Bürokratie in Kitas:18 000 Stunden für die Verwaltung

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In den Kitas nimmt die Bürokratie viel Zeit in Anspruch - und das geht zu Lasten der Betreuung. (Foto: dpa)
  • Kitas und Kindergärten müssen immense Bürokratiepflichten erfüllen, um Fördergelder zu erhalten.
  • Im Kindergartenjahr 2012/13 haben bayernweit 8787 Einrichtungen insgesamt 26 079 Anträge gestellt, für deren Bearbeitung das Personal 17 292 Stunden gebraucht hat.
  • Zwar gibt es Gespräche zwischen den Akteuren, doch aktuell ist keine Kompromisslösung zwischen den Trägerverbänden der Tagesstätten und den kommunalen Spitzenverbänden erkennbar.

Von Melanie Staudinger, München

Für viele Eltern liegt der Kindergarten Turbienchen nahezu ideal, nämlich genau am Haupteingang des Triebwerksherstellers MTU. So lassen sich die Kinder vor der Arbeit einfach bringen und danach schnell wieder abholen. Wie in einer Betriebs-Kita üblich, kommen die Mädchen und Buben aus verschiedenen Gemeinden. Ganz normal also. Ihre unterschiedlichen Wohnorte führen in der Praxis aber zu immensen Bürokratiepflichten, die Bayerns oberste Rechnungsprüfer in ihrem aktuellen Bericht moniert haben. Wenn die Einrichtung Fördergeld für die Kinder beantragt - worauf sie angewiesen ist -, muss sie das bei der Gemeinde machen, in der die betroffene Familie lebt. Dabei gehe viel Zeit verloren, die besser in die Betreuung und pädagogische Arbeit investiert werden könnte, kritisiert der Bayerische Oberste Rechnungshof (OHR).

Für Turbienchen mit Sitz in München haben die Prüfer das Verfahren einmal transparent dargestellt: Die bis zu 32 Mädchen und Buben wohnen in München sowie in elf anderen Kommunen, in Oberschleißheim, Karlsfeld, Altomünster, Tandern, Röhrmoos, Bergkirchen, Dachau, Gröbenzell, Olching, Poing oder Amberg (Unterallgäu). Die Eltern, die die Eltern-Kind-Initiative betreiben, müssen also bei zwölf Gemeinden eine Förderung beantragen und erhalten dafür zwölf Bescheide. Danach überweisen die zwölf Kommunen jeweils vier Abschlagszahlungen, sodass die Kita insgesamt 48 Beträge überwiesen bekommt. Zusätzlich muss sie jeder Gemeinde eine Endabrechnung schicken.

Ein Antrag statt Dutzende Formulare

Doch damit nicht genug: Die Gemeinden wiederum müssen das Geld nicht vollständig aus ihrer eigenen Kasse bezahlen, sondern erhalten einen Anteil vom Freistaat - mehr als eine Milliarde Euro steht in Bayern zur Verfügung. Die Förderung beantragen sie bei der für sie zuständigen staatlichen Bewilligungsstelle - im Fall von Turbienchen und den beteiligten Kommunen sind das die Regierung von Oberbayern sowie die Landratsämter in Dachau, München, Fürstenfeldbruck, Ebersberg und Unterallgäu. Auch die Gemeinden bekommen dann vier Abschlagszahlungen und senden eine Endabrechnung.

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Statt der MTU-Betriebs-Kita hätten die Rechnungsprüfer jede andere Einrichtung als Beispiel nehmen können, die Gastkinder aus anderen Kommunen aufgenommen hat. Im Kindergartenjahr 2012/13, so hat der ORH berechnet, haben bayernweit 8787 Einrichtungen insgesamt 26 079 Anträge gestellt. Mindestens eine Stunde sei zur Bearbeitung eines jeden Falles nötig. Damit ergibt sich ein Aufwand von 17 292 Stunden - Zeit, die oftmals das pädagogische Personal mit Verwaltung verbringt und in der es sich nicht um die Kinder kümmern kann. Für den OHR ist klar: Das Verfahren muss vereinfacht werden. Ginge es nach den Rechnungsprüfern, sollten die Gemeinden, in denen sich die Kindertagesstätte befindet, auch für die Förderanträge zuständig sein. So müsste die Kita nur ein Formular ausfüllen.

Kein Kompromiss in Sicht

Diese Forderung unterstützt der Kleinkindertagesstättenverein (KKT), der mehr als 400 Elterninitiativen in München berät. "Unsere Einrichtungen leiden unter einem enormen Verwaltungsaufwand", sagt Claudia Thiele, im KKT verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Verein habe das Problem schon mehrfach im zuständigen Sozialministerium angesprochen - jedoch ohne Erfolg. "Die Kommunen stellen sich quer", sagt Thiele.

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Tatsächlich räumt ein Sprecher der Behörde auf Nachfrage ein, dass zwar Gespräche geführt würden, derzeit aber keine Kompromisslösung zwischen den Trägerverbänden der Tagesstätten und den kommunalen Spitzenverbänden erkennbar sei. Schuld an der Misere ist das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG), das seit 1. August 2005 gilt und das den Trägern eigentlich den Rechtsanspruch auf eine kindbezogene Förderung brachte. Nur schreibt das Gesetz auch vor, dass dieser Anspruch bei der Kommune eingereicht werden muss, in der das Kind lebt. Soll nun also, wie der ORH und Betroffene verlangen, die Gemeinde alle Anträge bearbeiten, in der sich die Kita befindet, müsste das BayKiBiG geändert werden. Dabei müssten "vielfältige und unterschiedliche, teilweise gegensätzliche Interessen in Einklang gebracht werden", erklärt der Sprecher des Sozialministeriums. Vor 2016 sei mit einer Einigung nicht zu rechnen.

© SZ vom 25.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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