Champions-League-Finale:Zu Gast dahoam

Lesezeit: 3 min

Es sollte ein besonderer Abend werden: das Finale im eigenen Stadion. Doch für die Anhänger des FC Bayern endete der große Tag in stiller Trauer. Dabei war das Spiel für die Münchner Champions-League-Fans allenfalls ein halbes Heimspiel.

Kassian Stroh

Seit sieben Jahren spielt der FC Bayern in der Arena von Fröttmaning. Sie kennen packende Spiele hier, große Abende auch im Europapokal. Sie kennen auch entscheidende Spiele hier, die man oft Endspiele nennt.

Aber dieses hier, an diesem Samstagabend, ist nicht nur das spannendste, es geht schließlich um die Champions League, sondern es ist noch etwas ganz Besonderes. Es ist das Finale im eigenen Stadion. Und es endet in der Südkurve, dort wo die Bayernfans sitzen, in Stille. Gegenüber toben die Blauen, aber hier ist es ganz ruhig. Hier und dort fließen ein paar Tränen, Schminke verschmiert. Kein Fluchen, kein Schreien, alle starren fassungslos irgendwohin. Der FC Bayern hat verloren.

Nein, das ist nicht das, was an diesem Abend das Besondere ist, auch das kennen sie hier in der Arena. Aber eben nicht in einem Endspiel. Im eigenen Stadion. Dabei versprach selbst die vom Himmel strahlende Sonne einen besonderen Abend. Und Florian Högelmeir hat das genutzt, er hat es ja nicht weit. In Unterföhring wohnt er, praktisch gleich drüben auf der anderen Isarseite. Also hat er sich mit seiner großen Schwester aufs Mountainbike gesetzt. Mit dem Fahrrad zu einem Champions-League-Finale, wann hat man das schon? "Des is scho was Bsondres", sagt der 16-Jährige.

Bald bis zum Überdruss haben in den vergangenen Wochen alle vom "Finale dahoam" gesprochen. Es ist auch am Samstag auf T-Shirts zu lesen und auf den kleinen, vom FC Bayern verteilten Fähnchen in der Arena. Aber das Besondere dieses Spiels, dass da ein Finalist fast ein Heimspiel hat, zeigt sich eben auch daran, dass es nicht wenige sind, die an diesem Samstagnachmittag in Fröttmaning mit dem Fahrrad vorfahren.

Oder dass am Klärwerk schräg gegenüber einer der Faultürme mit einem rot-weißen Banner geschmückt ist. Oder fünf Minuten vor Spielbeginn bei der großen Choreographie der Bayernfans: Tausende rote und weiße Folien haben die Organisatoren von der Fanclub-Vereinigung Club Nr. 12 seit Freitagfrüh auf die Plätze in der Südkurve gesteckt, die recken nun alle in die Höhe, während die Mannschaften einmarschieren. Die Kurve erstrahlt rot-weiß gestreift, in der Mitte ein gigantischer Pokal, dazu die Silhouette Münchens, der Dom, das Siegestor, das Olympiastadion. Und der Spruch: "Unsere Stadt, unser Stadion, unser Pokal."

Dabei illustriert auch dieses Spektakel, warum das hier kein Heimspiel des FC Bayern ist. Die Choreographie zu organisieren, war dem Club Nr. 12 nicht leicht gefallen. Bei Bayern-Spielen dürfen sie im Stadion ihre Materialien lagern und präparieren, nun hat hier die Uefa das Sagen. Das macht alles kompliziert, sie sind diesmal nur halb daheim. Doch überraschend früh, um Viertel nach neun am Samstag, melden die Organisatoren bereits: Die Choreographie ist fertig. Dabei gab es am Freitagnachmittag kurz noch Aufregung: Die Uefa wollte die erläuternden Flugblätter des Club Nr. 12 nicht in der Arena zulassen. Weil darauf ungenehmigterweise der Pokal zu sehen sei, inklusive des geschützten Verbandslogos, so klagt der Club Nr. 12. Doch noch am Abend gibt der Club Entwarnung.

Die Fans hadern mit dem Verband - und das hat nun wirklich gar nichts mit der Niederlage zu tun, sondern mit der Ticketvergabe. Zehntausende sind bei der Verlosung enttäuscht worden, und die wenigen Glücklichen stehen irgendwo, natürlich nicht am gewohnten Platz. So wie Marco Peters und seine drei Freunde, die gewöhnlich immer gemeinsam in der Südkurve zu finden sind. "Wir sind hier alle woanders", klagt Peters.

Doch die Fans sind findig. Vor dem Spiel ist, wenn man genau hinsieht, zu erkennen, wie im Unterrang der Südkurve diskret Tickets über die Absperrgitter gereicht werden. Und der härteste Kern der harten Fanszene des FC Bayern, die Gruppe Schickeria, hat sich geschlossen im Oberrang zusammengefunden. Die Polizei hatte mit 50 Schickeria-Vertretern im Stadion gerechnet, doch eine Stunde vor Spielbeginn melden spähende Beamte, dass es wohl 300 seien.

Doch die Stimmung wird von der Schickeria befeuert, entsprechend laut ist sie im Stadion. In der Pause sammeln sich deren Akteure auf der Toilette, teils völlig nass geschwitzt, und trinken literweise Wasser aus dem Hahn. Die Bayernfans haben akustisch klar die Oberhand.

Bis, ja bis in den letzten Minuten ihre Stimmung mehrfach umschlägt. Das erste Tor von Bayern lässt das halbe Stadion tanzen: "Hier regiert der FCB!", skandieren die Fans. Jetzt wähnen sie sich voll daheim. Doch der Gegentreffer vier Minuten später führt zu einer Schockstarre in der Südkurve. Von diesem Schock erholen sie sich nicht mehr richtig wieder. Und schon gleich gar nicht, als Arjen Robben dann in der Nachspielzeit noch den Elfmeter verschießt. Da gewinnen die Blauen die Oberhand.

Dabei bekommen die Bayernfans noch ein Heimspiel präsentiert: Das Elfmeterschießen geht direkt vor ihrer Kurve vonstatten. Sie feiern diesen kleinen Sieg in der Auslosung, bis das Elfmeterschießen den Lauf nimmt, den es nimmt. Und der Abend das bekannte Ende. Es war doch kein richtiges Heimspiel.

© SZ vom 21.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Nach dem Champions-League-Finale
:Münchner überlassen die Stadt den Chelsea-Fans

Nach dem verlorenen Finale haben die Bayern-Anhänger nur noch ein Ziel: das eigene Bett. Keine Grenzen kennt dagegen die Freude der Chelsea-Fans, bei deren rauschender Party in der Innenstadt alle Hemmungen fallen. Im Postpalast beim FCB ist die Stimmung niedergeschlagen.

aus München.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: