Dachau:"Da war ma froh"

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Hörbilder über das Ende des Zweiten Weltkriegs in Dachau

Von Dorothea Friedrich, Dachau

"Des war mei Bruder." Ganz leise sagt der Röhrmooser Altbürgermeister Josef Westermayr, CSU-Dissident und Bauernsprecher, diesen Satz zum Tischnachbarn. Ein SS-Mann erschoss seinen Bruder Michael. Einfach so, weil er ihm sein Fahrrad zur Flucht vor der anrückenden US-Armee nicht überlassen wollte. Damals war Josef Westermayr 15 Jahre alt. Jetzt erzählt er in der Dachauer Kulturschranne von den Tagen um den 29. April 1945, als drei Divisionen der US-Armee das Konzentrationslager Dachau befreiten.

Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler hat - basierend auf Berichten katholischer Pfarrer - ein Hörspiel über die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs im Landkreis verfasst. Ursula Kirchgässer, Edi Hörl und Markus Kurbanoglu von der Ludwig-Thoma-Gemeinde waren die Sprecher. Hans Blume improvisierte auf Klarinette und Bassklarinette eine eindringliche Begleitmusik. Da der ausverkaufte Abend in der Pro-Vocatio-Reihe von Amnesty-International stattfand, schlug Mitglied Monika Portejoie einen Bogen zu aktuellen Menschenrechtsverletzungen.

Es sind nüchterne, pathetische, ironisch gefärbte, selbstbeweihräuchernde oder auch sich selbst ganz zurücknehmende Berichte, welche Landkreispfarrer seinerzeit auf Veranlassung von Kardinal Faulhaber schrieben. Berichte über die Tage vom 24. bis 29. April 1945, über das Vorrücken der US-Truppen und den Rückzug der schon fast aufgelösten deutschen Restarmee, über Bombentreffer, menschliche Grausamkeiten, über Gesten des Mitleids und der Versöhnung von Soldaten beider Seiten, von Dorfbewohnern, von KZ-Häftlingen und von Zwangsarbeitern.

Gerade weil die Sprecher sich fast ausschließlich auf einen sachlichen Nachrichtenstil konzentrieren, begleiten und vertiefen sie die Ereignisse. Die Geschichte vom jungen Michael, eines von neun Geschwistern auf einem Hof in Prittlbach, erzählt bedrückend ergreifend von der Auflösung des Nazisystems. Göttlers Hörbilder räumen auch mit der einen oder anderen Legende auf. Wie der vom Dachauer Pfarrer Friedrich Pfanzelt. Der stellte auf 15 Seiten seine eigene Tapferkeit in den Vordergrund: "Ich betrachtete es als meine Pflicht, mit dem Einsatz des Lebens das Schlimmste von Dachau abzuwenden." Tatsächlich ist inzwischen erwiesen, dass er die Krypta von Sankt Jakob während der gesamten Zeit nicht verlassen hatte.

Dagegen berichtete Pfarrer Franz Xaver Dobler aus Ampermoching dem Kardinal nüchtern: "Der Einmarsch (der Amerikaner) erfolgte während des Pfarrgottesdienstes, der sehr schlecht besucht war". Nach Endes des Gottesdienstes fand der Pfarrer "kein Drittes Reich mehr, aber jede Menge Panzer vor".

Der ehemalige Landtagsabgeordnete Blasius Thätter erinnert sich genau an den 29. April 1945, "ein wunderschöner Tag, ein Sonntag". Nachdem tags zuvor die Amerikaner seinen Heimatort Großberghofen beschossen hatten - "da war echt was los" - beobachtete der Bub mit dem Vater vom Speicher aus, wie Scharen deutscher Soldaten auf Fahrrädern fliehen. Dann auf einmal Gedröhn: "Da warens do, die Amis". Sepp Westermayr fällt ihm ins Wort: "Da war ma froh."

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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