgericht eine mündliche Anhörung. Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz im Landkreis Dachau, Roderich Zauscher, befürwortet das Windrad, ohne Windenergie sei die Energiewende nicht zu schaffen. Vögel seien durch Straßenbau und Hochhäuser deutlich stärker gefährdet, sagt Zauscher.

Matthias Hörl ist noch vorsichtig bei der Einschätzung der Menge des voraussichtlich generierten Stroms. Das Gericht kann weitere Auflagen verhängen. Das Landratsamt hatte verfügt, dass das Windrad im ersten Jahr nachts abgeschaltet werden muss. An der Anlage wird ein Monitoring-Gerät angebracht werden. So soll ermittelt werden, ob, wann und wie viele Fledermäuse rund um das Kraftwerk unterwegs sind. Nach der Auswertung des Monitorings wird erneut über Abschaltzeiten entschieden werden. Die Firma hat gegen diese Auflage geklagt. Sie ist zwar mit dem Monitoring einverstanden, möchte aber nicht, dass das Windrad im ersten Jahr nur auf Verdacht nachts still stehen muss. Sollte das Gericht außerdem zugunsten der Rotmilane urteilen, könnten noch mehr Zeitenphasen hinzu kommen, in denen das Rad stillstehen muss. Brutzeiten etwa.

Grundsätzlich hat man sich in der Ziegelei, was die Leistung der Anlage betrifft, am Etzenhausener Windrad orientiert. Das erbringt eine Leistung von sieben Millionen Kilowattstunden im Jahr. Etwa 70 Prozent der erzeugten Energie sollen für den Betrieb genutzt werden. Der Rest wird ins Netz eingespeist. Wenn der letzte Gerichtstermin erledigt und alles geklärt ist, will Hörl die Anwohner in Pellheim, Webling, Lohfeld, Pullhausen und Prittlbach informieren. Jeder Haushalt soll angeschrieben werden. Damit sollen die Bürger auch darüber informiert werden, dass sie sich an dem Windrad beteiligen können. Als Geldanlage. Hörl und Hartmann möchte Genussrechte ausgeben. Die sogenannten Genussscheine sind fest verzinste Papiere und können in der derzeitigen Nullzins-Phase eine gewinnbringende Anlagemöglichkeit sein. "Das Kapital benötigen wir nicht", sagt Matthias Hörl. Die Finanzierung der Anlage stehe längst. "Wir wollen die Ortschaften am Erfolg beteiligen", sagt er. Hörl sieht das auch als "ein Zeichen des guten Willens". Es könnte ein Weg sein, nachbarschaftliches Einvernehmen wieder herzustellen.

"Ich bin nicht käuflich", sagt der Pellheimer Guido Metz dazu. Das Windrad empfindet er als "Monstrum", überhaupt ist er skeptisch, was die Energieausbeute von Windrädern in Bayern angeht. "Ein Friedensangebot wäre gewesen, auf die Bevölkerung Rücksicht zu nehmen." Metz hat noch Hoffnung auf die Gerichtsanhörung. Immerhin der Frieden mit den Nachbarn in Prittlbach scheint wieder hergestellt zu sein. Diese hatten sich gegen den Gestank aus der Ziegelei gewehrt, über Jahre, teils Jahrzehnte hinweg. Seit März ist nun eine sogenannte regenerative Nachverbrennungsanlage in Betrieb. "Wir haben super Abgaswerte", sagt Hörl. Der CO2-Ausstoß sei 90 Prozent niedriger als zuvor. Josef Veit von der Interessengemeinschaft sagt, die Zusammenarbeit mit Landratsamt und Ziegelei habe sich zuletzt sehr verbessert. Den Geruch habe er schon länger nicht mehr wahrgenommen, auch von anderen habe er keine Beschwerden mehr gehört.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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