Dachau:Bezirk richtet psychiatrischen Krisendienst ein

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20 Jahre hat es gedauert: Am Montag, 15. August, startet die neue Einrichtung in Dachau endlich.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Das Wort "endlich" hat in den Reden eine maßgebliche Rolle gespielt und ausgedrückt, wie erleichtert Ärzte und Politiker im Landkreis Dachau sind. Denn am Montag, 15. August, eröffnet die Ambulanz mit Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Dachau direkt neben dem Helios Amperklinikum. Damit geht beispielsweise für Sylvia Neumeier von der Drogenberatung Drobs oder für die beiden Leiter des Gesundheitsamts, Hans Bergemann und seine Stellvertreterin Monika Baumgartner-Schneider, ein Traum in Erfüllung. Sylvia Neumeier, die auch SPD-Kreisrätin ist, träumt ihn seit 1997. Wie auch der oberbayerische Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU), der in Altomünster lebt und viele Jahre Bürgermeister von Schwabhausen war.

Spätestens von Mitte August an können sich Menschen in psychischer Not direkt an die Krisenambulanz des Bezirks in Dachau wenden. Sie müssen nicht warten, bis ein niedergelassener Psychiater oder Psychotherapeut endlich Zeit hat. Bergemann vom Gesundheitsamt sagt, dass alle Praxen überbelegt sind. Endlich reicht also ein Telefonanruf. Denn die Krisenambulanz hat immer Zeit, weil sie Sprechstunden einrichtet, die nicht belegt sind.

Erding fehlt noch

Noch sind die Räume von psychiatrischer Krisenambulanz und Tageklinik in Dachau steril. (Foto: Caterina Hess)

In einer kurzen Ansprache in den weitläufigen Räumen neben dem Dachauer Klinikum in der Hochstraße berichtet der Bezirkstagspräsident von den Mühen, diese Ambulanz zu schaffen. Die erste Hürde war 2011 überwunden, als der Bezirk ein Konzept für Krisenambulanzen in ganz Oberbayern beschloss. Explizit auch für den Landkreis Dachau. Die sieben Bezirke in Bayern nehmen in der staatlichen und kommunalen Organisation des Freistaats eine besondere Rolle ein. Sie zeichnen für sämtliche soziale Fragen verantwortlich: von der Sozialhilfe über die Eingliederung behinderter Menschen bis zu den Psychiatrischen Kliniken und der Kultur. Finanziert werden die Bezirke über eine Umlage, die sie von den Landkreisen bekommen. Das Konzept in Oberbayern sieht vor, dass in jedem Landkreis eine ambulante Station eingerichtet wird. Wie Mederer mitteilt, kostet dieses Vorhaben 7,5 Millionen Euro im Jahr. Dachau ist abgeschlossen. Jetzt fehlt noch Erding.

Die zweite große Hürde war der rechtliche Rahmen, der die Raumsuche erheblich erschwerte. Denn bis vor kurzem war es dem Bezirk untersagt, Räume für psychiatrische Behandlungen zu mieten. Er hatte sie als Eigentümer vorzuhalten. Parallel dazu zweifelten das bayerische Sozialministerium und auch der Bezirk selbst an der Notwendigkeit, eine eigene Immobilie zu suchen. Ihnen erschienen die Ausbaupläne des Dachauer Klinikums als so überzogen, dass sie mit Leerständen rechneten. Bekanntlich muss die Klinik gerade wieder erweitert werden. Nebenan befindet sich ein Gebäude, das einmal als Facharztzentrum des Krankenhauses geplant war. Die Idee scheiterte. Deswegen stehen dort Räume leer, die der Bezirk nun anmieten durfte und auch ausbaute. Überall hat er Glaswände und Durchblicke einbauen lassen, um den Charakter eines Bürotrakts aufzubrechen. Denn Menschen mit psychischen Erkrankungen brauchen das Gefühl von Weite und Transparenz.

Das Dachauer Team steht schon bereit. (Foto: oh)

"Dachau ist kein weißer Fleck mehr"

Wie arbeitet nun eine Krisenambulanz? Vorbild dafür ist das Atriumhaus in München, das ebenfalls dem Bezirk gehört. Chefärztin und Psychiaterin Gabriele Schleuning ist für sämtliche Einrichtungen des Bezirks im Münchner Süden und Westen sowie in Dachau und Fürstenfeldbruck zuständig. Sie gibt ein modellhaftes Beispiel. Ein Bürger meldet sich bei der Krisenambulanz, dass er unter Depressionen leidet und ihm Zuhause die Decke auf den Kopf fällt. Er bekommt noch am selben Tag einen Termin. Am Telefon versucht eine Fachkraft - es kann ein Arzt sein, eine Psychologin oder eine Fachpflegekraft für Psychiatrie - den Fall einzuschätzen. Nach der Diagnose beginnt die Therapie. Sie kann beim Patienten zu Hause erfolgen. Übrigens schätzen Ärzte und Psychologen solche Therapieansätze, weil eigene Wohnungen oft mehr und Genaueres erzählen, als es der Patient vermag. Sollte die Diagnose eine schwerere Erkrankung ergeben, wird er in die Tagesklinik aufgenommen, die ebenfalls zur Krisenambulanz gehört.

Letztlich kann der Bezirk künftig dreifach helfen: in der akuten Krise, mit einer häuslichen Betreuung und einer vorstationären an der Tagesklinik. Wenn all diese therapeutischen Optionen nicht ausreichen, kann der Patient zur stationären Behandlung in Fürstenfeldbruck aufgenommen werden. Dort baut der Bezirk gerade eine Klinik mit 88 Betten.

Der will mit seinem Psychiatriekonzept weg von der zentralisierten Aufnahme in der riesigen Klinik in Haar. "Wir wollen zu den Menschen kommen", sagt Bezirkstagspräsident Josef Mederer und meint die Botschaft so pathetisch, wie sie klingt. "Dachau ist kein weißer Fleck mehr." Er appelliert an die niedergelassenen Ärzte, an dem Netzwerk intensiv mitzuarbeiten.

Die Ambulanz und Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie befindet sich in der Hochstraße 27 in Dachau. Der Krisendienst in Oberbayern verfügt über eine zentrale Telefonnummer, die direkt zu den Krisenambulanzen, also auch nach Dachau weiterleitet. Die Telefonnummer: 0180/655 300 00. Der Krisendienst wendet sich nicht nur an die Erkrankten, sondern steht auch Hausärzten, Angehörigen oder Freunden offen.

© SZ vom 20.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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