Ausstellung im Museum Altomünster:Stille Zerrissenheit

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Das "Stillleben mit schwarzer Katze und Vogelspiel" entstand 1958. (Foto: DAH)

Das Museum Altomünster zeigt eine Retrospektive von Maria Langer-Schöller. Das Werk der Dachauer Malerin, die sich an Henri Matisse orientierte, ist auch ein Stück Zeitgeschichte.

Von Bärbel Schäfer, Altomünster

Sie hatte beste Voraussetzungen. Aus einer kunstsinnigen und wohlhabenden Familie stammend, talentiert und von der Mutter finanziell unterstützt, konnte sie sich ganz ihrer Berufung, der Malerei, hingeben. Sie genoss eine fundierte Ausbildung bei den angesehensten Lehrmeistern ihrer Zeit, besuchte Paris, den Schmelztiegel der Avantgarde, und studierte bei Henri Matisse. Maria Langer-Schöller malte wunderbare, abstrahierte Bilder und kam doch nie über ein für die damaligen Verhältnisse zu bezeichnendes künstlerisches Mittelmaß hinaus.

Die von Kuratorin Jutta Mannes konzipierte und von einem schönen Katalog begleitete Ausstellung im Museum in Altomünster dokumentiert zum ersten Mal einen Überblick über das Leben und Werk der 1878 in Dachau geborenen Künstlerin. Der Kuratorin ist es gelungen, eine repräsentative und tiefgründige Ausstellung zusammenzutragen, die auch die Verwerfungen in der Biografie nicht ausspart.

Die Fotografie zeigt Maria Langer-Schöller mit ihrer Tochter Esther. Die Künstlerin gehörte zur Familie Ziegler, der Brauerei-Dynastie in Dachau. (Foto: Familie Stöhr,oh)

Die Ausstellung zeigt ein zerrissenes Werk aus sechzig Jahren. Moderne, unter dem Einfluss der französischen Moderne entstandene Malerei steht neben braven Heimatbildchen und kunsthandwerklichen Produkten, die sich dem bürgerlichen Geschmack und später dem der Nationalsozialisten andienten. Gezeigt wird also ein ausdrucksstarkes Bild dieser für Dachau wichtigen Malerin; nicht nur ein Stück Kunst, sondern auch ein Stück Zeitgeschichte.

Die goldene Zeit der Malerin war vor dem Ersten Weltkrieg

"Ich war immer sehr verliebt in die Farbe", fasste Maria Langer-Schöller 1957 ihren Antrieb zu leichtschwebenden Stillleben und Figurenbildern zusammen. Maria Langer-Schöller war eine Ausnahme. Am ehesten ist ihre Malerei mit dem Aufbruch von Paula Wimmer zu vergleichen. Diese überwand die Freilichtmalerei und schlug den Weg in einen farbigen und kraftvollen Expressionismus ein. Maria Langer-Schöller malte lyrischer.

Im frühen Bild "Mutter und Kind" von 1902 ist noch der Einfluss der Schule von Hölzel zu erkennen. Spätere Bilder sind von einer bestechenden Leichtigkeit und flächigen Ordnung. Die Linie ist jetzt bestimmend. Das zeigt sich von 1906 an in der zarten Zeichnung "Esther als Baby". Nur Umrisslinien, die spannungsvoll die Fläche erschließen. 1904 hatte sie die zweite Parisreise unternommen und den Maler und Bildhauer Otto Richard Langer geheiratet. Aber die Ehe hielt nicht lang. Maria Langer-Schöller besuchte ihn mehrmals und nahm am Unterricht der Académie Matisse teil, ihr Lebensmittelpunkt aber blieb in Dachau, schon wegen der 1905 geborenen Tochter Esther.

Schlafende Esther mit Katze. Das Bild entstand 1920. (Foto: DAH)

Die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg waren goldene. Auf dem Grundstück am heutigen Oberanger, der damaligen Zieglerwiese, hatte die Mutter für sie ein großes Haus bauen lassen, und Maria Langer-Schöller freute sich über erste Ausstellungserfolge. Sie nahm an den Ausstellungen der Münchner Secession und an den Glaspalast-Austellungen teil. Ihre Arbeiten waren in London zu sehen. Henri Matisse und seine revolutionäre Sicht auf die Bildkomposition, die er seit 1908 in seiner Akademie unterrichtete, wurde wegweisend. Vereinfachung der Formen, Flächigkeit und Farbwirkung. Nicht einen realistischen Natureindruck des Arrangements wiedergeben, sondern das Gesehene in ein Ornament umsetzen.

Maria Langer-Schöllers Gouache vom Kaffeetisch mit der Rückenfigur der Katze von 1908 zeigt diese beginnende Vereinfachung. "Tulpen im Topf" aus dem Jahr 1929 zoomt den tönernen Blumentopf auf der blauweiß karierten Tischdecke formatfüllend bis an den Bildrand heran. Die Bildebenen verschränken sich gekonnt. Im Stillleben mit Rauschgoldengel von 1944 addiert die Malerin die Gegenstände zum dekorativen Tête à Tête: Es gibt kein vorne und hinten, nur ein Nebeneinander.

Das eigentliche Thema ist das Spiel der Beziehungen zwischen dem Muster des Tischtuches mit den Gegenständen. Berückend sind die Figurenbilder: Das Aquarell von der schlafenden Esther mit Katze aus dem Jahr 1921. Die Katze schmiegt sich an den Mädchenkörper und das getigerte Katzenfell und das gemusterte Kleid gehen ineinander über. Oder "Esther mit Freundin" - ein lyrisches Porträt der beiden Mädchen im Garten, umrahmt von einem Ornament aus Blumen.

Die Malerin entdeckte mit fortschreitender Zeit ein wachsendes Gefallen an einfachen Formen. (Foto: DAH)

Den kulturellen und künstlerischen Einbruch, den der Nationalsozialismus den Menschen aufzwang, bewältigte Maria Langer-Schöller, indem sie sich dem System ergab. Sie wurde Mitglied in der NSDAP und konnte sich an den von der nationalsozialistischen Kulturpolitik genehmigten Ausstellungen beteiligen. Es gehörte zu ihrer Überlebensstrategie, volkstümliches Kunsthandwerk herzustellen. Die Mutter, die sie unterstützt hatte, war 1933 verstorben.

Ihren Katzen setzte sie in wunderbaren Bildern ein Denkmal

Ein politisches Interesse Maria Langer-Schöllers kann Kunsthistorikerin Jutta Mannes nicht erkennen, auch wenn lapidare kunsthandwerkliche Erzeugnisse wie hölzerner Tischschmuck, Bierkrüge, Scherenschnitte und Zeichnungen zum Teil das Hakenkreuz trugen. Diese Zeit war nicht nur von finanzieller Not gezeichnet, sondern auch von Sorge um die Tochter Esther. 1940 zeigte Esther erste Anzeichen einer psychischen Erkrankung, fiel damit unter das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" und wurde in das gefürchtete Eglfing-Haar eingewiesen. Mit einem Anwalt konnte Maria Langer-Schöller eine Zwangssterilisation ihrer Tochter gerade noch abwenden. 1948 wurde Esther in Schönbrunn untergebracht.

Die letzte Ruhestätte von Maria Langer-Schöller auf dem alten Stadtfriedhof in Dachau. (Foto: DAH)

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Maria Langer-Schöller mittellos. Sie verkaufte ihr Haus gegen eine Leibrente. Die Katzen waren ihr Trost. Ihnen setzte sie in wunderbaren Bildern ein Denkmal. Am 20. April 1969 starb Maria Langer-Schöller im Alter von 91 Jahren in einem Dachauer Altenheim. Im Zieglerschen Familiengrab im Alten Friedhof in Dachau fand sie ihre letzte Ruhe.

Museum Altomünster. Öffnungszeiten von Mittwoch bis Samstag von 13 bis 16 Uhr, Sonntag von 13 bis 17 Uhr. Führung jeden Sonntag um 15 Uhr.

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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