Dachau:Dringendes Bedürfnis

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Am Dachauer S-Bahnhof gibt es keine öffentlichen und immer zugänglichen Toiletten. Ein Manko, das Pendler und Reisende seit vielen Jahren beklagen. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht

Von Fam Marie Schaper, Dachau

Am Dachauer Bahnhof treffen jeden Tag viele Menschen ein und viele reisen ab. Einige sind Pendler und machen sich jeden Morgen auf den Weg zur Arbeit nach München. Es kommen auch viele an: Schulklassen und Reisegruppen strömen aus den Zügen und stehen später an den Bushaltestellen, um die KZ-Gedenkstätte oder die Altstadt zu besichtigen. Und sie alle haben ein Problem, wenn sie ein stilles Örtchen aufsuchen müssen: Es gibt am Bahnhof keine öffentlichen Toiletten.

Nur das Schnellrestaurant McDonald's, ein Pächter der Bahn, hat ein WC. Dieses allerdings dürfen nur Kunden kostenlos nutzen; wer nichts verzehrt, muss 50 Cent bezahlen. Allerdings berichten einige Bürger, von Angestellten abgewiesen worden zu sein. Das Stadtbauamt Dachau und die Filialleitung streiten das ab. Doch selbst wenn der Zutritt nicht verwehrt würde, wären die öffentlichen Toiletten nur während der Öffnungszeiten des Restaurants zugänglich. Außerhalb dieser gibt es auf dem Bahngelände keine Toiletten, die genutzt werden können.

Pendler können die Toiletten eines Schnellrestaurants nur zwischen 8 und 18 Uhr benutzen. Und auch nur, wenn sie dafür bezahlen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wenn Pendler entlang der S-Bahn Linie S 2 Ausweichmöglichkeiten suchen sollten, finden sie kaum Alternativen: Nicht nur in Dachau, sondern an den meisten Haltestellen im Landkreis fehlen öffentliche Toiletten. Nur in Karlsfeld, Röhrmoos, Petershausen und Altomünster sieht es anders aus. Dort gibt es laut der Homepage der Deutschen Bahn für die Fahrgäste frei zugängliche Örtlichkeiten. Auch je näher man der Münchner Innenstadt kommt, desto mehr Sanitäranlagen sind vorhanden. In der Innenstadt gibt es dann an jeder Haltestelle öffentliche Toiletten. Nur ergeben sich hier andere Probleme: Die meisten WCs sind sehr verschmutzt. Viele sind nicht für das hohe Fahrgastaufkommen ausgelegt. Und viele sind kostenpflichtig. Doch kostenlos und sauber scheint keine Option zu sein, ein Phänomen, das beinahe im gesamten MVV-Gebiet zu beobachten ist.

Deshalb besteht nicht nur entlang der S-Bahn Linie S2 im Landkreis Dachau ein Mangel an Sanitäranlagen an Bahnhöfen, überall an Haltestellen der S-Bahn Linien rund um München fehlen öffentliche Toiletten und es vergehen Jahre, bis sich jemand dieser Probleme annimmt. Auch an der Linie S4 gibt es verstärkt Probleme mit fehlenden Örtlichkeiten. In Baldham zum Beispiel. Dort gibt es gar keine öffentlichen Toiletten mehr, seit 2010 der Kiosk am Bahnhof, der mit Sanitäranlagen ausgestattet war, schloss. Bis heute hat sich nichts getan. Und auch Kirchseeon hat seit 2012 keine öffentlichen Toiletten auf dem Bahngelände mehr. Damals beschlossen die Gemeinderäte, dass die Instandhaltung der WCs zu teuer sei, woraufhin diese geschlossen wurden. Seitdem verschieben die Gemeinderäte Verhandlungen über dieses Problem immer weiter in die Zukunft. Erst sollte es 2014 besprochen werden, dann 2015 und nun wurden die Verhandlungen bis auf Weiteres auf das Jahr 2016 vertagt. In Puchheim gibt es seit 2009 keine Sanitäranlagen mehr und die Verantwortung dafür wird immer wieder zwischen der Kommune und der Deutschen Bahn hin- und hergeschoben. In wessen Zuständigkeit es fällt, blieb bisher ungeklärt.

Sind die fehlenden öffentlichen Toiletten an Bahnhöfen für Sie ein Problem?

Kein großes Problem

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Nizamettin Kilic, 48: "Ich pendle schon seit Jahren zwischen München und Dachau. Für mich ist es kein großes Problem bis zur Arbeit zu warten, um auf die Toilette zu gehen, mir bleibt ja nichts anderes übrig. Aber eigentlich sollte es an allen Haltestellen eine Toilette geben. Besonders in Dachau, hier fahren ja sehr viele Menschen täglich lang. Es gibt zwar eine Toilette im McDonald's, aber die ist meistens nicht sauber. Genauso wie die meisten Toiletten im Münchner Innenraum. Das ist zwar meist die Schuld der Nutzer, aber an der Hygiene sollte man arbeiten."

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Suche nach Ausweichmöglichkeiten

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Manuela Auel, 17: "Mich persönlich stört es nicht besonders, dass Toiletten an Haltestellen fehlen. Ich wohne in Karlsfeld und fahre jeden Tag nach Pasing zur Arbeit. Es dauert ungefähr 45 Minuten bis ich bei der Arbeit bin, wenn es keine Verspätungen gibt, und solange kann ich in der Regel warten. Wenn man weiß, dass es keine gibt, stellt man sich ja auch darauf ein. Dass es kaum Toiletten an Haltestellen gibt, ist ja bekannt. Und wenn es nicht anders geht, kann man auch in Restaurants gehen und da fragen. Ich denke man hat immer Ausweichmöglichkeiten."

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Kosten soll die Stadt tragen

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Helmut Hartmann, 62: "Ich wohne in Dachau und fahre oft nach München. Außerhalb der Münchner Innenstadt hat man an Haltestellen eigentlich kaum Möglichkeiten, auf die Toilette zu gehen. Und wenn man mal eine findet, dann kostet die Benutzung. Aber das ist meiner Meinung nach nicht der Sinn einer öffentlichen Toilette. Sie sollten unentgeltlich für jedermann zur Verfügung stehen, auch wenn man mal kein Geld dabei hat. Mir ist bewusst, dass es teuer ist diese zu betreiben, aber die Kosten sollten von der Stadt und nicht von den Bürgern getragen werden."

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Immer unhygienisch, wenn es welche gibt

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Ingrid Loibel, 66: "Ich lebe in Röhrmoos und fahre öfters in Richtung München und Dachau. Dass öffentliche Toiletten fehlen, wird mir besonders bewusst, wenn ich lange warten muss. Verspätungen oder Ausfälle werden ja meist nicht durchgesagt und dann muss man unvorbereitet lange an einem Gleis an einem Bahnhof warten. Wenn es da keine Toiletten gibt, hat man lange keine Alternative. In den S-Bahnen gibt es ja auch keine. Außerdem sind sie immer unhygienisch, wenn es denn mal welche gibt. Das muss wirklich geändert werden."

Auch in Dachau scheint niemand für das Problem verantwortlich zu sein. Benötige man Toiletten, die auch nachts zugänglich sind, "fällt das in die Zuständigkeit der jeweiligen Kommune, in diesem Fall der Stadt Dachau", teilt ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn mit. Michael Simon, Leiter des Stadtbauamts Dachau, ist hingegen der Meinung, es gäbe "keine gesetzlichen Verordnungen, die die Zuständigkeiten festschreiben". Die Kommune sei nicht verpflichtet, öffentliche Toiletten im Gebäude der Bahn zu installieren, die Deutsche Bahn aber auch nicht. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) vertritt die gleiche Ansicht wie der Stadtbauamtsleiter und geht sogar so weit zu sagen, dass die Stadt nichts tun könne, "selbst, wenn wir wollten". Die Stadt könne nicht auf das Gelände zugreifen, da es ihr nicht gehöre. Die Bahn müsse handeln und solle "auch was für ihre Kunden tun", so der Oberbürgermeister. Die Leidtragenden des Toilettenmangels sind vor allem die Gastronomen im Umfeld, auf deren Toiletten verstärkt zurückgegriffen wird - und die Besucher, denen der Zutritt zu den Toiletten der McDonald's Filiale verwehrt bleibt.

Doch es gibt Hoffnung: In Petershausen etwa errichtete die Gemeinde im vergangenen Jahr eine öffentliche Toilette, so der Petershausener Bahnhofspate Josef Mittl. Auch in Dachau wird Abhilfe geschaffen: Der Bahn zufolge gibt es Gespräche mit der Stadtverwaltung. Wie der Oberbürgermeister sagt, wird auch die Stadt selbst aktiv werden. In dem geplanten Fahrradparkhaus neben dem Bahnhof soll es Sanitäranlagen geben. Der Bau wird voraussichtlich Anfang 2016 beginnen. Bis das Fahrradparkhaus steht, dauert es allerdings noch seine Zeit. Eine schnelle Lösung wird sich in der Diskussion wohl nicht finden lassen.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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