Ausbildungsplätze:"Sehr große Offenheit"

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Christoph Karmann wirbt junge Flüchtlinge an, um sie für das Handwerk zu begeistern. Er ist einer von zwei Akquisiteuren bei der Handwerkskammer. (Foto: privat)

Christoph Karmann führt junge Asylbewerber und Handwerksbetriebe zusammen

Interview von Inga Rahmsdorf, München

Christoph Karmann und sein Kollege Serkan Engin arbeiten bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern als Ausbildungsvermittler für Flüchtlinge und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Die Akquisiteure sollen junge Menschen und Handwerksbetriebe zusammenzubringen.

SZ: Viele Handwerksbetriebe suchen händeringend Auszubildende. Können Flüchtlinge diese Lücke schließen?

Christoph Karmann: Mit Sicherheit nicht alleine, aber sie können ein wichtiger Faktor sein. Für uns sind grundsätzlich alle Menschen wichtig, die einen Ausbildungsplatz suchen. Daher versuchen wir natürlich auch bei jungen Flüchtlingen, deren Vorstellungen und Wünsche mit den angebotenen Ausbildungsplätzen zusammenzubringen. Exakte Aussagen über die Vorbildung der Flüchtlinge zu treffen ist schwierig, da es sich um eine sehr heterogene Gruppe handelt. Generell haben wir bei der Vermittlung in Handwerksbetriebe bislang ganz gute Erfahrungen gemacht.

Warum braucht es Akquisiteure speziell für Flüchtlinge, was sind die besonderen Herausforderungen?

Zunächst geht es darum, überhaupt erst einmal das duale System in Deutschland zu erklären, das in dieser Form ja einzigartig ist. Dafür arbeiten wir auch eng mit den Schulen zusammen und mit Multiplikatoren wie Lehrern und Betreuern. Die Jugendlichen müssen wissen, was die Betriebe von ihren Bewerbern erwarten, etwa hinsichtlich sozialer Kompetenzen. Wenn wir das nicht vorher erklären, dann brauchen wir erst gar nicht auf irgendwelche Berufe einzugehen. Auch müssen wir klar herausstellen, dass die qualifizierte Berufsausbildung hier drei- bis dreieinhalb Jahre dauert, und dass auch theoretische Kenntnisse eine entscheidende Rolle spielen.

Spielt es eine Rolle, dass viele Berufe in anderen Ländern einen anderen Stellenwert haben?

Ja, natürlich. Die fünf Top-Berufe überschneiden sich bei deutschen und ausländischen Jugendlichen oft. Insgesamt gibt es aber mehr als 130 Berufe im Handwerk, in denen man eine Ausbildung machen kann. Wenn zum Beispiel für den einen Beruf die erforderlichen Schulnoten nicht ausreichen, dann überlegen wir, welche anderen Berufe infrage kommen. Es ist wichtig, hier Alternativen aufzuzeigen. Wir veranschaulichen das auf Ausbildungsmessen, mit Bild- und Videomaterial. Der Metzger zum Beispiel ist hier ein angesehener Beruf, bei dem man mit dem Meistertitel sogar Lebensmitteltechnologie studieren kann.

Wie reagieren die Handwerksbetriebe auf die Möglichkeit, Flüchtlinge einzustellen?

Wir erleben eine sehr große Offenheit von Seiten der Arbeitgeber. Innerhalb nur weniger Wochen haben wir sechs Messen veranstaltet, "Meet Your Job", bei denen wir Betriebe und Flüchtlinge sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund zusammengebracht haben. Das war ein sehr deutliches Zeichen der Ausbildungsbetriebe.

Wie geht es dann weiter für den Flüchtling bis zum Ausbildungsplatz?

Der Einstieg funktioniert in fast allen Fällen über ein Praktikum. Es ist der einfachste Weg, sich kennen zu lernen und zu sehen, wie der Beruf ausschaut.

Stoßen Sie auch auf Bedenken von Seiten der Arbeitgeber?

Viele Betriebe waren anfangs unsicher, weil es eine Vielzahl von Fragen zu klären gibt, bevor man einen Flüchtling einstellt. Sie wussten nicht, wie die rechtlichen Bedingungen sind und welche Unterstützungen sie nutzen können. Wir versuchen, diese Infodefizite auszugleichen und Ansprechpartner bei Fragen zu sein. Zusätzlich gibt es einen Kollegen, der die Flüchtlinge und die Betriebe auch während der Ausbildung weiter betreut.

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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