Bundesgesetz:München hat Angst vor neuen Müll-Regeln

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Die Stadt München will, dass Bobbycars weiterhin im Restmüll entsorgt werden. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Bundesregierung will ein neues Wertstoffgesetz auf den Weg bringen.
  • Nach dem Gesetz wäre die Gelbe Tonne in Zukunft Pflicht. Außerdem sollen bisher nicht recycelte Plastikprodukte nicht mehr im Restmüll landen.
  • Die Münchner Abfallwirtschaft hält diese Ziele für nicht sinnvoll.

Von Dominik Hutter

Im Münchner Abfallwirtschaftsbetrieb kursiert ein Plakat: Eine rote Zahnbürste vor blauem Hintergrund ist darauf zu sehen, dazu der Spruch "Ich war eine Klobürste". Helmut Schmidt, der Zweite Werkleiter, verwendet die Persiflage der eigenen Müllauto-Werbung ("ich war ein Gameboy") gerne, um die Grenzen des Recyclings aufzuzeigen. Weil die ganze Wiederverwertung nichts bringt, wenn niemand das Nachfolgeprodukt kaufen will. Was bei einer Zahnbürste mit WC-Vergangenheit durchaus passieren kann.

Man darf Schmidt nun nicht falsch verstehen. Der Abfallexperte, der aus dem Stegreif lange Monologe über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft seiner Branche halten kann, ist keinesfalls ein Gegner der Wiederverwertung, die Münchner Recyclingquote lag 2014 bei immerhin 54,6 Prozent. Er denkt nur, dass nicht alles sinnvoll ist, was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint.

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Was bisher im Restmüll landete, soll auch recycelt werden

Die Novelle des Wertstoffgesetzes, mit dem die Bundesregierung mehr Kunststoffe recyceln will, fällt unter diese Kategorie. Künftig sollen nicht nur Fischdosen, Joghurtbecher und Aludeckel gesammelt werden, sondern auch Bobby-Cars, Quietschenten und Plastikschüsseln. Stoffgleiche Nichtverpackungen heißen diese Materialien im Fachjargon. Sie landen derzeit noch im Restmüll.

Bei der Stadt München stoßen diese Pläne auf Ablehnung. Bisher gilt die Arbeitsteilung: Die orangefarbenen Müllautos der Kommune sind für Papier, Bio- und Restmüll zuständig. Glas sowie Kunststoff- und Metallverpackungen übernimmt das Duale System, das dafür in der Stadt Sammelcontainer verteilt hat. Wenn das Duale System nun auch noch Bobby-Cars und Plastikenten einsammeln darf, fehlen diese Stoffe im Restmüll - und damit in der Müllverbrennungsanlage. Für die Stadt ist das finanziell ungünstig, die Entsorgung wird nach Volumen bezahlt.

Aber auch die Umwelt würde davon nicht profitieren, warnt Schmidt. Denn viele dieser Materialien könnten gar nicht sinnvoll recycelt werden - sei es aus technischen Gründen oder weil sie, wie die Klobürste vom Plakat, für Kunden uninteressant sind.

Einige Verpackungen sind nicht problemlos recyclebar

Dazu kommt die Schadstoffproblematik. Erbsendosen etwa sind zwar aus Leichtmetall, innen aber mit Bisphenolen beschichtet, einem fürs Erbgut schädlichen Material. Das solle eigentlich nicht im Stoffkreislauf verbleiben und sei in der Verbrennung gut aufgehoben. Wie auch andere Lebensmittelverpackungen, die wegen des Geruchs und aus hygienischen Gründen bei Entsorgern unbeliebt seien. Gerade Dosen, so Schmidt, könnten problemlos auch in den Restmüll geworfen werden. Recycelt werde dann nach der Verbrennung.

Anders als die private Konkurrenz vom Dualen System hält Münchens Zweiter Werkleiter ganz prinzipiell die Wiederverwertung von Kunststoffen für überschätzt. Tatsächlich würden nur etwa 20 Prozent dessen, was die Münchner mühsam zu den Wertstoffinseln tragen, sachgerecht recycelt. Der Rest werde energetisch verwertet, sprich: verbrannt.

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Aus Sicht der Stadt droht aber noch weiteres Ungemach, falls die Gesetzesnovelle auf Bundesebene durchkommt. "Wir haben Sorge vor der Gelben Tonne", so der Kommunalreferent und Erste Werkleiter Axel Markwardt. Berlin plane die bundesweite Einführung dieses Systems, das München nach entmutigenden Erfahrungen in den Achtzigerjahren bewusst nicht installiert habe.

Anders als bisher würden Kunststoffe, Metalle und Verbundverpackungen dann nicht mehr an den Wertstoffinseln, sondern in den Hinterhöfen und Tonnenhäuschen eingesammelt - was für die Verbraucher zwar bequem ist, für die Recyclingquote aber von Nachteil sei, warnen Markwardt und Schmidt.

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Erfahrungen aus anderen Städten zeigten, dass sich in den Gelben Tonnen (oder Säcken) rund 50 Prozent Restmüll befänden. Der lange Weg zum Wertstoffcontainer fördert also die Mülltrenn-Disziplin. Die Gelbe Tonne ist für den Verbraucher scheinbar gratis - die Entsorgungskosten werden beim Einkauf über den Grünen Punkt beglichen. Die Fehleinwürfe fehlen aber in den Restmülltonnen.

Müll könnte teurer werden

Letztlich könnten dann, da der Aufwand fürs Abholen gleich bleibt, die Abfallgebühren steigen, warnt Markwardt. Sie wurden ohnehin gerade erst angehoben, zum ersten Mal nach Jahren stetiger Absenkung. Zum Jahreswechsel wird Müll um durchschnittlich 4,2 Prozent teurer. Es gibt aber noch ein weiteres Problem: Bei der Stadt fragt man sich, wie man eine zusätzliche Tonne, die vierte, in den engen Höfen der Innenstadt überhaupt noch unterbringen will.

Das Kommunalreferat, zu dem der Abfallwirtschaftsbetrieb gehört, hat deshalb einen "Münchner Appell" initiiert, den der zuständige Kommunalausschuss des Stadtrats bereits abgesegnet hat. Der Inhalt: Die Kommunen sollen künftig für den kompletten Hausmüll zuständig sein. Nur so könne eine "ökologisch hochwertige Abfallwirtschaft planvoll gesteuert werden". Zudem müsse deutlich mehr Wert auf die Qualität der Recyclingprodukte gelegt werden, da eine Nachfrage am Markt zwingende Voraussetzung für eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft sei.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), in dem München Mitglied ist, hält das Duale System für gescheitert. Laut einem vom VKU in Auftrag gegebenen Gutachten trennen die Bürger inzwischen weniger als noch vor zwei Jahren, die Recyclingbilanz sei bescheiden. Der Wettbewerb unter den privaten Entsorgen sei ruinös, das System nicht auf eine Verbesserung der Recyclingquote ausgerichtet. Der Gutachter spricht sogar von "Marktversagen". Werkleiter Schmidt analysiert: Gewinner in diesem System ist immer der, der am besten tricksen kann.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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