Dachau:Der Name ist Programm

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Das "Panzerballett" in der komplett ausverkauften Dachauer Kulturschranne beim Frühjahrskonzert des Jazz e.V. Dachau. (Foto: Toni Heigl)

Der Auftritt des Ensembles "Panzerballett" beim Jazz e.V. in der Dachauer Kulturschranne

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Musikalische Nettigkeiten gibt es vom Panzerballett am Freitagabend in der Kulturschranne nicht zu hören, aber einen Abend fürs Guinness-Buch des Jazz e.V.: als das Konzert mit dem größten Schlagzeug (dahinter sitzend Sebastian Lanser), mit der größten Lautsprecheranlage (kurzfristig von heimischen Kräften eingeflogen), mit den kompliziertesten Bruchzahlen, die man als musikalische Taktvorgabe errechnen kann und das lauteste Konzert mit dem härtesten Metal (mindestens seit Steamboat Switzerland, in Wahrheit wohl seit Anbeginn der Zeit). Tatsächlich verlassen weniger Hartgesottene den Saal. Erstaunlich, weil einen als Dachauer Jazzhörer eigentlich kaum eine Form der Ausdrucksintensität an die Belastungsgrenze führen kann. Bis auf die des Panzerballetts. Die Kulturschranne ist trotzdem bis zum Bersten voll.

Wer nun denkt, dieses Konzert, sei ein Gemetzel, hat recht und hat unrecht. Es ist so brachial wie gewitzt: Bekannt geworden ist das Panzerballett nicht zuletzt durch seine hemmungslos zerhäckselnden, verfremdenden Interpretationen berühmter Jazz- oder Rocksongs, dargeboten mit zwei Gitarren, Saxofon, Bass und Schlagzeug. Paul Desmonds "Take Five" oder "Thunderstruck" von AC/DC (Letzteres als Zugabe irgendwo zwischen prägnanten Riffs und gefühltem Neunundsechzig-Siebenunddreißigsteltakt auch in Dachau zu hören) sind hier zu nennen, definitiv das quintolenbasierte Medley aus "Mahna Mahna" (Sesamstraße) und der Walkürenritt (Wagner). Das mag eine infantile Komponente haben, ist aber eine Mordsgaudi - und musikhandwerklich vom Feinsten.

Denn hier wird der Metal durch die intelligente Lust am Zitieren und am herzhaften Verwursten zur Kunstmusik. Das ist von der Idee her gar nicht so weit entfernt von dem, was einst Vertreter des sogenannten Classic Rock (damit ist nicht die heute gebräuchliche Begriffsbedeutung gemeint) taten, indem sie klassische Werke in Rockmusik übersetzten. Nur das Panzerballett ist darin eben noch rabiater und moderner. Und - das ist entscheidend - um einen Musikstil reicher, weil es ständig Metal und Jazz miteinander um die Vorherrschaft ringen lässt.

Meistens, da besteht kein Zweifel, behält der unfassbar ereignisdichte, aber schwer dahinströmende Metal die Oberhand, zu drückend ist die Überlegenheit der zwei derb verzerrten, bis zu achtsaitigen Gitarren. Das gilt für die Interpretationen bekannter Songs, das gilt für Eigenkompositionen wie "Smoochy Borg Funk", "Frantik Nervesaw Massacre" oder "Mit weißglühendem Morgenstern in Omas frisch gebackene Rüblitorte". Die enorme Lautstärke ist dabei zwingend für die stilistische Authentizität (was ein gescheiter Ton des Bassisten Heiko Jung ist, muss neben dem Gehör auch von der Magengrube wahrgenommen werden) - aber auch ein klein wenig bedauerlich, denn dadurch geht manches eigentlich vorhandene differenzierte Charakteristikum der Arrangements im Getöse unter, zumal viele Zuhörer Gehörschutz tragen. Das betrifft die klangfarblich wertvolle Arbeit des zweiten Gitarristen Josef Doblhofer ebenso wie häufig die Jazzkomponente der Musik, die sich nicht zuletzt in Zwiegesprächen zwischen Gitarrist Nr. 1 Jan Zehrfeld und dem Saxofonisten Alexander von Hagke äußern würde.

Doch natürlich gelingt die Fusion an anderer Stelle wunderbar - nicht nur, aber ganz besonders beim herrlichen "Vulgar Display of Sauerkraut". Diesmal ist die Lautstärkengewichtung so ausgewogen, dass es die Musiker mit der virtuosen Qualität ihres Spiels in den Vordergrund schaffen, dass der Jazz durch das hier präsente Saxofon (in üppiger Melodik mit Zehrfelds Gitarre koordiniert) breiten Raum einnimmt, die Stile einander in schlüssigem Übergang abwechseln. Dieses Austarieren der Welten hat ungeheure Kraft. Und plötzlich lässt Jan Zehrfeld das rhythmische Repetieren düsterer Pattern sein und stellt - anfangs unbegleitet - mit großer Klanggeste ein Gitarrensolo in die Kulturschranne, wie es die Gitarrengötter des Metal prächtiger nicht fügen könnten. Das ist in seiner Klarheit und (das ist ernst gemeint) Schönheit einer der stärksten Momente des Abends.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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