Bergkirchen:Des Pudels Kern

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Ulrike Beckers inszeniert im Hoftheater Bergkirchen Goethes Hauptwerk als hintergründig-bissige Komödie. Helena Schneider, Ansger Wilk und Herbert Müller schlüpfen im "Fast Faust" in 57 unterschiedliche Rollen

Von Petra Neumaier, Bergkirchen

Eigentlich ist die Geschichte ja nicht zum Lachen: Da schließt ein Gelehrter um des Vergnügenswillen mit dem Teufel einen Pakt, bringt die Mutter seiner Angebeteten um (aus Versehen), schwängert jene (dito), welche wiederum das Neugeborene ersäuft (absichtlich) und im Kerker dem Wahnsinn verfällt (wen wundert's). Und das nur wegen einer Wette zwischen dem lieben Gott und dem bösen Mephisto!

Wenn das Ensemble des Hoftheaters Bergkirchen Goethes Faust auf die Bühne bringt, bleibt allerdings trotz der Tragödie kein Auge vor Lachen trocken. Schließlich ist die Inszenierung von Ulrike Beckers ja auch nur "Fast Faust". Und so konnten sich zur Premiere auch jene zu dem gewaltigen Werk trauen, die es eigentlich nicht so mit den gereimten Klassikern der deutschen Literatur haben.

Weiße Stoffbahnen dienen als Hintergrund, darauf projektiert maskierte Venezianer, die später von Engeln und anderen Bildern abgelöst werden sollen. Drei Holzkisten stehen auf der winzigen Bühne - Nein noch eine vierte gibt es, die der selbstgefällige Theaterdirektor Johann Wolfgang (Herbert Müller) aus einem Eck zieht, um sich mit Umhang und Dreieckshut darauf zu positionieren. Völlig unbemerkt von den vorderen Reihen, hat da schon die Souffleuse (Helena Schneider) an einem Bistrotisch Platz genommen. Ungeduldig darauf wartend, dass sie endlich die Schauspielerin ersetzen darf, die der Aufführung fern geblieben war.

Ansgar Wilk als Gretchen. (Foto: Toni Heigl)

Bereits in den ersten Minuten, vor allem aber, als der zweite im Bunde der Hauptdarsteller auftritt (Ansgar Wilk als Spielleiter, Requisiteur, Chor, Ballett, Hund und weiteres in seiner Rolle als Heinrich Johann) wird klar: Hier wird fast ausnahmslos in Versen gesprochen, Zitate aus dem berühmten Werk genauso, wie eigene Dichtungen, wie's den Herren und der Situation eben beliebt. In 57 Rollen schlüpfen die beiden Hauptdarsteller - sie mit einzelnen Personen zu besetzen, "wäre Zeit- und Energieverschwendung - außerdem das Publikum lohnet ja nicht immer der Mühe", erklärt der Theaterdirektor frech, der im Folgenden als Faust und Gott daselbst durch das Stück führt.

Es beginnt im Himmel. Mit der Wette zwischen Gott (Müller) und Mephisto (Wilk), um im nächsten Moment schon im Studierzimmer des Herrn Doktor Faust (Müller) fortgesetzt zu werden. Weil er keinen Sessel hat, reicht ihm Ulrike Beckers einen Hüpfball, auf dem Faust über die Bühne springend an den Grenzen seines Geistes verzweifelt. Auch der beschworene Erdgeist (Wilk) hilft da nicht. Selbst, als das Publikum mit Lämpchen für geisterhafte Stimmung sorgt und mit ihm einen Vers aufsagt. Aus Frustration will Faust sich das Leben nehmen, wird aber vom schiefen Flötenspiel des Engels (Wilk) vom Todestrunk abgehalten ("die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!").

Ansgar Wilk als Heinrich Johann. (Foto: Toni Heigl)

Es folgt der Osterspaziergang von Faust und Freund Wagner (Wilk) und die Begegnung mit dem Pudel (Wilk), der von dem Wissenschaftler mitgenommen wird, wo er sich im Schattenspiel in "seines Pudels Kern", den Mephisto (Wilk) verwandelt. Sogleich wird der Teufelspakt beschlossen, Und jetzt darf die Souffleuse auch endlich zum Zug kommen: Als Hexe sagt sie das Hexen-Ein-mal-Eins auf, auf dass ein Verjüngungstrunk den alten Faust um 30 Jahre verjüngt, woraufhin jener sofort wollüstig eine Dame im Publikum bedrängt.

Gut, dass jetzt Pause ist und schön, dass hinterher "keiner entflohen zu sein scheint", wie der Theaterdirektor erleichtert feststellt. Schließlich geht es jetzt ja um das Gretchen (Wilk), dargestellt in Vertretung der Schauspielerin mit Rock und blonden Zöpfen, von Heinrich Johann, der sogleich Goethe kritisiert, da das Mädchen in dem Stück gerade mal 14 Jahre alt sein soll. "Dafür wäre er heute ins Gefängnis gekommen."

Turbulent dann die Gartenszene, wo Faust (Müller), Gretchen (Wilk), Mephisto (Wilk) und die Nachbarin Marthe (Schneider) in kurzer Folge auftreten. Rasch wechseln die Verkleidungen, nicht immer gelingt die Verwandlung absichtlich unabsichtlich reibungslos, was zu weiteren Lachern führt. Ebenso wie die vermeintlichen Texthänger, Stolperer, eigenmächtigen Inszenierungen und Streitgespräche. Oft versteht man die Dialoge kaum noch, so laut grölt das Publikum.

Herbert Müller als Faust zwischen Satire, Komödie und Klamotte im Hoftheater Bergkirchen. (Foto: Toni Heigl)

Zur Melodie (und zum Mitsingen) von "Marmor, Stein und Eisen bricht", singt die Souffleuse (jetzt endlich in den weiblichen Rollen akzeptiert) "Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer, ich finde sie nimmer und nimmermehr" - bis das Gretchen geschwängert ihr Kind ertränkt und im Kerker wahnsinnig dahin siecht, noch einmal das Lied trällernd. Vorbei ist das Drama, das in Bergkirchen keines war und das die Dichtung des Werkes respektvoll durch den Kakao zog und die Größe der Zitate erst begreifbar machte.

Wie gut, dass es noch weitere Aufführungen im Hoftheater Bergkirchen gibt: am Freitag, 6. Januar und Samstag, 28. Januar (jeweils 20 Uhr), sind sogar noch wenige Karten zu haben.

© SZ vom 24.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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