Architektouren:Die eigene Vergesslichkeit

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Warum die bayerischen Architektouren in diesem Jahr fast ohne Dachauer Beteiligung ablaufen, obwohl spannende Gebäude entstanden sind.

Von Wolfgang Eitler

Das Neuhäusler-Anwesen in Eisenhofen. Foto: Jørgensen (Foto: Jørgensen)

"Oh, das haben wir vergessen", sagt Christian Endter, Vorsitzender des Dachauer Architekturforums. "Ich werde den Termin für nächstes Jahr vormerken", sagt der Dachau Stadtbaurat Michael Simon. Und einige Architekten im Landkreis ärgern sich über sich selbst, dass sie den einen oder anderen Bau aus dem vergangenen Jahr nicht für die bayernweiten Architektouren 2013 eingereicht haben. Im Januar hätten sie dies tun müssen.

Jedes Jahr präsentiert die Bayerische Architektenkammer ein Kompendium guter Bauten aus dem privaten und öffentlichen Bereich, auch mit dem Ziel, die Furcht der Bauherren vor den Architekten zu nehmen und sie zu Außergewöhnlichem abseits der üblichen Bauträger-Ästhetik zu animieren. Jedes Jahr war der gesamte Landkreis Dachau gut vertreten, mit öffentlichen Bauten und mit privaten Häusern. Die Pressestelle der Architektenkammer bestätigt das Dachauer Versäumnis. Deshalb ist der Landkreis nur mit einem Beispiel vertreten, der Sanierung des ehemaligen Anwesens von Weihbischof Johannes Neuhäusler in Eisenhofen. Der Ort gehört zur Gemeinde Erdweg.

"Nächstes Jahr passiert mir das nicht mehr", sagt Forumsvorsitzender Christian Endter und ärgert sich über sich selbst, weil er doch den einen oder anderen, bescheiden formuliert, "passablen" Entwurf realisiert hat. Und ihm fallen Bauwerke seiner Kollegen ein, die er gut findet und wegen der Bauweise oder der Verwendung neuer technischer Materialien als "sehr innovativ" erachtet. Beispielsweise den Neubau des Dachauer Architekten Michael Zinstag in der Mittermayerstraße in Dachau. Das dunkel gehaltene Gebäude vereint für Endter modernen Dämmschutz mit einer Ästhetik, wie sie der britische Architekt Norman Foster am Neubau des Münchener Lenbachhaus vorexerziert hat. Und in einer Ausstellung im vergangenen Jahr hat das Architekturforum in der Sparkasse Dachau eine Vielzahl interessanter Häuser exemplarisch ausgebreitet, wie ein betont sachlich gehaltenes neben einem alten bäuerlichen Anwesen in Sulzemoos.

Nun könnte man es bei der Diagnose eines Versäumnisse belassen, wenn die Pressesprecherin der Bayerischen Architektenkammer, Alexandra Seemüller nicht ein zentrales Problem und gleichzeitiges Anliegen angesprochen hätte. Sie nennt es die "Angst der Bauherren vor den Architekten." Deshalb hat die Kammer parallel zu den Architektouren 2013 einen Leitfaden gegen diese Sorgen herausgebracht, der zu mehr Vertrauen animieren möchte. Bauherren suchten oft den Schutz der Bauträger und müssen erkennen, dass sie "dann nicht mehr Bauherren sind, sondern Käufer", sagt Seemüller. "Das sehen sie oft nicht." Damit berührt sie einen Brennpunkt, der in vergangenen Jahren nicht nur unter Architekten im Landkreis heftig diskutiert wurde: Die Übermacht der Bauträger, welche private Vorhaben keinen Raum mehr ließen. Ein Projekt in Dachau, das als Vorzeigemodell verschiedener Bauherren geplant war, ist daran gescheitert.

Diese Kritik unterschreibt der Dachauer Stadtbaurat Michael Simon nur teilweise. Und von einem lokalen Problem kann man seiner Meinung auf keinen Fall reden, weil in ganz Deutschland die Macht der Bauträger zunimmt. Außerdem sind die Architekten im Landkreis ziemlich gut im Geschäft, wie Forumsvorsitzender Christian Endter sagt. Die Ursache dafür sieht er in der Finanzkrise, welche Immobilien als solide und sichere Anlage erscheinen lassen. Außerdem muss die Tätigkeit eines Bauträgers nicht zwangsläufig schlechte Architektur bedeuten. Dazu sagt der Dachauer Stadtbaurat Simon: "Die Bauträger in Dachau bauen solide." Aber kein Projekt von ihnen würde er für die Architektouren vorgeschlagen. Zu anderen Bauwerken will er sich aus gutem Grund nicht äußern: Er bereitet gerade den Dachauer Fassadenpreis vor, der im Herbst vergeben wird. Diesem Ereignis will er nicht vorgreifen.

Mal schauen, ob dann das Gebäude der Architekten Christian Stadler und seiner Tochter Veronika Pöllmann in der Dachauer Burgfriedenstraße zum Zuge kommt. Die beiden haben es im Januar als einzige Dachauer Bewerbung bei der Architektenkammer vergeblich eingereicht. Christian Stadler, Vorgänger von Endter als Vorsitzender des Dachauer Architekturforums formuliert deshalb eine Grundsatzkritik an der Kammer: "Anscheinend werden moderne oder modernistische Formensprachen bevorzugt." Dabei sollte es seiner Ansicht nach darum gehen, "qualitätvolles Bauen zu honorieren". So hätte sich Christian Endter gewünscht, dass der Freistaat seine Sanierung des historischen Amtsgerichts für die Architektouren 2013 vorgeschlagen hätte. Dann wäre es wenigstens im Sektor Denkmalschutz nicht bei einem Vorzeigehaus geblieben.

Deshalb vertritt das Architekten-Ehepaar Renka und Matthias Götz ganz alleine den Landkreis Dachau. Von 210 bis 2012 haben sie das Anwesen von Weihbischof Johannes Neuhäusler in Eisenhofen (Gemeinde Erdweg) saniert. Besser gesagt: "Wir haben es entkernt und von all den Einbauten bis hin zu in Gold gefassten Türen und Fenster mit Riffelglas befreit." Die beiden sind Experten im Denkmalschutz. Matthias Götz arbeitet in einem Architekturbüro in Pfaffenhofen an der Ilm, das sich ausschließlich mit alten Gebäuden befasst. Er hat nach dem Diplom eigens noch ein Studium in Denkmalschutz und Architektur draufgesattelt. Seine Frau Renka hat sich ebenfalls darauf spezialisiert.

Mit ihrem fachlich geschulten Auge haben sie vor vier Jahren sofort erkannt, von welch besonderer Qualität das Neuhäusler-Haus ist. Quasi mit einem Röntgenblick haben sie die Grundstruktur des Hauses, den historisch komplett erhaltenen Dachstuhl (Matthias Götz: "In den sind wir heute noch verliebt") und die einmalige Situierung des Gebäudes an zwei Grundstücksgrenzen begriffen, so dass sich ein parkartiges fast 1000 Quadratmeter großes Areal anschließt. Matthias Götz: "So dürfte man heute nicht mehr bauen."

Die Hauptarbeit war also, eine Art Rohbau-Zustand herzustellen, der dem Original nahe kommt. Als dies geschafft, ging es nur noch darum, die historische Bausubstanz mit den Bedürfnissen einer Familie in der heutigen Zeit zu verbinden. Herausgekommen sind: 350 Quadratmeter reine Wohnfläche, dazu 250 Quadratmeter Nutzfläche und ein riesiger Garten. Das Anwesen war für 120 000 Euro zu haben. Der Umbau und die Sanierung kosteten 550 000 Euro, macht 670 000 Euro. Das ergibt einen Quadratmeterpreis von etwa 1180 Euro. Matthias Götz sagt zufrieden: "So billig kann nur bauen, wer ein denkmalgeschütztes Gebäude saniert." Im Landkreis liegen die Quadratmeterpreis bei gut 4000 Euro, wenn nicht 5000 Euro.

Architektouren 2013: Sanierung eines denkmalgeschützten Bauernhauses in Eisenhofen in der Gemeinde Erdweg, Geburtshaus des Weihbischofs Neuhäusler. Bauherren: Renka und Matthias Götz. Besichtigung am Samstag, 29. Juni, zehn bis 13 Uhr und Sonntag, 30. Juni, von 14 Uhr an. Bischof-Neuhäusler-Straße 50 in 85253 Eisenhofen.

© SZ vom 29.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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