Es dämmert, als die ersten Sandalen über den Gehsteig schlappen. Mit der aufgehenden Sonne zieht es immer mehr Menschen raus auf die Senefelderstraße. Hier reiht sich ein Hostel an das nächste. In Shorts, mit Stoffrucksäcken und müden Augen laufen die Touristen Slalom um Bierflaschen und Zigarettenschachteln, die Überbleibsel der Nacht.
München - bekannt für das Oktoberfest - und irgendwas mit Hitler
Drinnen baumeln Dewis Beine vom Stockbett. Handtuch um die Haare, Kaugummi im Mund. Die 20-Jährige wühlt in ihrer Reisetasche. Pullover und Fleece-Jacken fliegen auf die Matratze. In Malaysia, ihrer Heimat, hieß es, Deutschland sei kalt und windig. Graue Wolken, viel Regen. Jetzt brennt die Sonne ins Hostel-Zimmer. "Und Klimaanlage gibt es auch keine", sagt Dewi trotzig. Es ist der zweite Tag ihrer Europa-Tour, gestern Nacht erst ist sie hier gelandet. Von München erwartet sie wenig: "Das Oktoberfest ist doch hier. Und irgendwas war mit Hitler, oder?", sagt Dewi und blickt fragend zu Melissa und Toby, einem Paar aus Michigan, mit denen sie ihr Zimmer teilt. "Ich mochte die Aliens Arena", sprudelt es aus Melissa heraus. "Und Dakau. Dakau war so faszinierend." Die 26-Jährige Studentin dreht ihre blonden Locken am Hinterkopf zu einem Knoten.
Die Allianz-Arena und Dachau seien ein Muss, sagt auch ein Kanadier, der draußen an der Hausmauer lehnt und raucht. Zusammen mit dem Marienplatz, der Residenz, dem Hofbräuhaus und dem Englischen Garten sind sie die beliebtesten Plätze bei jungen Touristen. "Rom hat gutes Essen, Paris Mode. Und München", sagt er, "hat Kultur".
München als Zwischenstopp auf Backpacking-Reise
Dewi schnürt ihre bunten Turnschuhe, sie will keine Zeit verlieren. Ihr bleibt nur ein Tag, denn München ist nur ein Zwischenstopp. Am nächsten Morgen fährt der Zug nach Rom. "Es ist ein guter Ausgangspunkt, um in die Berge zu fahren, oder in den Süden", sagt Toby. Er und Melissa trampen am nächsten Tag weiter nach Salzburg.
Im Schatten des Rathauses kramt Toby seinen Selfie-Stick aus dem Rucksack. Wie ein Diskuswerfer dreht er sich im Kreis. Panoramabild. Melissas Augen wandern von Blumenkasten zu Blumenkasten. "Wundervoll", flüstert sie. Zwei Tage zuvor standen die beiden noch unter dem Brandenburger Tor und tanzten durch Berliner Clubs. "Berlin ist alternativ und spannend", sagt Melissa. "Aber München ist einfach hübsch. So sauber und aufgeräumt." Hier könne man sich von den langen Partynächten erholen, fügt Toby hinzu.
Die Backpacker wollen das klischeemäßige München erleben
"Ein fluffy donut", schreit Dewi in gebrochenem Englisch, mit einer Papiertüte läuft sie auf das Pärchen zu. Sie grinst breit, bevor sie in den Krapfen beißt. Wer's mag, sagt Melissa und verdreht die Augen. Ihr sei das Essen hier zu fettig, zu schwer. "Da hilft nur Bier", sagt sie und zwinkert. Die drei ziehen weiter zum Viktualienmarkt und zur Residenz. Knipsen Fotos und lachen über ruppige deutsche Kassierer. Am Abend sitzen sie zwischen Bierkrügen und Kastanienbäumen. Der Biergarten des Park-Cafés ist voll. Dreimal Wurst mit Kraut - das Lieblingsgericht der Bayern, so stand es im Reiseführer. Und noch drei Bier, ordert Melissa. "Die Biergärten sind das Beste an München", sagt Toby. "Hier kann man trinken, Spaß haben und entspannen. Man muss nicht ständig etwas bestellen, wie in einem Restaurant." So etwas gebe es in Paris oder Kopenhagen nicht, sagt er und leert sein Glas. Es ist das München Klischee aus dem Bilderbuch, aber sie kommen hierher, weil sie genau das erleben wollen.
Die Laternen flackern noch kurz auf, bevor sie schwarz bleiben. Die drei Reisenden schwanken zurück in Richtung Senefelderstraße, zurück in ihr Hostel. Dewi erzählt zwei Jungs mit Tanktops und tätowierten Oberarmen von den fluffy donuts. "Und die Blumenkästen", ruft Melissa dazwischen. Dann gehen sie nach oben, fallen in ihre Betten. Morgen geht die Reise weiter.
