Asyl-Theatergruppe:Im freien Spiel

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Wie Schauspieler Nicholas Hohmann und Theaterpädagogin Rebecca Molinari mit Flüchtlingen Perspektiven eröffnen

Von Veronika Koeniger, Dachau

Die jungen Leute beginnen zu singen. Es sind Schlaflieder aus ihrer Heimat. Und schon führen Nicholas Hohmann und Rebecca Molinari die Jugendlichen auf die Bühne: Tasnem singt und klatscht im Takt. Alaa bekommt einen Schal in den Arm, der das Baby darstellt, dem das Schlaflied vorgesungen wird, und drei weitere Buben begleiten sie auf dem Gute-Nacht-Spaziergang. Das Baby will nicht schlafen, und jedesmal, wenn die Gruppe bei der singenden Tasnem angelangt ist, schüttelt Alaa verzweifelt den Kopf. Genervt will sie das Baby Tasnem in den Arm drücken. Aber siehe da, das Baby schläft. Majid wird mit einem entrüsteten "Pssst!" weggeschickt.

Hohmann und Molinari haben eine Theatergruppe gegründet, die ähnlich wie ein Improvisationstheater funktioniert. Aus den Gesprächen entstehen Ideen, die in kleinen Szenen gespielt werden. So wie die tagtägliche Schlafgeschichte, wie sie alle Väter und Mütter auf der ganzen Welt kennen. Das besondere an der Gruppe in Dachau ist, dass sie aus jungen Flüchtlingen besteht. In Deutschland zählen Lieder wie "Schlaf, Kindchen, schlaf" oder "Der Mond ist aufgegangen" zu glücklichen Kindheitserinnerungen. Sie erinnern an Wärme, Geborgenheit und die Stimmen der Eltern. Glückliche Erinnerungen an die Kindheit haben auch Tasnem oder Alaa. Erinnerungen an Geborgenheit, Familie und Freunde. Doch danach fragt nie jemand, immer nur nach der Situation im Krieg oder der Flucht. Deswegen haben Schauspieler Nicholas Hohmann und Theaterpädagogin Rebecca Molinari die Gruppe gegründet.

Dabei spielt es keine Rolle, wie gut jemand Deutsch kann. "Wir wollen den Jugendlichen einfach eine Plattform bieten, auf der sie erzählen können, auch in ihrer eigenen Sprache", so beschreibt Hohmann das Projekt. Zu Beginn gab es großen Anklang, 60 junge Menschen kamen, aber jetzt sind es immer nur ungefähr 15. "Wir haben schon so etwas wie eine feste Stammtruppe, aber es kommen mal wieder welche dazu oder gehen wieder", Molinari. Denn die jungen Leute sind schulisch schwer beansprucht. An den Übergangsklassen in der Berufsschule lernen sie die deutsche Sprache. "Das wird schwierig mit den Proben, die Schule ist ihnen allen auch sehr wichtig", sagt Molinari. Geprobt wird einmal in der Woche, zwei Stunden lang.

Rebecca Molinari und Nicholas Hohmann sind begeistert dabei, machen den Jugendlichen vor, wie sie am besten spielen, und nehmen jeden Vorschlag an. Ganz ohne Sprachschwierigkeiten. Denn allein durch Mimik und Gestik und der langsamen Melodie des Liedes wird klar, was gerade auf der Bühne geschieht. Am Ende strahlt Nicholas Hohmann: "Das ist gekauft! Das nehmen wir mit!" Jeden Tag in den Herbstferien soll geprobt werden.

Denn Donnerstag, 10. November findet die Premiere im Jugendzentrum von Dachau-Ost statt. "Es wird kein Stück, eher eine große Werkschau", sagt Hohmann. Außerdem wird ein Film gezeigt, der die Arbeit der Theatergruppe dokumentiert. Rebecca Molinari erklärt: "Vielleicht gibt es auch etwas zu essen, mal sehen. Der Eintritt ist frei." Die Theatergruppe hofft dann auf mehr Zuspruch als für ihren Beitrag zu Interkulturellen Woche der Stadt Dachau. Zur offenen Probe war niemand erschienen.

Asyl-Theatergruppe Dachau, Premiere: Donnerstag, 10. November, 19 Uhr im Jugendzentrum Dachau-Ost. Auch Freitag, 11. November, 19 Uhr.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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