Altomünster:Der Marder und ein Sanierungsfall

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Benefizkonzert mit Markus Kreul und Maximilian Breinich

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Der Marder ist an fast allem schuld im Evangelischen Gemeindezentrum Altomünster. Das Raubtier habe sich gemütlich-genüsslich durch die Dämmung und den Dachstuhl des Gebäudes gefressen, erzählte Pfarrer Winfried Stahl am Samstagabend nach dem Benefizkonzert zugunsten des Gemeindezentrums. Die Folge: Die anstehenden Schönheitsreparaturen mutierten zum Sanierungsfall - und kosteten letztendlich 90 000 Euro, eine Summe, die nur mit Unterstützung der evangelischen Kirche sowie der Marktgemeinde und vieler Spender aus der Gemeinde aufzubringen ist.

Dass ein wohlgenährter Vertreter der Spezies Mustelidae (was Wikipedia doch so alles hergibt!) am Nachmittag auch noch rund ums idyllische Gebäude schlich und die für ihren Auftritt probenden Künstler, Pianist Markus Kreul und Klarinettist Maximilian Breinich, kurzzeitig aus dem Takt brachte, ist schon kaum mehr der Erwähnung wert. Zeigte sich doch am Abend aufs Schönste, auf welch hohem Niveau die zwei Altomünsterer spielen - und mit welcher Empathie sie sich aufeinander und auf Lesung von Pfarrer Stahl eingelassen haben.

Dieser hatte Psalmentexte über Zuversicht, Vertrauen, Klagen, Zorn, Liebe, Eros, Freundesliebe und den berühmten und beliebten ersten Korintherbrief des Apostels Paulus ("hätte aber die Liebe nicht", ausgewählt. Dass die Texte in der aktuellen sogenannten Einheitsübersetzung viel von ihrer urtümlichen Macht und der Lutherischen Sprachkraft verloren haben, zeigte sich am Samstag wieder einmal. Der evangelische Geistliche zeigte aber auch, dass es anders geht. Nämlich mit der "Volxbibel"-Übersetzung des Korintherbriefs und ihrer jung anmutende Sprache. Eine Entdeckung für alle, die den Religionsunterricht schon etwas länger hinter sich haben.

Pianist Kreul und Klarinettist Breinich hatten sich mit ihrer Musikauswahl auf die Thematik "Empfindungen und Gefühle" eingelassen. Die Fantasiestücke eins bis drei, "Sängers Trost" (op. 127,1), das bittersüße "Abendlied" - alle von Robert Schumann -, Richard Wagners "Träume" aus den Wesendonck-Liedern Olivier Messiaens "Abîme des oiseaux - Abgrund der Vögel" und Franz Liszts "Sonnetto del Petrarca" standen auf dem Programm. Breinich übernahm mit seiner Klarinette die Gesangsstimme - und ließ keinen Augenblick Sehnsucht nach Sopran, Tenor oder Bariton aufkommen. Sein Solostück aus Messiaens "Quatuor pour la fin du temps - Quartett für das Ende der Zeit" spielte Breinich mit lautmalerischer Fülle, verströmte hilflosen Zorn und todtraurige Hoffnungslosigkeit. Eine meisterhafte Leistung. Denn so muss es diese Gänsehaut-Musik wohl geklungen haben, als das Quartett 1941 in einem Görlitzer Kriegsgefangenlager, in dem Messiaens inhaftiert war, vor 400 Kriegsgefangenen erstmals aufgeführt wurde.

Ganz andere Empfindungen weckte Kreul mit seinem hingebungsvoll gespielten Solo, dem Sonetto del Petrarca aus Liszts "Années de pélerinage - Pilgerjahre. Der Pianist versetzte sein Publikum mühelos ins mittelalterliche Arquà Petrarca, diesem Dorf in den Euganäische Hügeln, dass allen Touristen zum Trotz immer noch den Geist Francesco Petrarcas atmet. Man sah förmlich den Abbé Liszt auf den Spuren des großen Humanisten und Dichters und dessen unendlicher Liebe zur schönen Laura wandeln. Was für ein schönes Bild an einem Abend der großen Gefühle in Worten und Tönen, der der Kirchengemeinde auch noch einen unverhofften Geldsegen brachte. Die Bürgerstiftung Altomünster hatte 1500 Euro für aufwendige Reparaturarbeiten gespendet, der Erlös von Konzert und CD-Verkauf ging ebenfalls an die Kirchengemeinde. Und der Marder? Ließ sich am Abend nicht blicken. Vielleicht hatte ihn die wunderbare Zugabe, Schumanns romantische "Mondnacht", in andere Gefilde gelockt.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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