Ausstellung im Bezirksmuseum:Gänsefederbäumchen per Post

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Eine Ausstellung im Bezirksmuseum Dachau widmet sich dem protestantischen Ursprung der Weihnachtsbräuche. Kriege und Armut prägten die damalige Adventszeit. An den Zweigen hingen kleine Soldaten

Von Jana Rick, Dachau

Jedes Jahr wird am ersten Dezember das erste Türchen des Adventskalenders geöffnet, am ersten Advent wird eine Kerze angezündet und an Heiligabend der Christbaum aufgestellt und geschmückt. Weihnachtliche Rituale. Doch woher kommen diese Bräuche? Dass viele von ihnen ihren Ursprung im Protestantismus haben, zeigt jetzt das "Weihnachtszimmer" im Bezirksmuseum. Im Mai diesen Jahres eröffnete die Sonderausstellung "500 Jahre Reformation. Zur Geschichte der Protestanten im Dachauer Land". Das Weihnachtszimmer war von Anfang an von der Museumsleiterin Ursula Nauderer geplant. Doch sie wollte den passenden Zeitpunkt abwarten und ließ es noch verschlossen. Jetzt, pünktlich zur Adventszeit, öffnete sie das Zimmer und erweiterte die laufende Ausstellung um das Thema Weihnachten.

Die Christbaumtradition geht weit in der Zeit zurück - das kann man im Weihnachtszimmer des Bezirksmuseums lernen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Brauchtumsursprünge jeglicher Art sind oft heftig umstritten, das weiß auch die Museumsleiterin. Schließlich würden immer wieder neue Quellen auftauchen. Sie betont, dass sie keine "Weihnachtsforscherin" sei. Ziel der Ausstellung sei es, den Besuchern vor Augen zu führen, dass viele weihnachtliche Bräuche auf die protestantische Religion zurückgehen. Oder zumindest in protestantischen Familien gepflegt worden sind.

Die adventliche Stimmung beginnt schon einen Raum vor dem Weihnachtszimmer. Dort steht eine Vitrine mit dem Tagebuch von Hermann Stocker, dem Gründer des Museums. Bunte, weihnachtliche Zeichnungen des praktizierenden Protestanten an seine kleine Tochter sind darin zu erkennen, das Münchner Christkindl zum Beispiel und eine Fensterkrippe. Richtig besinnlich wird es dann im Weihnachtszimmer. Ein riesiger Adventskranz hängt von der Decke, ein Wagenrad geschmückt mit Tannenzweigen und 24 roten und weißen Kerzen. Nauderer stellt damit den Beginn des Adventskranzes und des Adventskalenders zugleich nach: Im Jahr 1839 soll ein Pastor in Hamburg in seinem Bauernhaus vernachlässigte Kinder untergebracht haben. Um ihnen die Wartezeit auf Weihnachten zu verkürzen, befestigte er ein hölzernes Wagenrad an der Decke, montierte Kerzen darauf und zündete jeden Tag eine an. Der Beginn einer langjährigen Weihnachtstradition.

Ziel der Ausstellung ist es, den Besuchern vor Augen zu führen, dass viele weihnachtliche Bräuche auf die protestantische Religion zurückgehen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine Ecke des Weihnachtszimmers widmet sich Weihnachtsliedern, wie sie wohl an Heiligabend in vielen Familien gesungen werden: "Oh du fröhliche" und "Alle Jahre wieder" zum Beispiel. "Ganz explizit evangelische Weihnachtslieder", sagt Nauderer. "Vom Himmel hoch" geht auf eine Luthermelodie zurück. Und auch "O du fröhliche" hat protestantische Hintergründe. In der Vitrine liegt die wohl kostbarste Leihgabe eines Antiquariates an die Weihnachtssammlung des Bezirksmuseums: ein altes Liederbuch von 1830, in dem "O du fröhliche" der Ehefrau von Luther gewidmet wurde. Darin hieß es sogar: "gnadenbringende Martinszeit" und in der nächsten Zeile "stehe Luther zur Seite". Das singt man zwar heute nicht mehr so, aber klar ist, dass das Lied auf protestantische Ursprünge zurückgeht. Für Nauderer zeigt das Lied das Nachleben Luthers, dass die Gedenken an ihn "weihnachtlich verpackt" wurden. Luther, der acht Kinder hatte, prägte auch das heutige Weihnachten mit der Idee, sich gegenseitig zu beschenken. Er bemühte sich, das einst rein kirchliche Fest zu einem Familienfest zu gestalten, bei dem vor allem die Kinder beschenkt werden. "Weihnachten wurde zu einem Kinderfest", sagt Nauderer.

Historische Weihnachtsgeschenke, so wie es sie auch heute noch gibt, können die Besucher in Dachau betrachten. (Foto: Niels P. Joergensen)

Ein besonderes Exemplar hängt an der Wand gegenüber: ein "Dankesbrief" eines kleinen Mädchens an seine Mutter. Der Brief ist auf das Jahr 1935 datiert, 10. Januar. Die kleine Pauline Ebner schrieb damals in schön geschwungenem Altdeutsch einen Brief an ihre Mutter und bedankte sich darin für "das erhaltene Weihnachtsgeschenk". Es sind sogar noch die Korrekturen der Lehrerin zu erkennen. "Die Verfasserin wurde danach selbst Lehrerin und lebt noch immer in Dachau", sagt Nauderer schmunzelnd.

Im Weihnachtszimmer kann man auch einiges über den Ursprung des Christbaumes lernen. "Die ersten Weihnachtsbäume standen im 19. Jahrhundert in den Wohnzimmern bürgerlicher, evangelischer Familien", erläutert die Museumsleiterin. Es handelte sich um recht kleine Bäumchen, die auf einen Tisch gestellt wurden. Manche ließen sich sogar drehen. "Erst nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Weihnachtsbäume dann in beiden Konfessionen zu finden." Sogar ein sogenanntes Gänsefederbäumchen ist im Bezirksmuseum ausgestellt. Während des Ersten Weltkrieges wurden sie mit der Post verschickt. Geschmückt wurde das Bäumchen oftmals mit kleinen Soldaten und Trompeten. Eine Weihnachtszeit, die heute schwer vorstellbar ist. Im Weihnachtszimmer sind zudem alte Adventskalender zu bewundern. Viele von ihnen stammen aus protestantischen Familien, doch Nauderer erklärt, dass die Konfession im Prinzip nicht wichtig sei. "Vieles prägt sich doppelt", sagt sie. Ihr gehe es darum, den Besuchern Denkanstöße zu geben. Sich mit traditionellen Bräuchen zu beschäftigen, die man sonst ohne zu überlegen jedes Jahr aufs Neue wiederholt.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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