Bergkirchen:Das Super-Hirn

Lesezeit: 2 min

Assistentin Innocentia (Sarah Kornfeld, links) verfolgt, wie Franka Stein (Janet Bens) das Geniegehirn von Albert Einstein begutachtet. (Foto: Toni Heigl)

Zu seinem 25. Bühnenjubiläum inszeniert Ansgar Wilk im Hoftheater Bergkirchen die Uraufführung "Das Labor der Doktor Franka Stein" - eine irre Geschichte um Macht, Gier und Sex

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Diese wahre Geschichte ist so bizarr, wie der Mann genial war. Die Rede ist von Albert Einstein (geboren 1879 in Ulm). Nach seinem Tod am 18. April 1955 in Princeton USA entnahm der Pathologe Thomas Harvey bei der Obduktion widerrechtlich Gehirn und Augen des hochintelligenten Physikers. Während die braunen Augen ihre letzte Ruhestätte in einem Safe in New York fanden, ging Harvey mit dem Gehirn wenig pietätvoll um. Er teilte es in 240 Würfel und bewahrte diese in mit Formalin gefüllten Einmachgläsern auf.

Harveys Plan: Herauszufinden, wo sich die Genialität des Nobelpreisträgers in dessen Hirn manifestiert hatte. Ein Wahnsinns-Plot für unzählige Bücher, Traktate, mehr oder weniger wissenschaftliche Abhandlungen - und eine total abgefahrene Komödie: "Hirn. Das Labor der Doktor Franka Stein". Die erlebte am vergangenen Donnerstag im Hoftheater Bergkirchen ihre Uraufführung in einer irren Inszenierung von Ansgar Wilk, der auch den schwulen Hochzeitsplaner Daffyd Dreamy spielte - und damit sich und seinem Publikum eine Paraderolle zum eigenen 25. Bühnenjubiläum schenkte.

Zurück zu Franka Stein (Janet Bens mit typischer Einstein-Frisur und Domina-Attitüde). Die Frau ist besessen vom Wunsch nach einem Adonis mit dem Hirn Einsteins. Warum? Sie will sich endlich auf höchstem Niveau mit einem Mannsbild austauschen können und nebenbei die Weltherrschaft an sich reißen. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind natürlich ausgeschlossen. Glücklicherweise hat sie sämtliche Hirnteile Einsteins zusammensetzen können. Die warten nun im Einmachglas auf ihre Wiedererweckung. Fehlt nur noch der Adonis. Den sollen Frankas Assistentinnen, die nicht gerade vor Intelligenz strotzende Innocentia (eine echte Entdeckung: Hoftheater-Neuling Sarah Kornfeld) und die ausgefuchste, ein wenig hinterlistige Ignatia (souverän: Julia Uttendorfer) ganz schnell herbeischaffen. . .

Wer "Theater, Theater" im Hoftheater gesehen hat, hat eine Ahnung davon, was nun auf der kleinen Bühne abgeht. Stammt doch "Franka Stein" gleichfalls vom Autorenduo Sabine Misiorny und Tom Müller, zwei Garanten für witziges, modernes Boulevardtheater. Es treten auf - nebeneinander, miteinander, über- und untereinander): Felix Felicio, ein Vertreter für Staubsauger, Modell Heinzelmann (Jürgen Füser als nie die Contenance verlierender Verkäufer-Prototyp mit garantiert die Sicht behindernder Brille), Siegfried Sieg (Lukas Vallentin als männliche Unschuld vom Lande), seine zielstrebige Verlobte Gloria (sehr süß und sehr selbstbewusst: Lucia Feneberg) ein bigotter Pater Ambrosius (Herbert Müller als frömmelnde Persiflage auf das oberklerikale Gehabe mancher Kirchenmänner) und - ein mit viel Szenenapplaus bedachter - Ansgar Wilk als wendiger, opportunistischer Hochzeitsplaner, gegen den der berühmte "Fronk" (Martin Short) im Film "Vater der Braut" nur ein Hanswurst ist . Bis zum - leider konventionellen - Happy End fliegen die Worte, die Witze und die Fetzen im fabelhaften Bühnenbild von Ulrike Beckers mit seinem monströs überzeichneten Labor und dem psychedelisch angehauchten Ambiente.

Es geht hoch her in diesem Reigen seltsamer Gestalten in ihren schrillen Kostümen, eindeutige Zweideutigkeiten beherrschen über weite Strecken die Dialoge. Das kann schiefgehen, abrutschen in billige Comedy. Dass dem nicht so ist, ist Wilks kluger Regie zu danken. Er lässt seine Schauspieler ihre jeweiligen Charaktere gnadenlos grotesk überzeichnen. Sie überspielen mit Witz, Temperament und Spaß an ihren Rollen die eine oder andere milde Schwäche des Stücks, loten die absurde Komik des Stücks aus und transportieren ein Körnchen Wahrheit: Was einstmals der Traum vom Märchenprinzen war, ist heute die Vision vom Mann mit dem Sixpack-Body und dem Einstein-Hirn. Insofern sind wir Frauen alle ein bisschen Franka Stein.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: