Bildung:Liken, teilen, folgen

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Ein Plädoyer gegen die Panik: SZ-Redakteur Dirk von Gehlen sieht in der Digitalisierung eine große Chance. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Beim Münchner Lehrermedientag informieren sich 200 Pädagogen über soziale Netzwerke, echte und gefälschte Nachrichten und die Frage, wie sie ihre Schüler am besten auf den verantwortungsvollen Umgang mit alldem vorbereiten

Von Anna Günther

Der bewusst gesetzte Schock ist ein Mittel, Menschen zum aktiven Handeln zu bringen. Dass die Digitalisierung die größte Herausforderung der kommenden Jahre darstellt, ist zwar schon in den bayerischen Schulen angekommen, aber wie sie damit umgehen sollen, lässt viele Lehrer noch ratlos zurück. Um zu informieren und Tipps zu geben, veranstalteten 16 bayerische Tageszeitungen am Mittwoch in mehreren Städten einen Lehrermedientag mit Vorträgen und Workshops, an denen insgesamt etwa 1500 Lehrer teilnahmen. In München begann der von Süddeutscher Zeitung, Münchner Merkur, tz und Abendzeitung gestaltete Tag mit dem "Shock and Awe"-Prinzip - auch wenn die 200 Lehrer, die ins Fürstenrieder Gymnasium gekommen waren, wohl kaum noch wachgerüttelt werden müssen.

Zwar fallen überall im Zusammenhang mit Digitalisierung auch Revolution, Umbruch und nie dagewesen, wirklich konkreter wird es aber selten. Dagegen erinnerten die Szenarien des Journalisten und Bloggers Richard Gutjahr an Dystopien wie Aldous Huxleys "Brave New World": Grenzen zwischen Mensch und Maschinen, analoger und digitaler Welt werden verschwimmen und alle über Ohrstöpsel, Brillen oder intelligente Sprechsysteme in ihren Wohnungen permanent mit Computern vernetzt sein. Wissen, Daten und Nachrichten dürften keine Grenzen mehr kennen, einzig die menschliche Aufmerksamkeit bleibt eine beschränkte Ressource, um die Gutjahr einen Kampf losbrechen sieht.

Soziale Medien veränderten das Kommunikationsverhalten und damit das Leben der Menschen dramatisch, denn heute lenkten nicht mehr die Massenmedien alleine die Wirkung einer Nachricht. Jeder Nutzer beeinflusst durch teilen oder liken, welche Neuigkeiten seine Freunde und Follower konsumieren. "Um einen Sturm auszulösen, reicht ein Tweet", sagte Gutjahr. Umso wichtiger sei, dass Kinder die Mechanismen der digitalen Welt verstünden, aber empathisch damit und mit möglichen Folgen für ihre Mitmenschen umgingen. Denn die neue Massenkommunikation sei nicht kontrollierbar.

Wie das passiert, erlebten viele Münchner, als Falschinformationen in den sozialen Netzwerken während des Amoklaufs am OEZ die Stadt in Panik versetzten. Wie Medien, Polizei und auch die Nutzer sich richtig verhalten, mussten alle erst anhand dieser Situation lernen, sagte SZ-Redakteur Dirk von Gehlen. Er sieht in der Digitalisierung eher eine große Chance und den Reiz, diese mitgestalten zu können. Von Panik-Szenarien und dem Mantra der guten, einfacheren alten Zeit hält er nichts. "Wir müssen den Moment der Ratlosigkeit akzeptieren und dann gemeinsam lernen - auch wenn das Lehrern wie Journalisten schwer fällt", sagte von Gehlen.

Normalerweise pflegen Zeitungshäuser ihre Konkurrenz, aber bei der Definition der Medienkompetenz waren sich alle Journalisten mehr oder weniger einig: Schüler müssten - genauso wie Eltern, Großeltern und Lehrer - lernen, Nachrichten, Tweets, Fake News kritisch zu hinterfragen und deren Quellen richtig einzuordnen. Damit sie das können, müssen sie Technik und Möglichkeiten der digitalen Welt verstehen. Lernen können Mädchen und Buben das besonders von ihren Lehrern. Nur gehören diese einer anderen Generation an, die sich meist weniger in den sozialen Medien auskennt als die Schüler. Umso wichtiger sei es, offen zu sein und sich auf Snapchat, Twitter und Instagram einzulassen - und die Erkenntnisse des Lehrermedientags mit in die eigene Schule zu nehmen.

Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich nennt den Umgang mit der Digitalisierung auch die "vierte Kulturtechnik", die neben den drei etablierten Lesen, Schreiben und Rechnen vermittelt werden muss. Die Staatsregierung investiert in den nächsten Jahren drei Milliarden Euro in den Breitbandausbau und die digitale Bildung, verspricht Fortbildungen, lässt Lehrpläne überarbeiten und die Schulen Medienkonzepte erstellen. Aber am Ende liegt es an jedem einzelnen Lehrer, seine Schüler fit zu machen für die digitale Welt.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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