Altomünster:Sprachlabor der Seele

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Beim zehnten Europäischen Musikworkshop in Altomünster verfeinern die Teilnehmer ihren künstlerischen Ausdruck und ihr konzertantes Spiel. Einzige Enttäuschung: Von den 42 Musikern kommt nicht mal ein Viertel aus dem Landkreis Dachau

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Der Dirigent Lorin Maazel hat einmal gesagt: "Musik ist die Sprache der menschlichen Seele". Wer aber Musik machen oder verstehen will, muss diese Sprache erst einmal lernen. Insofern war der zehnte Europäische Musikworkshop (EUMWA) in Altomünster für die 42 Teilnehmer eine Art Sprachlabor. Eines mit hohen Ansprüchen an die Teilnehmer, die renommierten Dozenten und an die Organisatoren, die frühere Kulturreferentin der Marktgemeinde, Claudia Geisweid, und den Pianisten Markus Kreul.

Tassilo Probst aus Fürstenfeldbruck, Haare streng zurückgekämmt, sein Instrument wohlverpackt unterm Arm, und mit 13 Jahren bereits Jungstudent an der Hochschule für Musik und Theater in München, erwartete von seinen Dozenten beim EUMWA eine Art Kontrastprogramm zum Übungsalltag: "Sie sollen locker drauf sein, nicht allzu streng und eine Mischung aus Autoritätsperson und Kumpel." Und waren sie das? Ja, sagt Tassilo und wird fast überschwänglich, als er erzählt, dass er neben musikalischen Finessen viel darüber gelernt habe, "wie man dasteht und sich entspannt". Auch für Elke Braun-Wanders aus Aachen ist seit vier Jahren der EUMWA ein Highlight. Sie habe erst mit 46 Jahren angefangen, Gesangsunterricht zu nehmen, sagte sie. Und heute? "Die Erfahrungen mit einem neuen Lehrer sind unbezahlbar. Und auf die vielen neuen Freundschaften, will ich nicht mehr verzichten." Der studierte Pianist Stefan Pütz aus dem belgischen Eupen äußerte sich ähnlich: "Hier ist so viel Motivation, weil die Stimmung so gut ist. Man hat viel Zeit, mit den Dozenten zu arbeiten, das alles baut richtig auf."

Es ist wohl diese Ungezwungenheit, gepaart mit hoch konzentrierter Arbeit, die die besondere Atmosphäre des EUMWA ausmacht. Und zu verblüffenden Ergebnissen führt. Der mit Spannung erwartete Improvisationsmusiker Phil Mullen zeigte beim Kammerkonzert am Dienstagabend, dass Cello, Trommel, Bassklarinette, Horn, Geigen und Sopran nach nur zwei Stunden gemeinsamen Musizierens ein bühnenreifes Gewitter zaubern können. Diese Performance wurde nur noch von Sopranistin Susanne Müller getoppt. "Geile Sängerin", entfuhr es spontan einem Zuhörer nach zwei Mendelssohn Bartholdy-Liedern ob des riesigen Stimmvolumens und der ebenso großen Empathie der Künstlerin. Susanne Müller verkörpert aufs Schönste das, was Dozent und Cellist Guido Schiefen über seine EUMWA-Erfahrungen sagte: "Es ist von Jahr zu Jahr ein Crescendo. Es macht immer wieder Freude, hierher zu kommen."

Eine Freude, die am Ostermontag von leichter Wehmut getrübt war. In der Kapelle des in Auflösung begriffenen Birgitten-Klosters waren auch mystische, mittelalterliche Gesänge zu hören. Vielleicht zum letzten Mal. "Es wäre eine Katastrophe, wenn wir das Kloster und das Gästehaus nicht mehr hätten", sagte Organisatorin Geisweid. Denn es gibt derzeit nicht genügend Gasteltern in und um Altomünster. Eine, die von Anfang an ihr Haus zur Verfügung gestellt hat, ist Walburga Breinich. Tochter Christina und Sohn Maximilian - selbst Instrumentalisten - mitgezählt, "wohnen bei mir sechs Musiker", erzählte sie. "Die üben zum Teil bis nach Mitternacht."

Bleibt noch die Frage, warum heuer nur zehn Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus dem Landkreis die Gelegenheit nutzten, ihrem Instrument oder ihrer Stimme, aber auch ihrer Persönlichkeit diese Fortbildung zugute kommen zu lassen. Eine Erklärung lieferte möglicherweise die Reaktion des Publikums beim Abend der Begegnung mit dem bekannten Violinisten Ingolf Turban am vergangenen Donnerstag. Der schwärmte geradezu von der "herrlichen Kulturlandschaft, in der es alle fünfzig Kilometer eine Musikschule gibt". Was zu einigem Gelächter führte, denn bekanntlich existiert im gesamten Landkreis Dachau nur in Karlsfeld eine kommunale Einrichtung, die intensive Musikförderung anbietet.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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