Dachau:Dreister Benzindieb

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Bewährungsstrafe für 26-jährigen Mann, der Autos mit gestohlenen Kennzeichen betankt, ohne die Rechnung zu zahlen

Von Benjamin Emonts, Dachau

Tanken nervt. Es kostet Zeit und ziemlich viel Geld für so ein paar Liter stinkender Flüssigkeit. Doch irgendwie muss das Auto ja fahren, ob mit oder ohne Geld. Ein angeblich mittelloser Dachauer entwickelte also einen ziemlich dilettantischen Plan, um bargeldlos an Benzin zu gelangen. Er schraubte gestohlene Kennzeichen an seinen Wagen, tankte diesen voll und fuhr ohne zu bezahlen davon - sechs Mal insgesamt. Auf den Videoaufnahmen, die an Tankstellen üblicherweise gemacht werden, würde sein Auto zwar festgehalten, aber zur Rechenschaft würde der Besitzer der gestohlenen Kfz-Kennzeichen gezogen, so in etwa war seine Vorstellung. Nun jedoch musste sich der Mann wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Diebstahls, Urkundenfälschung und Fahren ohne Fahrerlaubnis vor dem Dachauer Amtsgericht verantworten.

Wer aber ist der Mann, der auf so eine Idee kommt? Er ist 26 Jahre alt und lebt seit drei Jahren in Dachau. Seither lernt er die deutsche Sprache und lässt sich von seiner Ehefrau und deren Eltern aushalten. Zu den Vorwürfen äußerte sich der Angeklagte nicht. Mit weißem Hemd, die Haare perfekt in Form gebracht, saß er seelenruhig da und drehte wahrhaftig Däumchen. Die Lichtbilder vom Täter, die dem Gericht vorlagen, schaute er sich an, als würde die Sache ihn überhaupt nichts angehen. Er machte keine Anstalten, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen.

Auf den Beweisbildern ließ sich nur erahnen, dass es sich um den Dachauer handeln dürfte - die Statur des Mannes stimmte mit jener des Angeklagten im Groben überein. Als weitaus problematischer erwies sich für den Dachauer, dass die Autos, ein silberner Opel Vectra und ein dunkelblauer Passat, mit denen der Treibstoff entwendet wurde, beide auf ihn angemeldet waren. Über mehrere Monate im Jahr 2015 hinweg fuhr er mit den Wagen an Tankstellen in Dachau, Unterschleißheim und München vor. Mit Schirmmütze oder Kapuze auf dem Kopf tankte er und trug dabei Handschuhe sowie fast immer das gleiche Schuhwerk. Dann machte er sich aus dem Staub, ohne Geld auf den Tisch zulegen. Der insgesamt entstandene Schaden belief sich auf etwa 400 Euro.

Ein Polizeioberkommissar aus München kam dem Dachauer auf die Schliche. Nachdem mit dem dunkelblauen Passat ein Tankbetrug begangen worden war, meldete die Lebensgefährtin des Angeklagten am Tag darauf die Kennzeichen des Wagens als gestohlen, damit der Verdacht nicht auf ihn fallen könnte. Dummerweise aber tauchte das Auto auch bei anderen Benzindiebstählen auf den Videobändern der Tankstellen auf - nun allerdings mit gestohlenen Kennzeichen. Der Polizist machte sich auf den Weg zur Adresse des Halters des blauen Passats. Wie auf den Videoaufzeichnungen fehlten an den Reifen des Wagens die Radkappen. Zudem hing ein gelber Duftbaum am Rückspiegel. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass auch der silberne Opel Vectra zeitweise auf den Angeklagten angemeldet war. Der findige Polizeioberkommissar zählte eins und eins zusammen und übergab seine Unterlagen der Staatsanwaltschaft, die Anklage erhob.

Der Anwalt des Dachauers plädierte auf Freispruch, da die Lichtbilder seinen Mandanten nicht zweifelsfrei identifizierten und die bloße Eigenschaft als Wagenhalter ihn nicht automatisch zum Täter machte, so seine Argumentation. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hingegen forderte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten. "Der Angeklagte hält sich offensichtlich für ganz schlau", sagte sie und warf ihm vor, sehr planvoll und mit erheblicher krimineller Energie vorgegangen zu sein. Den Diebstahl der fremden Kennzeichen, die für den Tankbetrug verwendet wurden, legte sie ihm mangels Beweisen nicht zur Last.

Amtsrichter Tobias Bauer reichten die Indizien für eine Verurteilung aus. "Ich habe keine begründeten Zweifel mehr", sagte er. "Sie waren der Halter der Fahrzeuge und sind auf den Bildern erkennbar." Er beschuldigte den Dachauer in sechs Fällen des gewerbsmäßigen Betruges. Das Anbringen der gestohlenen Kennzeichen wertete er als Urkundenfälschung. Außerdem machte sich der 26-Jährige in zwei Fällen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar, weil sein in Deutschland ungültiger Führerschein bei Verkehrskontrollen zuvor bereits beanstandet worden war. Der Vorsitzende Richter verurteilte ihn zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten und zu 120 Sozialstunden. "Es war kein so schweres Delikt, dass man eine Vollzugsstrafe verhängen müsste", sagte er. Der 26-Jährige nahm das Urteil an

© SZ vom 09.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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