Besprechung im Landratsamt:"Latente Verunsicherung"

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Der bayerische Verfassungsschutz informiert den Landrat und die Bürgermeister aller Landkreisgemeinden über den Umgang mit sogenannten Reichsbürgern. Dachau erlässt sogar eine eigene Dienstanweisung

Von Felix Wendler, Dachau

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat bei einer Veranstaltung im Landratsamt Dachau die Bürgermeister aller 17 Landkreisgemeinden über die sogenannte Reichsbürgerbewegung informiert. Die Behörden im Landratsamt sowie einige Gemeinden, etwa Dachau, Karlsfeld und Schwabhausen haben immer wieder mit Reichsbürgern zu tun: Diese erkennen die Bundesrepublik nicht an, wollen beispielsweise keine Steuern zahlen und keinen amtlichen Personalausweis oder Reisepass bei sich tragen. Am Dachauer Amtsgericht kam es deshalb schon zu mehreren Prozessen gegen sogenannte Reichsbürger. Noch im April hatte der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Burkhard Körner, das Dachauer Land als "ein Zentrum der Bewegung" bezeichnet. Zwei der bekannten Reichsbürger hatten Richter des Dachauer Amtsgerichts wiederholt massiv bedroht.

Doch die Einschätzung, dass im Landkreis Dachau die Reichsbürger besonders aktiv sind, hat der Verfassungsschutz mittlerweile revidiert. Im Landkreis Dachau seien 25 Personen bekannt, die sich der Reichsbürgerbewegung zuordnen ließen, teilt der Verfassungsschutz mit. Diese Zahl sei "im Vergleich zu anderen bayerischen Landkreisen eher unterdurchschnittlich". Zudem blieb die Anzahl seit Jahresbeginn "fast unverändert", während man für den gesamten Freistaat Bayern massive Zuwächse festgestellt habe - was allerdings auch auf eine intensivere Beobachtung zurückzuführen sei. Neue Erkenntnisse ergeben sich aus den Ermittlungen zur Gruppe "Heimat der Menschen zu Dachau", die behauptet hatte, in "mehreren Gemeinden im Landkreis" aktiv zu sein. Diese Behauptung der auch als "Heimatgemeinde Dachau" agierenden Bewegung habe sich jedoch nicht bestätigt.

In einem Fernsehbeitrag, den das ZDF über das Treffen im Landratsamt gedreht hatte, spricht Landrat Stefan Löwl (CSU) von einer "latenten Verunsicherung der Mitarbeiter". Die Angriffe würden sich nicht nur gegen die Behörden, sondern auch gegen deren Vertreter richten. Auch Michael Holland, Abteilungsleiter für Sicherheit und Ordnung im Landratsamt, hat nicht den Eindruck, dass sich das Problem im Landkreis insgesamt verschärft hat. Allerdings gingen immer häufiger Faxe und Briefe beim Landratsamt ein, die ohne Unterschrift und lediglich mit "Deutsches Reich" unterzeichnet worden seien. Der Verfassungsschutz verweist zudem auf ein zunehmend dominantes Auftreten der Reichsbürgerbewegung, insbesondere über das Medium Internet.

Für die Behörden in den Landkreisen und Gemeinden stellt sich immer wieder die Frage, wie man mit diesen Gruppierungen und ihren Anträgen umgehen soll. Verfassungsschützer Burkhard Körner sprach deshalb in Dachau gemeinsam mit Christoph Dauser von der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) über verschiedene Ausprägungen der Reichsbürgerbewegung und mögliche Schulungsmaßnahmen für die Mitarbeiter der Behörden.

Der Schwabhausener Bürgermeister Josef Baumgartner (FW) hat in seiner Gemeinde häufiger mit Reichsbürgern zu tun. Im Juli hatte die Polizei eine Fälscherwerkstatt in Schwabhausen ausgehoben. Bei der groß angelegten Razzia durchsuchten mehr als 200 Polizeibeamte diverse Objekte in Bayern, vier davon in den Landkreisen Erding, Ebersberg, Starnberg und Dachau. Dabei beschlagnahmten sie zahlreiche Beweismittel, vor allem Datenträger sowie eine Reihe gefälschter Urkunden, Staatsangehörigkeitsausweise und gefälschte Zulassungsstempel. Baumgartner sagte nach der Razzia: "Wir hatten schon Fälle, da sind Reichsbürger in die Verwaltung gekommen und wollten ihren Reisepass abgeben und von uns eine Bestätigung bekommen." Mit obskuren Anträgen von Reichsbürgern werde er regelmäßig konfrontiert, sagt auch der Karlsfelder Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). Schlimmeres sei zum Glück aber noch nicht passiert. Dennoch hält Kolbe Schulungsmaßnahmen für sinnvoll. Erst kürzlich habe man einen Flyer von der Landeshauptstadt ausgeteilt, der über das Thema aufklärt. Die Stadt Dachau hielt es sogar für nötig, eine Dienstanweisung für den Umgang mit Reichsbürgern zu entwickeln. Die Mitarbeiter werden darin angewiesen, sich nicht auf Diskussionen einzulassen und "konsequenten Gesetzesvollzug" anzukündigen, erklärt Josef Hermann, Leiter der Hauptverwaltung.

Verfassungsschützer Burkhard Körner (Foto: Matthias Balk)

So genannte Reichsbürger erkennen die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht an. Etwa 10 000 Personen rechnet der Bundesverfassungsschutz dieser Bewegung in Deutschland zu. Die politischen Auffassungen sind je nach Gruppierung unterschiedlich, häufig bewegen sie sich jedoch in rechtsextremen Milieus. Dass Reichsbürger in ihren Überzeugungen teilweise zu fataler Radikalität neigen, ist spätestens seit Oktober vergangenen Jahres bekannt. Damals schoss ein Reichsbürger im fränkischen Georgensgmünd auf Polizisten, die mit einem Durchsuchungsbefehl angerückt waren. Ein Polizist starb, zwei wurden verletzt. Der Täter wurde inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilt. Das ursprüngliche Bild des Reichsbürgers als harmloser Spinner hat sich in der Öffentlichkeit gewandelt. Behörden, Polizei und Verfassungsschutz sind alarmiert und beobachten die Szene genau. Erst vergangene Woche verhaftete die Polizei im Allgäu abermals einen Reichsbürger, der um sich geschossen hatte.

Am Amtsgericht Dachau war im März 2016 ein Prozess gegen einen sogenannten Reichsbürger angesetzt, der wegen Erpressung angeklagt war. Der Mann wollte nicht nur keine Steuern zahlen, er hatte dem Finanzamtsmitarbeiter sogar eine Rechnung über 140 000 Euro gestellt - als Strafe dafür, dass er überhaupt Steuern zahlen sollte. Das Dachauer Landratsamt hat inzwischen überprüft, ob als sogenannte Reichsbürger bekannte Personen aus dem Landkreis im Besitz von Waffen sind - das ist offenbar aber nicht der Fall.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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