Dachau:Dream-Folk-Pop aus Beirut

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Sängerin Julia Sabra und Bassist Rany Bechara von der libanesischen Band "Postcards". (Foto: Niels P. Joergensen)

Von Niels P. Jørgensen, Dachau

Eine Band aus dem Libanon, das gibt es in Dachau nicht alle Tage. Kein Wunder also, dass das Konzert der Postcards aus Beirut viele neugierige Gäste ins Café Gramsci lockte. Und manche von ihnen erlebten dort eine Überraschung, jedenfalls wenn sie mit arabisch angehauchten Klängen gerechnet hatten, denn was sie zu hören bekamen, klang gar nicht so fremd. Auf der drangvoll engen Bühne präsentierten sich vier junge Musiker, die sich ganz und gar dem melodischen Dream-Folk-Pop verschrieben haben.

Rund um die sanfte und warme Stimme von Julia Sabra weben Gitarrist Marwahn Tohme, Bassist Rany Bechara und der hinter seinem Schlagzeug regelrecht eingepferchte Pascal Semerdjian einen sphärisch schwebenden Klangteppich, mit dem sie die lyrischen Texte der 23-jährigen Sängerin begleiten. Die erzählt zum Beispiel in dem Song "All the Places we will go" von den oft so schwer erfüllbaren Träumen der sympathischen Gruppe, die mit ihrer Musik so gerne hinaus in die Welt ziehen würde - wenn es denn nicht so schwierig wäre, von einem Land wie dem Libanon aus, die dafür fast überall benötigten Visa zu bekommen. Die Postcards waren schon auf Tour im Ausland, in Großbritannien, Portugal, Frankreich und Italien unterwegs, standen aber auch in Jordanien und Dubai auf der Bühne.

Die Musiker sehen genauso aus, wie ihre Altersgenossen in Europa oder den USA und sie träumen die gleichen Träume. "Bei uns im Libanon mag das Leben manchmal chaotisch sein, weil vieles nicht funktioniert", sagt Rany, "aber uns erscheint das völlig normal. Jeder versucht sein Leben so gut wie möglich zu organisieren. Wichtig ist, dass du einen guten Freundeskreis hast." Und wie lebt man mit dem Bewusstsein, mitten in einer Krisenregion zu wohnen? "Wir reden schon miteinander über das, was um uns herum passiert, aber konzentrieren uns vor allem darauf, weiter zu machen. Wir haben den Krieg ja nicht mehr selbst erlebt." Deswegen habe die junge Generation auch eine positivere Lebenseinstellung als viele Ältere im Land.

Und wieso machen sie so westlich klingende Musik? "Für uns ist es die Musik, die wir selbst mögen. Wir hören nicht viel arabische Musik, das ist kein Wunder, wir sind schon auf der Schule vor allem auf Englisch oder Französisch unterrichtet worden", erzählt Julia, "abgesehen davon singen auch viele deutsche Bands wie wir auf englisch. Unsere Texte handeln dennoch von unserem Alltag in Beirut."

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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