Dachau:Feenhaft

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Die Dachauer Porträtfotografin Claudia Reiter inszeniert in ihrer ersten Ausstellung in der KVD-Galerie den weiblichen Körper in stimmungsvollen Momentaufnahmen

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Elegant streckt sich die Tänzerin in die Höhe, hebt beide Arme und ein Bein, um die Ballett-Choreografie umzusetzen. Der wehende Haarschopf und der zarte, fast transparente Stoff, der den Körper umfließt, bringen die Dynamik der tanzenden Figur im Raum zum Ausdruck. Auf lebensgroße Stoffbahnen gedruckt sind die Fotos von Claudia Reiter stimmungsvolle Momentaufnahmen des weiblichen Körpers.

In ihrer Ausstellung "Ruhe und Bewegung" beschäftigt sich die Dachauer Fotografin mit der Inszenierung des menschlichen Körpers, mit dem Spiel aus Licht und Farbe und den unerschöpflichen Möglichkeiten des Zusammenspiels dieser Komponenten in der Bewegung. Auf ihrer Vernissage in der Galerie der Künstlervereinigung Dachau (KVD) drängten sich die Besucher. Claudia Reiter ist eine bekannte Dachauer Porträtfotografin und unterhält seit 30 Jahren in der Schleißheimer Straße ein Fotostudio. 2004 präsentierte sie sich zusammen mit dem Kunstschmied Georg Mayrhanser im Dachauer Rathaus. Nun also eine Einzelausstellung, längst überfällig, wie die stellvertretende KVD-Vorsitzende Margot Krottenthaler bemerkte. Allein schon weil Claudia Reiter zur großen KVD-Ausstellung "Treffpunkt Dachau - Ursprung und Gegenwart" 2014 die beteiligten Künstler mit der Kamera porträtierte.

In ihrer Ausstellung blendet Claudia Reiter allerdings den Bezug zur realen Welt aus. Sie präsentiert vollständig komponierte Fotos und geht damit den Weg altmeisterlicher Malerei. Mit dieser Retro-Attitüde unternimmt sie einen bewussten Bruch zur allgegenwärtigen Action-Fotografie, sie weigert sich, dem Bild eine greifbare Nachricht beizugeben und schafft eine operettenhafte Märchenwelt. Leicht bekleidete Tänzerinnen oder schreitende Frauen hüllen sich in feine, flüchtige Stoffe und ihre Konturen werden durch Wind und die Belichtungstechnik unklar. In diesem Sinne handelt es sich um die Aufzeichnung einer künstlerischen Pose im Zusammenwirken mit der Fotografin als Künstlerin und ist bewusst inhaltsleer.

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(Foto: Claudia Reiter)

Tänzerische Anmutung inszeniert Claudia Reiter mit ihrer Kamera.

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(Foto: Toni Heigl)

Claudia Reiter ist Porträtfotografin in Dachau.

Claudia Reiter beschränkt sich auf die Wiedergabe der Bewegung ihrer Modelle im Chiaroscuro, bedient sich der Hell-Dunkel-Malerei und der Wirkung der Farben, wie wir sie von altmeisterlichen Gemälden kennen, beispielsweise von Caravaggio oder dem Barockmaler Rembrandt. Beide nutzten die Wirkung von Licht und Schatten, um Körper und Formen zu modellieren und in ihrer Räumlichkeit zu betonen. Dieselbe Methode wendet Claudia Reiter bei den Akten und den leicht bekleideten Frauenporträts an. Doch während die beiden großen Licht- und Schattenmaler die feinsinnige Technik dazu nutzten, die Individualität ihrer Figuren herauszuarbeiten, kommt in Reiters Fotos eine Persönlichkeit der dargestellten Frauen nicht zum Ausdruck. Im Gegenteil: Sie verlieren durch die Inszenierung an Persönlichkeit.

Diese Tendenz lässt sich nachvollziehen in der Trilogie der Schneiderpuppen-Fotos. Statt eines lebenden Modells inszeniert Claudia Reiter nun den statuarischen, dreidimensionalen Körper. Statt der Haut fängt die geflochtene Oberfläche das Licht ein, umspielt von einem zarten Stoff. "Sie ist ein dankbares Modell, weil sie im Gegensatz zur Tänzerin still hält", so Reiter über die Puppe. Den Stimmungsgehalt verändert die Fotografin allein durch die Beleuchtung und die Farben der Stoffe. In der Schlussfolgerung bedeutet diese Arbeitsweise allerdings auch eine weitere Steigerung des artifiziellen und drapierten Bildinhaltes der Tänzerinnen. Die Fotografin eliminiert damit auch den Rest jeglichen persönlichen Ausdruckes.

Ein weiterer Schritt in diese Richtung sind die Tableaus mit Negativen, wie "Lena 63". Im Kontrast zu den Stimmungsbildern wirken sie zwar wohltuend cool und reduziert, bilden aber auch durch die häufige Wiederholung ein Muster. Frauen als Rapport? Ist das zeitgemäß? Über dieses befremdlich rückwärtsgewandte Frauenbild hinaus begibt sich Claudia Reiter zudem in Konkurrenz zu dem höchst professionell besetzten Fachgebiet der Modefotografie. Das eindimensional von der Künstlerin mitgeteilte Frauenbild muss stutzig machen, denn sogar die Modefotografie vertritt mittlerweile eine deutlich aufgeklärtere Einstellung.

Claudia Reiter: "Ruhe und Bewegung", bis Sonntag, 7. August, in der Galerie der KVD Kulturschranne. Die Künstlerin ist sonntags anwesend. Donnerstag bis Sa 16 bis 19 Uhr. Sonntag: 12 bis 18 Uhr.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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