Bildung:Zu wenig Bewerber, viel zu wenig Lehrer

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Die Stadt ist stolz auf ihre Berufsschulen. Doch sie sucht händeringend Pädagogen - und die Firmen Lehrlinge

Von Inga Rahmsdorf

Im städtischen Kerschensteiner-Schulzentrum werden Meister für Orthopädietechnik ausgebildet. (Foto: Robert Haas)

Sogar mit dem Alpenvorland, den täglich 5,2 Sonnenstunden im Durchschnitt und dem Radlnetz wirbt die Stadt München, um neue Mitarbeiter zu finden. Das Bildungsreferat (RBS) sucht händeringend nach Berufsschullehrern. Und um die Vorzüge ihrer Arbeit stärker ins Bewusstsein zu rücken, hat die Stadt Postkarten gedruckt mit dem Titel "Der schönste Beruf in der schönsten Stadt", auf denen sie auch darauf hinweist, dass Berufsschullehrer genauso viel verdienen wie Gymnasiallehrer. In den kommenden Jahren erwartet die Stadt einen dramatisch steigenden Bedarf, denn 46 Prozent der derzeit fast 2500 Lehrern an städtischen Berufsschulen sind älter als 50 Jahre. Personal zu finden, sei die größte Herausforderung im Bereich der beruflichen Bildung, sagt Stadtschulrätin Beatrix Zurek. Am Dienstag stellte sie gemeinsam mit Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) und Eva Schießl, der Vize-Leiterin für berufliche Schulen im RBS, den aktuellen Bericht für berufliche Bildung 2017 vor.

Dabei werteten sie die Ergebnisse insgesamt als Erfolg: Die Zahl der Auszubildenden steigt, 60 800 Schüler besuchen derzeit berufliche Schulen in München. In den Eingangsklassen 2017/2018 waren es mit 15 000 neuen Schülern 500 mehr als im Jahr zuvor. Auch die Zahl der Lehrstellen nimmt zu. Und in keiner anderen deutschen Großstadt ist das Verhältnis von Ausbildungsplätzen auf Bewerber so hoch: In München kommen auf 100 Bewerber 103 Stellen, in Berlin sind es 93 Stellen auf 100 Bewerber. "Trotzdem haben wir auch Schüler, die unversorgt bleiben", sagt Strobl. Die Stadt biete zahlreiche Programme an, um auch diese jungen Menschen auszubilden. Insgesamt sei das berufliche Bildungswesen ein Schlüsselfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg Münchens.

Doch die Erfolgsmeldungen bergen auch Herausforderungen. Das sind nicht nur die fehlenden Berufsschullehrer, sondern auch die vielen Unternehmen, die verzweifelt Lehrlinge suchen. Dabei variiert die Nachfrage je nach Beruf stark. So sind Kaufmann und Kauffrau im Einzelhandel besonders beliebt, bei Männern zudem der Fachinformatiker und bei Frauen die medizinische Fachangestellte. Betriebe, die Schornsteinfeger, Bäcker oder Brauer ausbilden wollen, haben es dagegen sehr viel schwerer, junge Menschen zu finden. Und für Schuhmacher, Bestattungsfachkraft oder Tierwirt fand sich überhaupt kein Lehrling in München. Die Stadt versucht, mehr junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern. Dabei setze sie auch auf Studienabbrecher, Menschen mit Behinderungen und Neuzugewanderte, sagt Strobl. Zudem sei es wichtig, mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern und junge Flüchtlinge zu integrieren. "Wer seine Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, verfügt über beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt", so Strobl.

Dabei sei die Zuwanderung eine große Chance. "Ich könnte kein städtisches Altenheim mehr betreiben ohne Münchner mit Migrationshintergrund oder anderer Staatsangehörigkeit", sagte Zurek. Von den 194 Lehrlingen, die eine dreijährige Ausbildung in den Pflegeheimen des Münchenstifts absolvieren, haben 160 eine ausländische Staatsangehörigkeit. Unter den 21 Schülern, die den einjährigen Ausbildungslehrgang belegen, ist kein deutscher Staatsbürger. Die Integration geflüchteter Jugendlicher in die berufliche Bildung sei allerdings aufwendig und langwierig.

© SZ vom 31.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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