Beckstein trotzt der Häme:"Lieber drei Maß Milch"

Lesezeit: 2 min

Wiesn-Neuling Günther Beckstein bewahrt trotz aller Spötter Haltung - und trinkt demonstrativ Mineralwasser.

Andreas Oestemer hat eine Theorie, die erklärt, wie es sein kann, dass ein bayerischer Ministerpräsident vor einem mit Landwirten prall gefüllten Zelt spricht und der Geräuschpegel so laut ist, dass man ihn kaum versteht. "Zu spät ist der drangekommen", grollt Oestemer, seines Zeichens Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes. Als Günther Beckstein bei der Eröffnung des Zentralen Landwirtschaftsfestes an der Reihe ist, sind die Gäste schon recht angeregt, was Oestemer so begründet: "Die hatten alle schon ihre zweite Maß auf dem Tisch."

Bier nur zum Anstoßen: Günther Beckstein bewahrte beim Wiesn-Beginn Haltung. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Da ist sie wieder, die vermaledeite zweite Maß, die den Ministerpräsidenten den ganzen Tag über verfolgt, mindestens so bedrohlich wie über ihm die Peitschen der Goaßlschnalzer, die über den Köpfen der Politprominenz krachen. Günther Beckstein hat von der CSU Bundesverbraucherminister Horst Seehofer, Bayerns Landwirtschaftsminister Josef Miller und Umweltminister Otmar Bernhard am Tisch - und demonstrativ eine Halbliterflasche Siegsdorfer Petrusquelle vor sich stehen.

Sogar die Maß, die Regierungspräsident Christoph Hillenbrand ihm reichen will, lehnt er ab und muss sich trotzdem vom Gstanzlsänger Josef "Bäff" Piendl spöttischen Rat anhören: "Sagen S' des nächste Mal einfach, dass alle Autofahrer drei Maß Milch trinken sollen. Dann ist das eine gute Werbung für die Bauern."

Die nächste Maß Bier, die Beckstein vorgesetzt bekommt, kann er indes nicht ablehnen - Oberbürgermeister Christian Ude reicht ihm traditionsgemäß das erste, von ihm eigenhändig gezapfte Bier im Schottenhamelzelt. Doch wie der Ministerpräsident überhaupt in die Anzapfbox geraten ist, ist selbst aus der Nähe kaum nachzuvollziehen.

Er steht einfach plötzlich da, begleitet von seiner Frau Marga, die, wie angekündigt, kein Dirndl trägt, sondern eine pastellfarbene Trachtenjacke und einen dunklen Rock. Kein bayerischer Defiliermarsch hat von der Ankunft des bayerischen Regentenpaars Zeugnis gegeben - der Marsch wird erst gespielt, als das Ritual des Anzapfens, das jedes Jahr aufs Neue den Beginn des Oktoberfests verkündet, längst vollzogen ist.

Beckstein selber ist sein so wenig pompöser, doch erster Wiesn-Einzug in derart höchst offizieller Position vorgekommen "wie Weihnachten kurz vor der Bescherung", so wird er später erzählen. "Etwa 100 Mal", schätzt er, war schon auf der Wiesn, doch "wie der Beifall hier einem entgegenbrandet", das habe ihn schon berührt.

Seine erste Maß, an der er immer wieder nippt, würdigt der Ministerpräsident als besonders köstlich: "Sie schmeckt viel besser als die zehnte oder die hundertste." Ude indes kann sich Spott nicht verkneifen: "Wir in Oberbayern trinken gern ein Bier, dann noch ein Bier und dann vielleicht noch ein Bier - und lassen das Auto stehen." Beckstein kontert mit der Feststellung, dass in seiner Maß ohnehin viel zu wenig Bier gewesen sei: "Anständig eingeschenkt war's nicht."

© SZ vom 22.09.2008/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Impressionen von der Wiesn
:Endlich wieder Wiesn!

Die erste Maß, die hübschesten Dirndl, die vollsten Zelte: Hier sind die ersten Impressionen vom Oktoberfest.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: