Dachau:Wie Dachaus Museumslandschaft neu gestaltet werden kann

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Die Machbarkeitsstudie des Ateliers Hammerl und Dannenberg überzeugt die Mandatsträger von Bezirk, Landkreis und Stadt.

Von Viktoria Großmann und Wolfgang Eitler, Dachau

In den denkmalgeschützten Gebäuden der ehemaligen MD-Papierfabrik am Rande der Dachauer Altstadt soll ein Museumsforum entstehen, das die lokale Geschichte von Stadt und Landkreis, die internationale Dimension der Kunstgeschichte der Künstlerkolonien und die oberbayerische Geschichte der Arbeiter- und Industriekultur miteinander verbindet. Auf dieses Konzept einigte sich der Bezirk Oberbayern mit Stadt und Landkreis. Das Vorhaben ist eine Art Dachauer Heimspiel, weil die Vertreter des Bezirks, Präsident Josef Mederer (CSU) und Heimatpfleger Norbert Göttler, im Landkreis leben.

Die Idee

Wir schreiben das Jahr 2025. Wir stehen am Rande der Dachauer Altstadt und schauen auf das ehemalige MD-Areal, das sich jetzt wegen des Mühlbachs, der hindurchfließt, "Mühlenviertel" nennt. Wir sehen einen Toreingang, mit einem Gebäudetrakt darüber, auf dem eine aktuelle Sonderausstellung angekündigt wird. Wir sehen das historische Gebäude mit einer Industriearchitektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts und dem Wahrzeichen, dem Wasserturm. Wie ein Signal wirkt ein großes "M" als Hinweis auf das neue, zentrale Museumsforum des Bezirks Oberbayern sowie von Stadt und Landkreis Dachau. Wir gehen durch den Torbogen.

Das Museumsforum soll die Industrie- und Kulturgeschichte Dachaus verbinden, wie sie die Gemäldegalerie in der Altstadt darstellt. Simulation: MD-Papier Dachau (Foto: N/A)

Wir spazieren durch die Neu- und Umbauten für ein Industrie- und Arbeitermuseum, in dem der Bezirk Oberbayern die Geschichte der industriellen Entwicklung anhand von Schicksalen und Geschichten über Arbeiter, Unternehmer und auch Erfinder exemplarisch für die gesamte Region aufzeigt. Daran schließt sich ein Rundgang durch das Bezirksmuseum an, das die bäuerliche und bürgerliche Kultur des Landkreises Dachau vorführt. Schließlich führt der Weg zur Gemäldegalerie mit den Exponaten der Freilichtmalerei und der großen Zeit der europäischen Künstlerkolonien. Daran schließt sich ein Papiermuseum an. Eine Druckwerkstatt der Künstlervereinigung Dachau animiert Besucher dazu, einmal selbst bildnerisch tätig zu werden. Und Platz für die zeitgenössische Neue Galerie ist ebenfalls.

Die Vorgeschichte

So sieht die Idee des Münchner Architekten-Ateliers Hammerl und Dannenberg aus. Die Architekten sind Experten für Raumplanung und Konzeptionen vor allem im Museumsbereich. Auf ihre Idee hin entstand beispielsweise das Schlossmuseum in Friedberg mit seinem Schwerpunkt auf der Vor- und Frühgeschichte. In einer Studie sollte das Atelier im Auftrag des Bezirks Oberbayern darlegen, ob sich Dachau tatsächlich als Standort für ein Industriekulturmuseum eignet.

SZ-Grafik; Quelle: Atelier Hammerl & Dannenberg (Foto: SZ-Grafik)

Von der Geschichte her gesehen, war klar, dass die Stadt und mit ihr die gesamte Region eine Ausnahmestellung einnehmen. Denn Dachau war bis zur Stadterhebung während der Nazizeit 1939 einerseits ein bäuerlich-ländlicher Marktflecken mit einer teilweise armen Landbevölkerung. Andererseits war das Leben durch die Pulverfabrik und die Papierindustrie geprägt. Die Holländerhalle beispielsweise, die nach den Maschinen für die Pulverherstellung benannt ist, ist ein herausragendes Beispiel industrieller Jugendstilarchitektur. Sie verwahrlost auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei. Die Nationalsozialisten wählten Dachau wegen der damals schon aufgelassenen Pulverproduktion zum Standort für das erste Konzentrationslager. Zeit- und Industriegeschichte fließen in Dachau zusammen.

Deswegen schlagen Tanja Hammerl und Achim Dannenberg zusätzlich eine Demokratiewerkstatt vor. Auf diese Weise könnten die ursprünglichen und bereits gescheiterten Pläne des Stadtrats, auf dem Areal der MD-Industriebrache mit 17 Hektar unter Umständen ein wissenschaftliches Zentrum für Menschenrechte zu installieren, wenigstens teilweise realisiert werden.

Außerdem war Dachau, wie die große Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg vor ungefähr 15 Jahren eindrucksvoll belegte, tatsächlich eines der großen Zentren der europäischen Künstlerkolonien, neben Barbizon in Frankreich, Worpswede und Skagen in Dänemark. Und es war das eindeutig innovativste, dank der Neu-Dachau-Gruppe um Adolf Hölzel. Das Ende der großen Zeit dieser europäischen Bewegung ist eine Folge inhumaner Machtpolitik, die in zwei Weltkriegen mündete. Das Bezirksmuseum schließlich vergegenwärtigt schon jetzt die bürgerliche Kultur von Stadt und Landkreis, während die bäuerliche in einem Depot verschlossen ist. Es fand sich bisher kein geeigneter Standort.

Das dynamische Museum

Aber ist die Idee auch realisierbar? Tanja Hammerl und Achim Dannenberg sind überzeugt. Vorausgesetzt, das Museumsforum orientiert sich daran, dass es lebendig wird. "Dynamisch", wie sie sagen. "Dass also die Menschen" mit ihren Geschichten und der Geschichte dazu in den Mittelpunkt rücken. Vorausgesetzt auch, dass die Besucher sich in einem Museum befinden, das sie alle einbindet. Ohne diesen "Partizipationsgedanken" könnte der Bezirk Oberbayern sich nicht an dem Projekt beteiligen. Denn er ist für die Eingliederung von behinderten Menschen zuständig und ein Vertreter der Inklusion, also der unbedingten Teilhabe an der Gesellschaft. Insofern böte ein Museumsforum die Chance, eben diesen Anspruch, den auch das Franziskuswerk Schönbrunn vertritt, vorzuführen.

Aber gewährt dieses 17 Hektar große Areal die Option auf eine große Museumslandschaft? Das Atelier Hammerl und Dannenberg präsentierte den Kulturausschüssen von Bezirk, Stadt und Landkreis Dachau am Montag eine modellhafte Simulation, wie die denkmalgeschützten Gebäude sich mit einigen Neubauten harmonisch verbinden ließen. Damit beeindruckten sie die Mandatsträger, die sich einstimmig dafür aussprachen, mit den Eigentümern in Grundstücksverhandlungen zu treten. Deren Bereitschaft liegt schriftlich vor.

Initiator des Vorhabens: der oberbayerische Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU). (Foto: Toni Heigl)

Euphorie und Skepsis

Die Euphorie der Mandatsträger von Bezirk Oberbayern, Stadt und Landkreis Dachau war bei der Geschäftsführerin des Zweckverbands Dachauer Museen und Galerien, Elisabeth Boser, nicht zu spüren. In ihrem Beitrag zur Idee eines Museumsforums sagte sie auf der gemeinsamen Sitzung der Kulturausschüsse sehr zurückhaltend, dass es sich bei dem Museumsforum um "eine interessante Idee" handle, "die man noch nicht ausloten könne". Und sie merkte an, dass sie die Gefahr sehe, "dass man zu viel miteinander verbindet". Dann aber versuchte sie die Kehrtwende mit der abschließenden Stellungnahme, dass sich "insgesamt große Möglichkeiten" böten.

Da war beispielsweise der Kreisrat und Stadtrat Robert Gasteiger (Freie Wähler) wesentlich euphorischer: "Ich war immer schon dafür." Der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) ist Vorsitzender des Zweckverbands. Er sprach von einem großen Wurf. Aus Sicht des Landkreises verstärke ein solches Museumsforum die Bedeutung des Münchner Nordens. Er verwies auf die Debatte um eine bessere Struktur der Region. Neben der Verkehrsproblematik liegt sie für ihn darin, die Lebensqualität zu verbessern. Das Museumsforum könnte dafür entscheidende Impulse setzen.

Als Initiator des gesamten Projekts kann Josef Mederer (CSU) aus Altomünster gelten. Der Präsident des oberbayerischen Bezirks schwelgt in Superlativen: "Das Museumsforum ist eine Idee mit unheimlichem Charme." Sein Ziel sei es, "unsere Geschichte, unsere Heimat und unsere Wurzeln" zu verbinden. Deshalb habe sich der Bezirk dazu entschlossen, nicht nur das Industrie- und Arbeitermuseum zu finanzieren, "sondern sich mit einem Drittel der Kosten am Bau und Unterhalt des gesamten Museumsforums zu beteiligen".

Die Finanzierung

Damit war klar, dass die Finanzierung des 24-Millionen-Euro-Projekts mit einem jährlichen Aufwand von mindestens zwei Millionen Euro steht. In ihrer Machbarkeitsstudie rechnen Hammerl und Dannenberg auch vor, wie sich das Museumsforum finanzieren müsste. Für die Baukosten rechnen sie mit hohen Zuschüssen von Freistaat und Europäischer Union, welche die Konversion von Industriebrachen im städtischen Raum fördert. Die Architekten führten dazu Zuschüsse in Millionenhöhe auf, die beispielsweise für das Augsburger Textilmuseum oder das kleine Hutmuseum in Lindenberg im Allgäu möglich waren.

Dabei kalkulieren sie, wie sie selbst sagen, "konservativ". Sie orientieren sich an den Besucherzahlen nicht staatlicher Museen im süddeutschen Raum. Demnach sind 90 000 bis 140 000 Besucher möglich. Den aus Dachauer Sicht bedrückenden Aspekt der Statistiken und Berechnungen thematisierten die Mandatsträger auf ihrer gemeinsamen Sitzung im Dachauer Landratsamt nicht. Im Vergleich hängen ehemalige europäische Künstlerkolonien wie Skagen und Worpswede Dachau bei den Besucherzahlen komplett ab. 130 000 in Dänemark und 80 000 in Worpswede stehen 20 000 für Bezirksmuseum, Gemäldegalerie und Neuer Galerie gegenüber. Und dies bei einem Etat von ungefähr 1,2 Millionen Euro, den Landkreis und Stadt jährlich gewähren. Deshalb sagte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) im Hinblick auf den Bezirk als neuen, dritten Investor: "im schlechtesten Fall bekäme Dachau mehr Museum für gleich viel Geld".

© SZ vom 07.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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