Bürgerversammlung Erdweg:Ein beliebtes Pflaster

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Auf der Bürgerversammlung in der Gemeinde Erdweg haben die Dorfbewohner wenig zu bemängeln. Unmut schaffen die Wohnungsleerstände und die Unordnung am Bahnhof

Von Benjamin Emonts, Erdweg

Bürgermeister Christian Blatt (CSU) staunt, als er am Dienstagabend den Tafernsaal im historischen Erdweger Wirtshaus betritt: "Das ist ein überwältigender Besuch", sagt er sichtlich stolz. Tatsächlich sind zu der Bürgerversammlung der Ortsteile Erdweg, Großberghofen und Walkertshofen am Dienstagabend mehr als 120 Dorfbewohner ins Wirtshaus gekommen. Das allgemeine Interesse an Kommunalpolitik ist offenbar sehr groß. Denn zu meckern oder zu schimpfen, wie in Bürgerversammlungen durchaus üblich, haben die Bürger kaum etwas. Die Infrastruktur für Fahrradfahrer wird zwar ein wenig bemängelt, auch die Leerstände in der Ortschaft oder die Unordnung am Bahnhof. Ansonsten jedoch wirken die Erdweger Bürger ziemlich zufrieden.

Der grüne Lastwagen im Ortszentrum von Erdweg rostet seit Jahren vor sich hin. Vielen Bürgern ist er ein trostloser Anblick. (Foto: Toni Heigl)

Das Jahr 2017, auf das sie mit dem neuen Bürgermeister Christian Blatt aus Großberghofen zurückblicken, verlief dagegen sehr traurig. Bürgermeister Georg Osterauer (Freie Wähler) starb Ende Mai im Alter von nur 61 Jahren an einer kurzen schweren Krankheit. Im Oktober verlor die Gemeinde in Ludwig Ostermair aus Kleinberghofen einen Ehrenbürger und Altbürgermeister, der besonders in den Anfangsjahren vieles in der Kommune bewegt hat. Zum Gedenken an die beliebten Bürgermeister erheben sich die 120 Dorfbewohner im Tafernsaal und halten kurz inne. Um den Nachwuchs muss sich die Kommune allerdings keine Sorgen machen. "Mia san ganz guad dabei", sagt Bürgermeister Blatt und spielt auf das funktionierende Liebesleben in der Gemeinde an. Demnach sind seit Jahresbeginn 2017 immerhin 62 Kinder auf die Welt gekommen. Die Gefahr, dass sie Erdweg irgendwann verlassen könnten, hält sich in Grenzen, wie Blatt anhand einer Statistik offenbart. Die Gemeinde verzeichnet in der Altersgruppe bis 18 Jahre einen Bevölkerungsanstieg von 15 Prozent. Von Landflucht wie in Teilen Ostdeutschlands oder Frankens kann somit keine Rede sein.

Neues Baugebiet in der Sandgrube

Umso wichtiger ist es für die Kommune, den Menschen Lebensraum zu bieten. Das neue Baulandmodell der Gemeinde, das den Verkauf von Flächen attraktiver machen soll, fruchtet laut Blatt bereits. Auf seinem Schreibtisch lägen zahlreiche Anfragen auf Baulandausweisung, außerdem stehe die Gemeinde tüchtig in Verhandlungen. Neue Baugebiete in Großberghofen-Siedlung und Kleinberghofen-West sind in Planung. Ein großes Baugebiet in der Sandgrube im Ortsteil Eisenhofen soll bereits im kommenden Herbst erschlossen und Mitte kommenden Jahres bebaut werden. Zwar habe die Gemeinde noch keine abschließende Entscheidung getroffen, wie der Grund veräußert werden soll. Aber Blatt ließ durchblicken, dass definitiv auch Einheimische zum Zug kommen sollen. Die Gemeinde wolle schließlich darauf achten, dass auch kleinere Wohneinheiten in Mehrparteienhäusern entstehen, die für junge Menschen bezahlbar sind. Die Grundstückskosten haben in der Kommune inzwischen einen Preis von bis zu 600 Euro pro Quadratmeter erreicht. Die Grundstücke in der Sandgrube werden im Juni veräußert.

Ein grüner Lastwagen rostet vor sich hin

In der Diskussion, die der wichtigste Akt einer Bürgerversammlung ist, bringt die Erdwegerin Uschi Kreis ein Dauerthema zur Sprache: die Wohnungsleerstände. Blatt betont, dass die Gemeinde sich in dieser Hinsicht auf einem "normalen Niveau bewege". Allerdings hat die Gemeinde Erdweg speziell mit einem Haus- und Grundstücksbesitzer zu kämpfen, der seine Anwesen geradezu verrotten lässt. Das erbärmliche Bild, das die verwahrlosten Grundstücke abgeben, ist für die Bürger schon lange ein Ärgernis. Blatt wiederholt am Dienstag fast schon gebetsmühlenartig, dass er dem Mann etliche Male gut zugeredet habe - ohne Erfolg. Der Kommune seien rechtlich die Hände gebunden. "Nur die Eigentümer können über ihr Eigentum entscheiden." Das gelte auch für den grünen Lastwagen, der schon ewig neben dem Schreibwarengeschäft vor sich hin rostet. "Der ist doch schon ein Industriedenkmal", sagt ein humorvoller Bürger.

Der Walkertshofener Biobauer Hans Schmid beklagt sich, dass der Bauhof viel zu häufig die Weg- und Straßenränder abmähe und selbst vor dem meditativen Wanderweg vom Petersberg nach Altomünster nicht halt mache. In Zeiten des Insektensterbens gehe dadurch wichtiger Lebensraum für die Tiere verloren. "Die Gemeinde könnte sich hier die Kosten sparen und mit gutem Beispiel vorangehen", findet Schmid.

Fahrrad-Infrastruktur fördern

Der Erdweger Helmut Schmid - und darin bekräftigen ihn viele - kritisiert, dass Wirtschaftswege, die Fahrradfahrer nutzen, mit Betonbruch bearbeitet wurden. Der holprige Untergrund sei für Fahrradfahrer sehr gefährlich. Bürgermeister Blatt kennt das Problem bereits und hat angeordnet, die entsprechenden Wirtschaftswege künftig nur noch mit geeignetem Material zu bearbeiten. "Aber das geht nicht von heute auf morgen", sagt Blatt. Biobauer Schmid bemängelt wiederum, dass der Fahrradständer am Wirtshaus am Erdweg hinter einem Müllhäuschen versteckt und zugewachsen sei. Die Tankstelle für Elektro-Fahrräder sei ebenfalls sehr versteckt und habe monatelang nicht funktioniert, außerdem sei es unpraktisch, den Schlüssel für die Tankstelle jedes Mal beim Wirt holen zu müssen. "Wir müssen die Fahrrad-Infrastruktur fördern, wenn wir nicht wollen, dass alle mit dem Auto fahren", sagt Schmid.

Erfreulich ist, dass Bürgermeister Christian Blatt (schwarzes Sakko) im Januar das Eisenhofener Wirtshaus an Bürger übergeben hat. (Foto: Privat)

Der Erdweger Rudi Mader fragt, ob in der Gemeinde nun verstärkt in die Höhe gebaut würde angesichts der Debatte über Flächenfraß. Blatt antwortet: "Wir versuchen gemischte Bauformen zu finden. Die Gebäude müssen ins Landschafts- und Ortsbild passen." Der Dauerbrenner Straßenausbaubeitragssatzung kommt zu Blatts Erstaunen überhaupt nicht zur Sprache. Die Probleme der Erdweger wirken - wie gesagt - überschaubar.

© SZ vom 08.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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