Inklusionschor:Einmalig

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Der große Caritas-Inklusionschor von Dachau und Fürstenfeldbruck mit 150 Mitgliedern gastiert am Sonntag, 5. Juli, vor dem Rathaus in der Altstadt. Ein Blick in die Proben: "Es ist schön."

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Es ist ein berührender Moment, wenn Robert Paintner mit rauem Timbre den Refrain "We are the World" singt. Erst hebt sich die Stimme des Solisten zaghaft aus dem Chorgesang, wird dann immer selbstbewusster, bis sie schließlich über den anderen Stimmen schwebt und über den Zusammenhalt singt, der die Welt ein wenig besser macht. Seit einem Unfall ist Robert Paintner körperbehindert. Im inklusiven Chorprojekt "Oh Happy Day" spielt sein Handicap keine Rolle.

Mit 150 anderen Sängerinnen und Sängern aus Dachau und Fürstenfeldbruck bereitet er sich seit vielen Wochen auf das Open-Air-Konzert "Come Together" am Sonntag, 5. Juli am Rathausplatz vor. Das Besondere daran ist: Ein Drittel der Chorsänger ist geistig oder körperlich behindert. Thilo Wimmer von der Caritas-Kontaktstelle für Menschen mit Behinderung sagt: "Das ist einmalig in Deutschland." Die Bedeutung könne man schon daran erkennen, dass die bayerische Familienministerin Emilia Müller zum Konzert ihren Besuch zugesagt habe.

Chorleiterin Ulrike Buchs-Quante ist zufrieden. Die vielen Workshops sind ganz nach ihren Vorstellungen verlaufen. Die Vocal-Trainerin hatte die Idee zum Inklusionsprojekt. Ihr Gedanke war: "Als gesunder Mensch Danke sagen und dieses Gefühl zu anderen Menschen tragen." Ulrike Buchs-Quante ist auch für die Programmgestaltung verantwortlich. Die Mischung aus Solostücken, mehrstimmigem Ensemble-Singen und spontaner Improvisation macht das Konzert lebendig. Dazu kommt die Verbindung von Gesang und Tanz. Das Wichtigste aber ist der Ehrgeiz der Mitwirkenden und ihre Aufgeschlossenheit. Claudia Wörle aus Dachau bestätigt: "Vor zwei Jahren war ich selber krank. Ich habe Abwechslung gesucht und bin dadurch in Kontakt mit anderen gekommen."

Ein solches Konzert wurde von der Caritas vor einem Jahr in Fürstenfeld mit großem Erfolg vor 900 Zuschauern aufgeführt. "Wir wollen zeigen, dass Inklusion möglich ist, wenn die Bedingungen stimmen", so Thilo Wimmer. Sein Antrieb ist: "Nicht schauen, was Menschen nicht können, sondern was sie können." Er möchte die Grenzen aufheben. Bei vielen Inklusionsbands stehen die behinderten Menschen in der hinteren Reihe und schütteln die Rasseln, während die Nichtbehinderten vorne die Musik machen. Bei "Oh Happy Day" ist das anders. Hier sind alle gleichberechtigt und können ihre Fähigkeiten voll zum Einsatz bringen.

Chorleiterin Ulrike Buchs-Quante achtet auf jede Geste und jeden Ton. In vielen Workshops hat sie den Chor zu einem Klangkörper entwickelt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Volksbank Raiffeisenbank Dachau unterstützt das Projekt finanziell und mit Manpower. 30 musikbegeisterte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dachauer Genossenschaftsbank singen mit. Auch die beiden Vorstände Thomas Höbel und Johann Schöpfel. Die Bankvorstände treten sogar als Solisten auf. "Gelebte Inklusion ist uns sehr wichtig", sagt Vorstandssprecher Thomas Höbel. Johann Schöpfel ergänzt: "Singen verbindet, überwindet Grenzen und öffnet den Blick für Andere. Und man kann selber über Grenzen gehen." Volksbank-Mitarbeiterin Julia Bühl bestätigt: "Ich habe eine Hemmschwelle überwunden." Marketingleiter Martin Richter übernimmt mehrere Solo-Parts. Den Kontakt zu Menschen mit Behinderung empfindet er als große Bereicherung, das Konzert als schöne Aufgabe: "Wir singen alles auswendig. Da muss man ganz schön viel Text lernen." Karin Wudy aus der Gruppe der Behinderten ist zum ersten Mal in einem Chor und hat sichtlich Freude daran. Sie strahlt: "Es ist schön."

Bei den Proben und Workshops, die in den Räumen der Bank und für alle 150 Sängerinnen und Sänger in der Realschule Dachau stattfanden, begleitete Pianist und Arrangeur Roger Hefele am Klavier. Stephanie Felber studierte mit dem Chor die Choreografie ein, denn es wird auch getanzt und getrommelt. Das Konzert auf dem Rathausplatz begleiten Michael Rokoss am Saxofon, Ludwig Leininger am Bass und Annette Placht mit Percussion. Schon in den Workshops wird deutlich, was Thilo Wimmer drückt es so aus: "Am Ende soll nicht mehr sichtbar sein ob jemand eine Behinderung hat oder nicht."

"Come Together" Open-Air-Konzert, am Sonntag, 5. Juli, 20.15 Uhr, Rathausplatz Dachau. Kartenvorverkauf über Tourist-Information der Stadt Dachau, Caritas-Kontaktstelle Dachau und Fürstenfeldbruck, Hauptstelle der Volksbank Raiffeisenbank Dachau eG und alle Vorverkaufsstellen von München Ticket.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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