Bürgerbeteiligung zu MD-Gelände:Lasst sie nur reden

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Wie grün und ökologisch soll das MD-Areal werden, wenn die Konversion abgeschlossen ist. Auch das ist eine Frage, die in der Bürgerbeteiligung diskutiert wird. (Foto: Toni Heigl)

"Die CSU übernimmt stets die Position des Grundstücksbesitzers." Bündnis, SPD, Grüne und ÜB werfen den übrigen Parteien im Stadtrat vor, den Willen der Bürger bei der Neubebauung des MD-Geländes nicht ernst zu nehmen.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Die Bürgerbeteiligung zur Zukunft des MD-Areals neben der Dachauer Altstadt ist zwar abgeschlossen, aber die Debatte darüber längst noch nicht zu Ende. Denn die Grundsatzfragen, welche die Fraktionen und Gruppierungen umtreiben, lauten: Wie viel vom Bürger ist tatsächlich in den Entscheidungen enthalten? Und: Wie bindend sind Ergebnisse für Mandatsträger, die sich in dem Verfahren als Mehrheitsmeinungen herausgestellt haben?

Reizpunkt ist dabei die künftige Aufenthaltsqualität in dem Areal, das als Mühlviertel tituliert wird. Die Fraktionen von Bündnis für Dachau, SPD, Grüne und Überparteiliche Bürgergemeinschaft (ÜB) hätten sich größere Grünzüge, einen umfangreicheren Puffer zwischen der Amper und dem geplanten Wohnquartier gewünscht, dazu eine Gemeindebedarfsfläche für Begegnungsmöglichkeiten, eine Quartiersgarage und eine verbindliche Vorgabe, dass die Flächenaufteilung im Sinne der Bürger auf 60 Prozent Wohnen und 40 Prozent Gewerbe festgelegt wird. Die Mehrheit von CSU, Freien Wählern Dachau, Bürgern für Dachau und FDP war dagegen.

Tatsächlich haben zwei Bürgerbeteiligungen stattgefunden: Die erste zu MD war eingebunden in die sogenannten Thementische, an denen Bürger sich über mehrere Jahre über zahlreiche Zukunftsprobleme Dachaus Gedanken machten und Lösungen vorschlugen. Die Frustration unter den Teilnehmern war ziemlich groß, weil sie umfassende Konzepte erarbeiteten, deren Wirkung aber verpuffte. Beim MD-Thementisch konterkarierten die Vorschläge regelrecht die Vorstellungen des Eigentümers, der Myllykoski Oy aus Finnland. Das Unternehmen hatte die MD-Papierfabrik abgewickelt und firmiert auf der Homepage der DEG (Dachau Entwicklungsgesellschaft mbh) als alleiniger Grundstücksbesitzer. Geschäftsführer ist der Inhaber der Bau- und Entwicklungsgesellschaft "Ihr Eigenheimprofi", Herbert R. Ullmann.

Was der CSU vorgeworfen wird

Bereits bei den Thementischen wurde deutlich, dass Bürger den Gewerbeanteil erhöhen wollten, auch um Steuereinnahmen zu sichern. Außerdem handelt es sich bei dem 17 Hektar großen Areal größtenteils um ein Industriegebiet, für das erst noch Baurecht geschaffen werden muss, um überhaupt Wohnungen errichten zu können. Die Forderung nach einem hohen Gewerbeanteil nahm die zweite Bürgerbeteiligung auf, die dieses Jahr stattfand und sich jetzt ausschließlich auf die Zukunft der MD-Brache konzentrierte.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Rainer Rösch (ÜB).

Gertrud Schmidt-Podolsky (CSU).

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(Foto: Toni Heigl)

Florian Hartmann (SPD).

Sabine Geißler (Bündnis).

In einer gemeinsamen Presseerklärung werfen Bündnis, SPD, Grüne und ÜB den übrigen im Stadtrat vertretenen Parteien und Gruppierungen, insbesondere der CSU, vor, dass sie das Instrument der Bürgerbeteiligung nicht ernst genug nähmen: "Sie wird nur soweit akzeptiert, soweit keine zentralen Positionen der CSU und ihrer Mitstreiter berührt werden." Mit anderen Worten: Die CSU weiß, was sie will. Wenn ihre Ansicht mit der jeweiligen Bürgermeinung übereinstimmt, umso besser.

Da der CSU-Fraktionsvorsitzende Dominik Härtl am vergangenen Freitag nicht erreichbar war, verdeutlicht Gertrud Schmidt-Podolsky die Haltung ihrer Partei. Sie ist Mitglied im Bauausschuss des Stadtrats und engagiert sich maßgeblich für ihre Fraktion bei der Entwicklung des MD-Gebiets. Sie begründet die Ablehnung von größeren Grünflächen oder einer Quartiersgarage mit der Sorge um die Wirtschaftlichkeit der Konversion. "Diese Frage stand für uns im Vordergrund", sagt sie. Den Vorwurf, dass die CSU die Bürgerbeteiligung nicht ernst nehme, weist sie zurück. Von mehr als 400 Vorschlägen seien an die 120 problemlos in den Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs eingearbeitet worden. Gerade mal acht seien strittig gewesen. Außerdem: "Die Verantwortung trägt letztlich der Stadtrat."

Nun würde man vermuten, dass innerhalb des Stadtrats der Streit um die Frage gehen könnte, ob bei einer Bürgerbeteiligung die Meinung der Teilnehmer für den Stadtrat verbindlich sein müsste. "Nein", sagt Bürgermeister Kai Kühnel, Sprecher des Bündnisses für Dachau. Aber eine Bilanz der Bürgerbeteiligung, die Bündnis-Stadtrat Michael Eisenmann erstellte, habe für die Kritiker der CSU ein klares Bild ergeben. Bündnissprecher Kühnel skizziert es so: "Bei sämtlichen Fragen einer besseren Ökologie und Aufenthaltsqualität übernimmt die CSU stets die Position des Grundstücksbesitzers." Also der DEG und von Herbert R. Ullmann.

Wie der Oberbürgermeister reagiert

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) will den Konflikt über Ökonomie und Ökologie im Stadtrat nicht kommentieren. "Ihn müssen die Fraktionen unter sich ausmachen", sagt er der SZ. In seiner Doppelfunktion als OB und Vertreter der Verwaltung betrachte er es nicht als seine Aufgabe, in diesem Fall sich politisch zu positionieren. Er sagte aber auch, dass er die Forderungen nach mehr Grün der SPD und der drei übrigen Fraktionen mittrage. "Ich habe dafür gestimmt."

Außerdem besteht seiner Ansicht nach noch die Option, gemeinsam mit Bürgern und Stadträten das abgelehnte Anliegen nochmals aufzunehmen. Denn die Frage der Gestaltung hat der Stadtrat an die Bürger zurückverwiesen. Die Bürgerbeteiligung dürfte übrigens faktisch erst im November 2015 beendet werden können. Bis dahin sollen die einzelnen Fraktionen die mehr als 400 Vorschläge der Bürger durchforsten, ob wichtige Ideen übersehen worden sind.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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