Boazn-Geschichten:Milch aus der Kneipe

(Foto: N/A)

Joachim ist ein Engel: Bei ihm kriegt man alles, was man vergessen hat

Kolumne von Stefanie Witterauf

Zum Glück gibt es Joachim. Joachim betreibt im Norden von München unweit meiner Bleibe eine Boazn. Geht mir die Milch aus, dann besuche ich Joachim. Das passiert mir so oft, dass mich Joachims Stammkunden mittlerweile beim Namen kennen. Seine Boazn ist mein 24-Stunden-Kiosk. Eine Handvoll Salzstangen gibt's gratis.

Mein Milchvorrat ist immer dann aufgebraucht, wenn alle fünf Supermärkte um meine Wohnung herum geschlossen sind. Aber schwarzer Kaffee schmeckt mir nicht. Mit meiner leeren Tasse klingelte ich einmal bei den Nachbarn. Im Schlafanzug. Leider hatte ich keinen Erfolg. So bin ich bei Joachim gelandet. Joachim hat alles, was man braucht: Klopapier, Obst, Zigaretten, Chips, Spezi, Eis, Eier und die Zeitung von gestern. Bevor mir ständig die Milch ausging, kannte ich Joachims Boazn noch nicht. Seitdem sie mein persönlicher Kiosk ist, bin ich dort mindestens zweimal die Woche. Auch wenn ich noch zwei Liter Milch im Kühlschrank habe. "Dumm deaf ma scho sei, bloß z'häifa muass ma se wissn", sagt Joachim, wenn ich wieder im Schlafanzug mit meiner Tasse vor ihm stehe. Vor ein paar Wochen haben wir im Hof gegrillt. Wir hatten alles eingekauft, aber dann habe ich gemerkt, dass etwas Entscheidendes fehlt: Ketchup. Und wieder hat Joachim mich gerettet. Er hat mir Ketchup gegeben, Mayo und Senf gab's oben drauf.

Gerade stehen Joachim und ich in Verhandlungen: Ich versuche ihn zu überzeugen, sein Sortiment zu erweitern. Laktose-freie Milch gibt es bei ihm nicht. Noch nicht.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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