Café Nymphenburg-Sekt:Die letzte Runde

"Es tut weh": Das Café Nymphenburg-Sekt am Viktualienmarkt schließt. Die Gäste feiern ebenso sentimental wie ausgelassen Abschied.

Michael Tibudd, Fotos: Catherina Hess

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Auf keinen Fall, so viel ist schnell klar, wird an diesem Abend jemand auf die Idee kommen, die Sache ein Stück tiefer zu hängen. "Es tut weh", sagt einer, "München verliert eine Institution". Ein paar Meter weiter beweint jemand das Unvermeidliche, das da kommen wird, aus ähnlichen Gründen. "Das ist ein Stück Heimat, das kaputt geht." Oder man macht es so wie der Herr am Stammtisch, mit Fremdwort: Er beklagt einen "Verlust von Urbanität für die Altstadtbewohner".Fotos: Catherina Hess Text: Michael Tibudd

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Was ist hier los? Weder kommentieren die Herrschaften einen neuen Hochhausentscheid, der den Bau eines Wolkenkratzers neben der Frauenkirche vorschreibt, noch wird der Viktualienmarkt an den Stadtrand verlagert. Mit dem berühmten Markt haben die Aussagen aber doch zu tun, mit dem Ende eines gastronomischen Betriebs darauf nämlich: Das Café Nymphenburg-Sekt im südlichen Teil des Marktes schließt in seiner bisherigen Form. Die Sektkellerei Nymphenburg will den Wirt Hanns-Werner Glöckle, der das Lokal zehn Jahre lang geführt hat, nicht länger unter ihrem Namen arbeiten lassen.

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Die Stammgäste, diesen Eindruck vermitteln sie dem Besucher jedenfalls, müssen das nun alles ausbaden. Am Samstagabend, zu einer Zeit, als am übrigen Viktualienmarkt kaum mehr ein Zeichen von Leben zu erkennen ist, bevölkern sie deswegen in Massen jenen Pavillon und den Thekenanbau rundherum, der ihnen so wichtig war in den vergangenen Jahren. Der Wirt hat zur Abschiedsparty eingeladen - und Leute wie Luise Weng sind gekommen. So sehr hat sich die 72-Jährige mit dem Lokal und seinem Personal identifiziert, dass sie regelmäßig selbst mitgearbeitet hat. "Ich hab' immer Besteck eingewickelt für die Bedienungen, dass die nicht so viel zu tun haben", sagt die Dame. Mit solchen Hilfsdiensten war sie offenbar nicht die einzige, denn auch an diesem Abschiedsabend räumen Gäste wie selbstverständlich zum Beispiel Tische ab und bringen Geschirr zurück zum Tresen.

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So macht das auch Willy Meiler, ein kräftig gebauter 62-Jähriger, der eine bunte Vielfalt von Berufsbezeichnungen nennt: "Bauunternehmer, Diskjockey, Sportler, Tänzer", sagt Meiler, der ihäufig mehrmals die Woche ins Café Nymphenburg-Sekt gekommen ist. Dem Anlass entsprechend trägt er wie manch anderer auch am linken Arm eine schwarze Binde - das Ende ihres Lieblingslokals ist für diese Leute Grund genug, einen Trauerflor überzustreifen. Dabei wird es ja auch weiterhin ein Lokal mit dem gleichen Namen am gleichen Fleck geben. Die Aussichten schrecken die bisherige Klientel aber ab. "Mit den Leuten, die da jetzt kommen sollen, wollen wir nichts zu tun haben", sagt Birgit Notfulla, die mit ihrem Partner regelmäßig aus Germering ins Café Nymphenburg gekommen ist. Dann schon lieber einen neuen Ort finden, gerne auch gemeinsam mit Charly, jenem Herrn, der "hier zum Inventar gehört" und sich zum Abschiedsabend in seine Kutschertracht geworfen hat.

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Die allgemeine Stimmungist allem Gerede von Traurigkeit und Verlust zum Trotz äußerst ausgelassen. Die vom Wirt engagierte Drei-Mann-Kapelle "Bayrisch Extrem" trägt ihren Teil dazu bei, und spätestens, als sie "Sierra Madre" anstimmt, schunkeln und singen die Leute an den Tischen kräftig mit. Jeder hält dabei irgendetwas in die Höhe, ein Feuerzeug, ein Bierglas, einen Zuckerstreuer - was halt gerade greifbar ist an diesem so ergreifenden Abend.

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Von draußen betrachtet wirkt das bunte Treiben hinter den Plastikplanen, wie es auf Unbeteiligte immer gewirkt haben muss: Kaum nachzuvollziehen, dass es auf einem ausgestorbenen Marktplatz einen Fleck so voll mit Leben geben kann. Die Chance, der Sache auf den Grund zu gehen, selbst einfach mal in die ganz spezielle Welt dieser ganz speziellen Münchner Institution einzutauchen - sie ist nun vorbei.Fotos: Catherina Hess Text: Michael Tibudd

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