Dachau:Freispruch für alten Gauner

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Von Benjamin Emonts, Dachau

Der Vorwurf, den die Staatsanwaltschaft dem 73-jährigen Mann aus dem Landkreis Dachau macht, klingt wie aus dem Skript einer Gaunerkomödie. Laut Anklageschrift soll der ältere Herr dem damals 18-jährigen Freund seines Enkels bei drei Einbrüchen geholfen haben: Mit seinem Wagen soll er den Heranwachsenden mehrfach an den Tatort gefahren, dort Schmiere gestanden und ihn wieder nach Hause gefahren haben. Ziel der Diebstähle waren Gaststätten in Röhrmoos, Vierkirchen und Karlsfeld. Durch den Aufbruch von Spiel- und Zigarettenautomaten konnte der 18-Jährige insgesamt 8000 Euro erbeuten. Dafür und für 13 weitere Diebstähle saß der inzwischen 21-Jährige von Februar 2013 bis Anfang 2015 im Gefängnis.

Nun folgte der Prozess gegen seinen angeblichen Komplizen. Bei einer Gerichtsverhandlung hatte der 21-Jährige nämlich angegeben, für seine Diebstähle mehrfach die Hilfe des 73-jährigen Mannes in Anspruch genommen zu haben. Als der junge Straftäter vor einem halben Jahr einem Ermittlungsrichter vorgeführt wurde, bekräftigte er diese Aussage.

Handfeste Beweise fehlten dem Gericht jedoch: Es gab weder Zeugenaussagen, Videobeweise noch DNA-Spuren. Der 73-Jährige selbst bestritt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vehement. Er habe seinen eigenen Enkel sogar mehrfach vor dem jungen Mann gewarnt. "Ich habe ihn mehrmals aus meinem Haus geschmissen." Nun kam es ganz auf die Aussagen des schon mehrfach vorbestraften 21-Jährigen an. Amtsrichter Lukas Neubeck äußerte im Vorfeld der Verhandlung Zweifel, ob der junge Mann überhaupt erscheinen würde. Schließlich kam der 21-Jährige doch - und legte einen filmreifen Auftritt hin.

Von seinen zuvor getätigten Aussagen wollte der 21-Jährige nun auf einmal nichts mehr wissen. "Ich habe jahrelang gekifft und Drogen genommen", raunzte er den Richter und die Schöffen an. "Sie glauben doch nicht, dass ich mich noch an irgendwas erinnern kann! Ich hab' da echt keinen Bock drauf!" Auf diesem Niveau bewegte sich die Aussage des 21-Jährigen gute 20 Minuten lang. Schließlich wies ihn der Richter auf die Gefahr hin, dass der Rest seiner Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, vollzogen werden könnte, wenn er sich weiterhin dumm stelle. Der 21-Jährige hielt trotzdem an seiner Taktik fest. "Ich habe 130 Einbrüche begangen und so viel Scheiße in meinem Leben gebaut - glauben Sie, ich merke mir da irgendwas?", fragte er die Richter. Dann wurde er aus dem Zeugenstand entlassen.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sagte in ihrem Plädoyer: "Sie sind der schlechteste Zeuge, den ich seit Langem gehört habe." Weil der Tatnachweis wegen der doch recht dünnen Beweislage nicht ausreichend geführt werden könne, plädierte sie auf Freispruch für den 73-Jährigen. Amtsrichter Neubeck und die Schöffen sprachen den Mann schließlich frei.

Einer Verwandten, die im Publikum saß, gab er nach der Verhandlung sichtlich erleichtert einen Kuss. Dafür, dass der 73-Jährige schuldig sein könnte, hatte es durchaus Anhaltspunkte gegeben: Der Rentner saß selbst bereits mehrfach im Gefängnis. Nachdem der 21-Jährige in Dachau nachts in ein Lokal eingebrochen war, rief er auf dem Telefon des 73-Jährigen an. Und bei einem Einbruch in München wurde laut Polizei das Auto des Angeklagten in der Nähe gesichtet - samt Einbruchswerkzeug.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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