Thoma-Haus Dachau:Die Liebe hat keine Chance

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Das Lyrische Opernensemble meistert in Kooperation mit dem Hoftheater Bergkirchen die Belcanto-Oper "Lucia di Lammermoor". Chor, Orchester, Erzähler und Solisten zeigen in schlichter, durchdachter Kulisse eine beeindruckende und mitreißende Leistung

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Lucia am Boden, umringt von den starken Männern Edgardo, Enrico und Raimondo. Im zweiten Akt wird trotz der zurückgenommenen Regie sehr deutlich: Die Liebe hatte in diesem Spiel um Macht und Geld nie wirklich eine Chance. So schließt sich der Kreis der Handlung zum Prolog, einem Zitat von Stefan Zweig über die Herrscher, die keine andere Daseinsfreude kennen als Krieg und Streit, deren Lebensgedanke einzig die Eifersucht und die Machtgier ist.

Mit "Lucia di Lammermoor", dem Liebesdrama aus den schottischen Highlands, gelingt dem Lyrischen Opernensemble Dachau eine packende und dichte Inszenierung. Die halb-szenische Aufführung in Kooperation mit dem Hoftheater Bergkirchen hält von Anfang bis zum Ende ihren Spannungsbogen. Die gestraffte und verschlankte Oper von Gaetano Donizetti findet in Herbert Müller vom Hoftheater Bergkirchen einen wunderbaren Erzähler, der den Romanstoff von Sir Walter Scott nahtlos in das Operngeschehen einflicht.

Der wahre Kunstgriff aber ist, mit sparsamen Mitteln ein zugleich spannendes und anrührendes Bühnenwerk zu schaffen. Nichts lenkt von den großen Gefühlen ab, um die sich die Oper dreht. Alle Konzentration dient der Dramatik und den Emotionen, die vom Ensemble mit großer Leidenschaft gespielt werden: Liebe und Hass, Unterdrückung und Aufbegehren, Hoffnung und Verzweiflung, Aufgewühltheit und Resignation. Der ganze Rausch gekleidet in Donizettis mitreißende Musik mit zauberhaften Arien und Duetten.

Die wohlklingende Musik mit den melodieseligen Belcanto-Stellen und der umwerfenden Leichtigkeit aber täuscht nicht über das grausame Geschehen hinweg. Was Sänger und Musik zum Ausdruck bringen ist pures existenzielles Sein. Als Kulisse dienen einzig die Beamerprojektionen von Landschaftsdarstellungen und Gemälden auf dem schwarzen Vorhang, gestaltet von Ulrike Beckers. Sie illustrieren den Fortgang der Handlung. Die Kostüme sind reduziert und zeitgemäß dem Alltag entlehnt. Die Männer in dunklen Straßenanzügen, der Chor ebenfalls in Schwarz. Nur die beiden Frauen dürfen schillern. Gesa Jörg als Lucia in Abendrobe und Hochzeitskleid, ihre Zofe Alisa zuerst im Landkleid, dann elegant für den Ball. Das Orchester sitzt auf der Bühne und wird somit zum optischen Bestandteil der Inszenierung. Das ist lebendig und fesselt den Zuhörer.

Fesselnd ist auch die Leistung der Sänger. Der Münchner Bariton Jens Müller ist ein glaubhafter Lord Enrico Ashton und der krasse Gegenentwurf zur romantischen Lucia. Gegen seine Zielstrebigkeit, Härte und Intrige kommt sie nicht an. Um die Macht seiner Familie zu sichern, schreckt er vor nichts zurück, um seine Schwester Lucia mit dem ungeliebten Arturo zu verheiraten. Jens Müller spielt und singt mit Hingabe und dem nötigen Metall in der Stimme. Lucia aber liebt Edgardo, den Erzfeind ihres Bruders. Rodrigo Trosino als Edgardo verkörpert den idealen romantischen Liebhaber. Der italo-mexikanische Tenor ist viril und singt mit reichlich Charisma. Jörg Schnass in der Rolle von Lucias Erzieher Raimondo ist ebenfalls gut besetzt. Sein Bass klingt manchmal zwar heiser (erkältet?), ist aber beeindruckend präsent. Tenor Florian Richter als Lord Arturo bietet starke Wirkungsmomente. Ebenfalls kompetent ist Mezzosopranistin Veneta Radoeva als Alisa.

Schließlich Gesa Jörg als Lucia di Lammermoor. Ihr lyrischer Sopran glänzt in den zahlreichen Duetten und bewältigt auch die schwierigen Stellen. Schön ist das erste Duett mit Enrico und hervorragend gelingt das Liebesduett mit Edgardo "Verranno a te sull' aure". Es ist von einer anrührenden Wärme. In der anspruchsvollen Wahnsinnsarie erfüllt Gesa Jörg die Paraderolle der Koloratursängerin. Im Hochzeitskleid und den blutroten Handschuhen als Zeichen des Gattenmordes gelingt ihr die Verwandlung zur Wahnsinnigen. Sie changiert zwischen lieblicher Verwirrtheit und verzweifelter Resignation, zeichnet mit der Stimme melodienselige Bilder und schraubt im Wetteifer mit der Querflöte ihre Stimme zu kunstvollen Koloraturen empor. Das Publikum applaudiert begeistert für die beeindruckende Leistung.

Zur gelungenen Aufführung trägt auch der Chor bei. Annette Thomas, Andrea Kronmüller, Stefan Podlech, Ulrich Naumann und Nike Schmidt singen stimmsicher und mit Gefühl. Ein großes Lob gilt dem Orchester, das unter der Leitung von Armando Merino großartig spielte: Nadja Kursawe, Anna Brandis (beide Violine), Maria José Garcia (Bratsche), Maximilian Zimmermann (Cello) und Priti Schlubach-Ferrari (Flöte). Das Klavier teilen sich PetraMorper und Ana Nam. Herbert Müller verklammert als Sprecher ausdrucksvoll den tragischen literarischen Stoff mit der wunderbaren Musik.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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