Alkoholprävention im Münchner Nachtleben:Drei Helle, Stamperl, Gummibärchen

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Daniel Daum und Anne Krüger sind mit Alkomaten auf der Feierbanane unterwegs. (Foto: Stephan Rumpf)

Partyvolk, trink maßvoll! Mit diesem Appell und Alkotests ziehen speziell ausgebildete junge Leute über die Feierbanane. Doch die Zielgruppe der "Chexxs-Peers" sind nicht die Betrunkenen.

Von Anne Kostrzewa

Wie viel Promille ergeben eigentlich drei Helle? Und wenn dann noch ein Stamperl dazu kommt? Wie falsch gerade junge Münchner ihren Alkoholpegel oft einschätzen, erleben Anne Krüger und Daniel Daum jedes Wochenende wieder. Die beiden Studenten, 21 und 20 Jahre alt, sind sogenannte Peers: Freitags und samstags ziehen sie mit ihren Kollegen nach 22.30 Uhr ehrenamtlich durch die Feiermeile an der Sonnenstraße, bieten kostenlose Alkoholtests an und klären über verantwortungsvollen Alkoholkonsum auf - ein deutschlandweit einzigartiges Projekt. Seit September läuft es in München unter dem Namen "Chexxs".

Entstanden ist Chexxs auf Initiative des Referats für Gesundheit und Umwelt. Vom Stadtrat finanziert und durch Condrobs und die Stiftung Sehn-Sucht ausgebildet, sollen die insgesamt zehn Peers Gleichaltrige daran erinnern, dass Partys nicht zwangsläufig im Exzess enden müssen.

Schokolade für die Nüchternen

"Unsere Zielgruppe sind nicht die Betrunkenen", sagt Daniel Daum. "Wir versuchen diejenigen zu erreichen, die noch sehr nüchtern wirken." Denn Chexxs wolle nicht mit erhobenem Zeigefinger Abstinenz predigen, ergänzt seine Kollegin Anne Krüger. Natürlich könne man beim Feiern auch Alkohol trinken. "Wir wollen jungen Leuten dabei helfen, besser einschätzen zu können, wie viel sie vertragen." Bei den Münchnern komme das Projekt gut an, meint Krüger. "Sie freuen sich, dass der Alkoholtest kostenlos und anonym ist", sagt sie. "Viele sind dann echt erstaunt, dass sie einen höheren Promillewert erreichen als vorher geschätzt."

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Bis zu 50 Leute sprechen die Chexxs-Mitarbeiter an einem Abend an. Damit auch eine Botschaft hängen bleibt, bekommen alle, die beim Alkoholtest unter 0,5 Promille bleiben, von den Peers eine "Belohnung" mit auf den Weg: "Wir haben Erdnüsse, Gummibärchen und Schokolade dabei", sagt Daniel Daum und kramt in der weißen Umhängetasche, mit der die Peers unterwegs sind. "Schokolade geht am besten." Auf den Taschen prangt, ebenso wie auf den blauen Windjacken der Peers, das Logo des Projekts: ein Kreis mit dem Schriftzug "Respekt", hinter dem ein junger Mann mit Kapuzenpulli in die Luft springt. Das Logo versinnbildlicht, wie Chexxs funktionieren soll: Gleichaltrige sollen einander respektvoll begegnen und ernst nehmen. "Wenn der eine oder die andere darüber nachdenkt, ob die nächste Bestellung an der Bar nicht auch alkoholfrei sein könnte, haben wir schon was erreicht", sagt Krüger.

Wenn die Peers nicht mehr zuständig sind

Die Peers sind alle zwischen 19 und 26 Jahre alt, ebenso wie ihr Klientel. Bereits bei ihrem ersten Einsatz sei es ihr leicht gefallen, auf die Feiernden zuzugehen, sagt Anne Krüger. Die Peers sind immer in Dreierteams unterwegs, das hilft. Und wenn ihnen jemand blöd komme, wüssten sie, was zu tun sei, erklärt Daniel Daum: "In unseren Schulungen werden wir auf verschiedene Situationen vorbereitet und lernen, wann wir nicht mehr zuständig sind." Neben Knabbereien und dem Alkomaten haben sie auch ein Diensthandy dabei, um bei Zwischenfällen die Polizei oder ihre Ausbilder anzurufen.

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Hilfe finden die Peers auch bei den Streetworkern von Condrobs, die an den Wochenenden ebenfalls zwischen Sendlinger Tor und Maximiliansplatz unterwegs sind. Gemeinsam mit ihnen ergänzt Chexxs das Projekt "Cool bleiben - friedlich feiern", mit dem Stadt, Polizei und Clubbetreiber seit zwei Jahren die Gewaltbereitschaft von nächtlichen Partygängern in den Griff bekommen wollen. "Chexxs schließt eine Lücke in der Präventionskette", sagt Gesundheitsreferent Joachim Lorenz. "Hier geht es um Suchtprävention und nicht erst um Konfliktlösung."

Auch die Betreiber der rund 20 Clubs der Feiermeile begrüßen das Projekt. "Wer zu betrunken ankommt, muss draußen bleiben", sagt Mathias Scheffel, zuständig fürs "Pacha", das "Gecko" und das "Jack Rabbit". "Wir wollen ja, dass die Leute unbeschadet bei uns feiern und dann wiederkommen."

© SZ vom 12.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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