Ihr naht Euch wieder, schwankende Gestalten. Von Samstag an, täglich pünktlich um 23:30 Uhr fallen sie ein in Münchens Kneipen, zu erkennen an ihrer Tracht, dem unsteten Gang, dem trüben Blick und dem fahlen Gesicht. Doch die Lokale der Stadt weisen die Bierzeltzombies nicht etwa ab, sondern empfangen diese, als haben sie das ganze Jahr auf ihre Rückkehr gewartet, als wären sie froh, sich auch endlich in anderem Gewand zeigen zu dürfen. Zwei Seelen wohnen, ach, in ihrem Schankraum!
Der alternative Club Substanz an der Poccistraße zum Beispiel. Statt Trainingsjacke und Chucks tragen die Gäste hier plötzlich Trachtenjanker und Haferlschuhe. Statt Lou Reed und Ozzy Osbourne tönen nun Lou Bega und DJ Ötzi aus den Boxen.
Oder das Mariandl, das Konzertcafé am Beethovenplatz. Die antiken Holztische werden beiseite geräumt. Unter den imposanten Kronleuchtern liegen sich nun die Gäste in den Armen und schunkeln wild. Den Klavierspieler, der die anderen elfeinhalb Monate im Jahr am Eingang sitzt und sanft Mozart oder die Beatles anstimmt, vermisst niemand.
Gleiches Bild im P1: Münchens Nobeldisco ist ja für eine strenge Türpolitik bekannt, doch während des Oktoberfestes lassen die Türsteher fast jeden rein - dabei wäre ein Billigdirndl mindestens genauso leicht auszumachen wie eine falsche Gucci-Tasche.
Bis zum 4. Oktober herrscht in den Münchner Lokalen also wieder einmal Narrenfreiheit für Trachtler. Nur in einer Kneipe nicht. Am Eingang des Café Kosmos am Hauptbahnhof weist ein Schild darauf hin: Kein Zutritt in Tracht. Die Begründung der Betreiber: "Wir haben da keine Lust drauf." Weil es bei ihnen immer voll ist, hätten sie es finanziell nicht nötig.
Nachtragend werden die abgewiesenen Trachtler aufgrund alkoholbedingter Teilamnesie am nächsten Morgen sowieso nicht sein. Trachtler! Mir graut's vor dir. Entfernt Euch wieder, schwankende Gestalten!
