Dachau:Durchgedreht

Lesezeit: 2 min

Betrunkener Flüchtling greift Sicherheitsdienst an. 1200 Euro Geldstrafe

Von Daniela Gorgs, Dachau

Auch im Landkreis Dachau sind Hunderte von Asylsuchenden in großen Traglufthallen untergebracht. Die Menschen sehen kein Tageslicht, haben keine Privatsphäre und sind oft zum Nichtstun verdammt - in dieser Atmosphäre kommt es immer wieder zu Streit und Schlägereien. Ein Vorfall, der sich im März dieses Jahres ereignet hat, endete jetzt vor dem Amtsgericht. In einer Unterkunft im Landkreis soll ein 22-jähriger Asylsuchender zwei Sicherheitsdienstmitarbeiter attackiert haben. Den einen soll er mit Fäusten in die Rippen geschlagen, den anderen mit einem Stein beworfen haben. Wegen gefährlicher Körperverletzung musste er sich nun verantworten.

Der Angeklagte, ein schmächtiger, ruhiger Mann, kann sich an den Vorfall nicht mehr erinnern. Wie er dem Gericht erzählt, war er an dem besagten Abend stark alkoholisiert. Drei Flaschen Wodka und dazu Bier habe er mit zwei weiteren Bewohnern getrunken. Der Anlass: Ein Freund habe die Unterkunft verlassen. Wieder bei Bewusstsein sei er erst gewesen, als ihn die Polizei nachts um zwei Uhr aufweckte. Der Angeklagte beteuert, normalerweise keinen Alkohol zu trinken. Dies bestätigen die Sicherheitsmitarbeiter, die als Zeugen aussagen. Beide sind voll des Lobes über den "zuvorkommenden, freundlichen, stets grüßenden" Bewohner. Es sei ihnen unverständlich gewesen, warum der 22-Jährige an dem Abend derart aufgebracht und erzürnt war.

Wie der Sicherheitsdienst berichtet, wurde der Betrunkene vorübergehend des Geländes verwiesen - ein normaler Vorgang, wenn jemand in der Unterkunft Unfrieden stiftet. Doch der 22-Jährige wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen. Nachdem ihn der Sicherheitsdienst nach draußen befördert hatte, versuchte der 22-Jährige wieder in die Traglufthalle hineinzukommen. Der Angeklagte rannte mit geballten Fäusten auf den Mitarbeiter zu, der ihm mit ausgebreiteten Armen den Weg versperrte, und versuchte, ihn wegzuschieben. Der Sicherheitsdienst bewies Verständnis in der für ihn gefährlichen Situation. Alles halb so wild, erläutern die Mitarbeiter jetzt dem Gericht. Die Attacke blieb folgenlos. Auch der Steinwurf verlief glimpflich. Auf dem Gelände vor der Traglufthalle hob der 22-Jährige einen Stein auf und zielte mit diesem auf einen Sicherheitsdienstmitarbeiter aus einer Entfernung von etwa zweieinhalb Metern. Reflexartig hob der Angegriffene einen Arm vor das Gesicht. Der Stein traf ihn am Unterarm, der danach leicht anschwoll. "Ich hatte Glück", sagt der Getroffene. Die Verletzung musste nicht behandelt werden.

Beide Sicherheitsdienstmitarbeiter haben den Vorfall längst vergessen. Man sei nicht nachtragend, sagen sie dem Gericht. Am Tag danach habe sich der 22-Jährige bei jedem einzeln für sein Verhalten entschuldigt. Strafrechtlich geahndet wird sein Angriff dennoch. Der Staatsanwalt plädiert auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr. Der Steinwurf berge ein hohes Verletzungspotenzial. Die Verteidigerin des Angeklagten allerdings widerspricht. Ihr Mandant habe sich am nächsten Tag erzählen lassen, was passiert war. Er sei subjektiv nicht schuldfähig. Sie plädiert auf Freispruch.

Unter dem Vorsitz von Richter Lukas Neubeck wird der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu zehn Euro verurteilt. Der Richter hält den Angeklagten für zumindest vermindert schuldfähig. Der 22-Jährige habe sich auf den Beinen halten und selbständig bewegen können. Neubeck spricht von einem minderschweren Fall, betont allerdings noch einmal, wie glimpflich der Vorfall abgelaufen war. Ein Steinwurf aus so kurzer Entfernung hätte schwere Verletzungen nach sich ziehen können. Nicht auszudenken, wenn der Getroffene den Angriff nicht hätte abwehren können.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: