Amtsgericht verhängt Haftstrafe:Sicherheitsrisiko für die Allgemeinheit

Lesezeit: 2 min

28-Jähriger schlägt am Faschingssonntag wahllos auf Passanten ein und muss jetzt eineinhalb Jahre ins Gefängnis

Von Renate Zauscher, Dachau

Welches Strafmaß ist angemessen, wenn ein junger Mann ohne jeden Anlass, aber mit erheblichem Gewaltpotenzial, auf unbeteiligte Passanten einschlägt - und dies in seinem langen Strafregister keineswegs die erste Körperverletzung ist, die er zu verantworten hat? Vor dieser Frage standen jetzt Richter Daniel Dorner, die Staatsanwältin Constanze Schneider und Rechtsanwalt Ömer Sahinci, der Pflichtverteidiger eines 28-Jährigen aus dem Landkreis, der wegen Körperverletzung in mehreren zusammenhängenden Fällen auf der Anklagebank saß. Mit angeklagt war seine 24-jährige Freundin: Sie hatte sich an den Angriffen ihres Partners auf zufällig entgegenkommende Personen beteiligt.

Abgespielt hat sich dies alles am Abend des Faschingssonntags im vergangenen Februar in Markt Indersdorf. Im Bereich der Glonnbrücke unterhalb des Marktplatzes war der Angeklagte auf dem Heimweg vom Faschingstreiben auf mehrere Personengruppen gestoßen und begann wahllos und ohne Anlass zunächst auf zwei junge Männer, gleich darauf auf weitere Personen, einzuschlagen. Die ersten der Betroffenen hatten Schreie einer Frau gehört und wollten lediglich nachschauen, ob Hilfe benötigt würde. Die anderen Passanten wollten nur einfach ungeschoren an dem brüllenden Mann vorbeikommen. Ein halbes Dutzend Zeugen wurden in der Verhandlung gehört. Sie berichteten von Faustschlägen ins Gesicht, Prellungen, blutenden Lippen und Nasen und tagelangen Schmerzen, aber auch vom aggressiven Eingreifen der beteiligten Frau. "Ich habe aus dem Nichts einen Schlag ins Gesicht bekommen", sagte einer der Zeugen, "ich war total perplex". Die Verletzten mussten teils im Krankenhaus, teils von einem Sanitäter-Team verarztet werden. Einige von ihnen stellten Strafanzeige.

"Welcher Teufel hat ihn da nur geritten?", fragte sich der Verteidiger des Angeklagten. Seine Antwort: der Alkohol. Der rechtsmedizinische Sachverständige Stefan Troschütz hatte für die Tatzeit einen Wert von rund 2,69 Promille errechnet und wollte "eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten nicht ausschließen. Alkohol hat offenbar auch bei dessen Vorstrafen eine wichtige Rolle gespielt, weshalb bei der jüngsten Verurteilung auch ein Alkoholverbot ausgesprochen worden war. Zugunsten des Angeklagten sprach, dass er mittlerweile eine feste Anstellung hat und seit seiner jüngsten Haftentlassung im Dezember 2016 außer an jenem Faschingssonntag auch keinen Alkohol mehr konsumierte. Auch seine Entschuldigung bei den Opfern wurde ihm positiv angerechnet, ebenso, dass er trotz Erinnerungslücken "mehr oder weniger geständig" sei und sich um eine Therapie bemühe, um seine Gewalt- und Alkoholprobleme in den Griff zu bekommen. Gegen ihn sprach aber das lange Strafregister: "Sie sind in erheblichem Rahmen strafrechtlich in Erscheinung getreten", sagte Richter Dorner, und die Staatsanwältin unterstrich die "hohe Rückfallgeschwindigkeit" des Mannes und seine "Unbelehrbarkeit". Zur Sprache kamen auch die Lebensumstände des Angeklagten und seiner Freundin: Der 28-Jährige war teilweise im Heim aufgewachsen, seinen Vater kennt er nicht. Ähnliches gilt für seine Freundin, die Mutter zweier Kinder ist und auch schon mehrere Vorstrafen hat.

Staatsanwältin Schneider forderte in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von insgesamt zwei Jahren, während sich Verteidiger Sahinci für eine zur Bewährung ausgesetzten Strafe von einem Jahr und zehn Monaten, alternativ für eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung von nur zehn Monaten aussprach. So glimpflich aber mochte Richter Dorner den Angeklagten nicht davonkommen lassen. Er verurteilte ihn wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren. Besondere Umstände, "die eine Bewährung begründen könnten", sehe er nicht. In seiner Urteilsbegründung verwies der Richter darauf, dass der Angeklagte das "Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit" ganz erheblich beeinträchtigt habe. Besser kam die Freundin des Mannes weg: Ihre Strafe von sechs Monaten Haft wird zur Bewährung ausgesetzt.

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: