Zum Finale von "Der Bachelor" 2012:Institutionalisierte Verklemmtheit

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Warum nur ist die RTL-Serie "Bachelor" so erfolgreich? Am Konzept hat sich kaum etwas verändert, also muss es an den Zuschauern liegen. Die haben sich mittlerweile an die veränderten Sehgewohnheiten gewöhnt, die nur auf eines abzielen: bedingungslose Unterwerfung. Jetzt zum Finale ist zu befürchten, dass der Spuk nicht aufhört, und es noch ein paar Staffeln mehr werden.

Hans Hoff

Wenn man den enormen Erfolg der RTL-Reihe Der Bachelor betrachtet, kommt man nicht auf die Idee, dass so etwas massenhaft in einem Land geschaut wird, das sich seit Mitte der 70er Jahre einer starken Frauenbewegung rühmt. Wenn da 20 Frauen seit Anfang Januar so tun, als würden sie alles anstellen, um einem Junggesellen namens Paul zu gefallen, dann wirkt das vielmehr wie ein Rücksturz ins Mäuschenzeitalter.

Ein Junggeselle namens Paul und 20 junge Frauen, die kein anderes Ziel im Leben haben, als diese Krone der Schöpfung für sich einzunehmen. Es sieht aus, als ginge es in der Reality-Serie Der Bachelor um alles - in Wahrheit geht es aber um nichts. (Foto: RTL/Stefan Gregorowius)

Die Frau, die hier konsequent Mädel heißt, wird durchweg als Ware verstanden, als eine, die sich zu mühen hat, um die vermeintliche Krone der Schöpfung für sich einzunehmen. Zwei Frauen, sorry, Mädels, sind noch übrig. Sie werden jetzt im Finale in Stellung gebracht, um den "Bett-Schäler", wie er gerne in Straßenumfragen ausgesprochen wird, zu bezirzen. Und, ganz ehrlich, Volkes Stimme spricht da nicht mit falscher Zunge.

Vor mehr als acht Jahren hat es RTL schon einmal mit dem Bachelor versucht, damals ohne Erfolg. Zwar erinnert man sich in Köln momentan vor allem an bis zu 5,23 Millionen Zuschauer, vergisst dabei aber, dass der Durchschnittswert eher um die drei Millionen rangierte. Heute sind die Zahlen besser. Am 4. Januar startete der Bachelor noch mau mit 3,7 Millionen und einem Marktanteil unter dem Senderdurchschnitt. Doch er steigerte sich bis auf 5,5 Millionen Zuschauer in Folge sieben, was einem Marktanteil von knapp 24 Prozent bei den unter 50-jährigen Zuschauern entsprach. Das kann sich von den Zahlen her sehen lassen.

Das gestiegene Interesse gegenüber 2003 lässt sich mit veränderten Sehgewohnheiten erklären. Inzwischen hat sich das Publikum an die schlecht ausgesuchten Protagonisten gewöhnt, die nach schlechten Drehbüchern schlecht gespielte Geschichten in sogenannten Scripted-Reality-Dokus zur Aufführung bringen. Gegen das, was RTL da nachmittags mit Hartz-IV-Aroma verströmt, wirkt die Neuauflage des Bachelors wie Hochglanzkino. Außerdem haben Castingshows wie D eutschland sucht den Superstar und Heidi Klums Germany's Next Top Model die Maßstäbe verändert. Bedingungslose Unterwerfung ist inzwischen die Regel. Gehorche, gib Körper, gib Seele, erhalte Fernsehpräsenz, so lautet die moderne Unterhaltungsregel, die auch zum Bachelor passt.

Mit Paul hinter die Gardine

In der siebten Folge mussten drei Kandidatinnen um Paul buhlen. Jede bekam ein Dreamdate und wurde mit dem blonden Mann irgendwo in Afrika ausgesetzt. Einen ganzen Tag mussten die Pärchen miteinander verbringen, und am Ende wurde immer wild geknutscht. Danach verschwanden Paul und das jeweilige Mädel hinter irgendeiner Tür oder Gardine. Was dort geschah? "Was man dann halt so macht", muss die Kandidatin Sissi einmal sagen. Impliziert wird mit Zaunpfahl-Hilfe, dass es dreimal heftig geknattert hat. Behauptet wird das nicht, es wird vielmehr der Phantasie des Zuschauer durch die optische Inszenierung aufgedrängt. Was indes als Diskretion verkauft wird, ist nichts weiter als institutionalisierte Verklemmtheit. Und man möchte gerne jede Wette halten, dass in Wahrheit nichts passiert ist - außer dem Aufatmen der Protagonisten, dass sie aus dem Kamerablickfeld flüchten konnten.

Der Ba chelor muss allerdings nach Sendekonzept so tun, als ginge es ihm wirklich um etwas. In Wahrheit geht es aber um nichts, riecht alles nach plumper Inszenierung, nach Frauenhandel im Reise-Katalog-Ambiente. In den USA sind bereits 15 Staffeln der Reihe gelaufen. Nach dem aktuellen RTL-Erfolg steht zu befürchten, dass es auch hierzulande noch ein paar mehr werden.

Der Bachelor "Das Finale", RTL, 21.15 Uhr

© SZ vom 22.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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