Streit um Abfindung:Ex-Mitarbeiter verklagen Nokia Siemens Networks

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Wer in der Gewerkschaft war, hat von Nokia Siemens Networks eine deutlich höhere Abfindung bekommen als Nichtmitglieder. Gegen diesen Deal klagen rund 190 frühere Mitarbeiter. Hat die IG Metall tatsächlich ihre Vormachtstellung ausgenutzt?

Von Michael Tibudd

Es ist eine Auseinandersetzung, die Arbeitsrechtler über Jahre beschäftigen könnte: Rund 190 frühere Mitarbeiter von Nokia Siemens Networks (NSN) haben ihren einstigen Arbeitgeber verklagt - und fordern einen deutlichen Nachschlag bei ihrer Abfindung. Sie wollen genauso viel Geld erhalten wie einstige Kollegen, die Mitglied der IG Metall sind.

Die Gewerkschaft handelte vor knapp einem Jahr, als der Münchner Standort von NSN mit 3600 Beschäftigten kurz vor der Schließung stand, Sonderkonditionen für ihre Mitglieder aus. Ob die anderen damit zu Unrecht benachteiligt wurden, diese Frage beschäftigt nun die Richter am Münchner Arbeitsgericht. Die Rede ist von einer "Flut" an Klagen. Im Moment ist die Sache ausgeglichen, bisher fiel ein Urteil zu Gunsten, ein anderes zu Ungunsten der Kläger aus.

Hintergrund ist der Kampf um den Münchner Standort von NSN Anfang 2012. Das Gemeinschaftsunternehmen von Nokia und Siemens wollte diesen damals dichtmachen. Ergebnis der Verhandlungen mit der IG Metall war, dass 2000 Jobs erhalten blieben. Von den übrigen gingen viele in Altersteilzeit; 1300 erhielten eine Abfindung und wechselten in eine Transfergesellschaft, in der sie noch bis Mitte 2014 weiterbezahlt werden. Die Konditionen dabei sind nun Stein des Anstoßes: Während Gewerkschaftsmitglieder 80 Prozent ihres bisherigen Gehalts bekommen, erhalten Nicht-Mitglieder nur 70 Prozent. Außerdem erhielten IG-Metall-Mitglieder pauschal eine um 10.000 Euro höhere Abfindung.

"Die IG Metall hat hier ihre Vormachtstellung ausgenutzt", sagt Arbeitsrechtsanwalt Wolfram Döbereiner, der einen Mandanten vertritt, über dessen Klage noch nicht entschieden wurde. Aus seiner Sicht hätte der Betriebsrat die Verhandlungen führen müssen, statt diese Aufgabe an die Gewerkschaft abzugeben. "Dann hätte es für alle die gleichen Regelungen geben müssen." Sein Kollege Christoph Albrecht, der etwa 60 Mandanten vertritt, unterstellt der Gewerkschaft, vor allem auf neue Mitglieder scharf gewesen zu sein. "Sie muss sich eben auch am Markt behaupten", meint er. Schon nach Bekanntwerden des Deals im März 2012 hatten mehrere Arbeitsrechtler Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Sonderkonditionen angemeldet.

Dass die IG Metall in der Angelegenheit offensiv um neue Mitglieder warb, bestreitet Michael Leppek nicht: Er führte für die Gewerkschaft die Verhandlungen und forderte die Beschäftigten in zahlreichen Kundgebungen auf, in die IG Metall einzutreten. "Wir brauchten das Mandat der Beschäftigten", sagt Leppek. Wären nur zehn Prozent der Beschäftigten Mitglied gewesen, hätte die Gewerkschaft kaum Verhandlungsmacht gehabt, meint er.

"Wir halten die Vereinbarung für rechtlich tragfähig"

600 neue Mitglieder gewann die IG Metall im Verlauf des Kampfs um den Standort zusätzlich zu den 1500, die sie schon hatte. Die Bonuszahlungen erhielten alle, die bis zu einem Stichtag im März eingetreten waren - kurz nachdem NSN und IG Metall ihre Einigung öffentlich gemacht hatten. Ungeachtet dessen verteidigt Leppek auch das Ergebnis der Verhandlungen: "Wir haben 2000 Jobs gerettet. Das muss man erst einmal hinbekommen." Auch der NSN-Betriebsrat verteidigt seine Verhandlungsführung. "Wir haben für alle mehr rausgeholt, als das Unternehmen ursprünglich bezahlen wollte", sagt Betriebsratschef Clemens Suerbaum.

Nokia Siemens Networks selbst gibt sich bedeckt. Man sei froh, dass es unterschiedliche Interpretationen durch die Richter gebe, "und wir halten die Vereinbarung für rechtlich tragfähig", teilt ein Sprecher mit. Die Anwälte der Kläger erwarten, dass NSN auch zum Landes-, notfalls bis zum Bundesarbeitsgericht gehen werde.

Schon die Situation am Münchner Arbeitsgericht - also in der ersten Instanz - zeigt indes, wie uneinheitlich die Richter das Thema bewerten. Das dürfte in den kommenden Monaten so weitergehen, denn die Klagen werden je nach Eingangstermin von anderen Richtern behandelt - insgesamt mehr als 20.

© SZ vom 01.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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