Andreas Gabalier in München:Sugar Daddy in der Stranddisco

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Elvis-Tolle, Koteletten in Schwarz-Rot-Gold und Texte, bei denen sich die Zehennägel aufbiegen: Andreas Gabalier gibt bei seinem Konzert auf dem Münchner Königsplatz die Rampensau. Nicht nur sein Publikum ist überwältigt, er selbst ist es auch - die Maskerade funktioniert ja wirklich!

Von Franz Kotteder, München

Andreas Gabalier ist eine unglaubliche Rampensau. Und ein gnadenloser Ranschmeißer. Zu Beginn seines Konzerts auf dem Königsplatz kommt er ganz allein mit dem Akkordeon auf die Bühne. Zur stilisierten Elvis-Tolle, seiner Standardfrisur, hat er sich diesmal Koteletten in Schwarz-Rot-Gold aufgemalt: Es ist der Tag vor dem WM-Finale.

Ob das auch ankommt? Zur Sicherheit legt Gabalier dann mit seiner Band gleich noch mal ein Haindling-Cover nach: "Bayern, des samma mia!" Logisch, da tobt der ganze ausverkaufte Platz. Zwischen 22 000 und 25 000 - die Schätzungen gehen da auseinander - sind gekommen, um ihr Idol zu feiern, viele davon in Dirndl und Lederhosen, die man ja sonst nur zur Wiesn tragen kann.

Andreas Gabalier, der selbsternannte "Volks-Rock 'n' Roller", gibt hier das größte Konzert seiner aktuellen Tournee, wie er später verkünden wird. Nicht nur sein Publikum ist überwältigt, er selbst ist es auch.

Gabalier gibt den Holzhackerbuam aus der Steiermark

Sein Lachen auf der Bühne erinnert bisweilen an das Staunen eines großen Kindes darüber, dass die ganze Maskerade wirklich funktioniert und er für die da unten tatsächlich ein Rockstar ist. Denn eigentlich ist das, was er macht, ja so durchsichtig wie die Absichten eines 55-jährigen Sugar Daddys in einer Stranddisco auf Ibiza. Gabalier kombiniert volkstümliche Schlagermusik mit Mainstream-Rock und gibt dazu den lustigen Holzhackerbuam aus der Steiermark. Sein Mikroständer ist eine Astgabel, an der rotweiß-karierte Schneuztüchl und ein Gamskrickerl prangen.

Dazu gibt es Texte, bei denen sich eigentlich die Zehennägel aufbiegen, wie man auch in der Steiermark sagt, wenn etwas besonders peinlich ist. Das ist alles arg dick aufgetragen, so, als wären die Lieder von der Marktforschung nach todsicheren Erfolgskriterien komponiert und betextet worden. Zwischendrin muss man sich die Augen reiben: Man fühlt sich an den Schmäh und die lustvollen Parodien der früheren Ersten Allgemeinen Verunsicherung und an den Freddie-Mercury-Imitator Austrofred erinnert.

Oder was soll man halten von einem Lied, das "Sweet Little Rehlein" heißt? Das Dumme ist nur: Andreas Gabalier macht keine Parodie. Er nimmt alles locker, aber er meint es ernst.

"Jo, jo, des Steiraland, des is mei Heimatland"

Es funktioniert prächtig. Die Band ist mehr als respektabel, und Gabalier füllt mit seiner Rock-Stimme und seiner Präsenz die Bühne sowieso fast allein aus. Zutiefst ergreifend die Ballade "Amoi seg' ma uns wieder", die er seinem Vater und seiner kleinen Schwester gewidmet hat - beide haben sich umgebracht. Allein die Tatsache dieser Tragödie kann einem als Zuhörer den Atem rauben. Das Publikum hält sich dann auch an die Bitte Gabaliers, nach dem Lied nicht zu klatschen.

Sonst aber wird gejubelt, was das Zeug hält, jede Zeile wird textsicher mitgesungen, man kehrt die Aussage von Gabaliers Hit "I sing a Liad für di" einfach um und singt mit ihm mit, minutenlang - selbst so einen sinnfreien Schmarrn wie: "Jo, jo, des Steiraland, des is mei Heimatland, und drum trag i a mit so vü Stolz mei Steiragwand." Man muss es deutlich sagen: Das Weltbild der Bühnenfigur Andreas Gabalier ist mehr als schlicht, es geht um "Hoamat", Gaudi, Bier und Wein, kernige Buam und Maderl in feschen Dianderl, "auch wenn man das in dieser genderverseuchten Zeit nicht mehr sagen darf", wie uns der Zeitgeistkritiker Gabalier erklärt.

Darf man anscheinend aber doch sagen, sonst wären ja nicht so viele Leute da. Oder, um mit Alex Diehl, dem Support Act, zu sprechen: "Ihr seid 22 000! Unfassbar!"

Wo er recht hat, hat er recht.

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