US-Serie "Horace and Pete" von Louis C. K.:Hässlicher Körper, schlichtes Gemüt, guter Typ

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Alles am Ende - das Land, die Familie, die Bar: Louis C. K. und Steve Buscemi (l.) als Horace und Pete. (Foto: Louis C.K.)

Der vielleicht beste Unterhalter im US-Fernsehen hat eine neue Serie: Louis C. K. gelingt mit "Horace and Pete" eine wilde Mischung aus Dittsche und den Buddenbrooks.

Von Luise Checchin

Übergewichtig, fortgeschrittene Geheimratsecken, die besten Jahre lange vorbei: So sieht der Mann aus, um den derzeit niemand herumkommt, der sich für intelligente Fernsehunterhaltung interessiert.

Es ist davon auszugehen, dass der Komiker Louis C. K. dieser Beschreibung seiner Person nicht widersprechen würde, höchstwahrscheinlich fände er sie zu euphemistisch. Für den Guardian sollte Louis C. K., der mit bürgerlichem Namen Louis Székely heißt, einmal aufschreiben, was ihn wütend macht. Seine Antwort: "Mein fetter, bescheuerter, hässlicher Körper und das wertlose, träge und schlichte Gemüt, das darin gefangen ist."

Lakonischer kann man eine Serie nicht ankündigen

Eben diesem wertlosen, trägen und schlichten Gemüt ist kürzlich eine nicht gerade kleine Überraschung gelungen. Ohne Vorwarnung veröffentlichte C. K. auf seiner Homepage die erste Folge einer Serie, von ihm geschrieben, produziert und, nun ja, mit ihm in der Hauptrolle. Außerdem dabei sind Steve Buscemi, Edie Falco, Alan Alda und ungefähr ein Dutzend weiterer hochkarätiger Schauspieler.

Wenn heutzutage eine Serie startet, die auch nur ein bisschen Potenzial verspricht, läuft die Aufmerksamkeitsmaschinerie normalerweise lange vor der ersten Episode an: Die Besetzung muss verkündet, über die Dreharbeiten berichtet, der Trailer besprochen werden. Louis C. K. reichten dafür genau drei Sätze:

"Hi there. Horace and Pete episode one is available for download. $5. Go here to watch it. We hope you like it. Regards, Louis"

So etwas ist im amerikanischen Fernsehen nicht vorgesehen

Nun ist Louis C. K. kein Unbekannter in den USA. Mit seiner Stand-Up-Comedy und der Serie "Louie" gehört er zu den renommiertesten Unterhaltern der Branche. In so einer Position kann man sich schon einmal eine kleine private Spielerei erlauben. Das Interessante an C. K. ist allerdings, dass die "Horace and Pete"-Aktion kein Ausreißer ist. Sie ist nur das jüngste Projekt in einer langen Reihe von künstlerischen Widerspenstigkeiten, denen kaum jemand Erfolg zugetraut hätte, bis sie erfolgreich wurden.

Die erste Folge von "Horace und Pete" ist wie gemacht dafür, diese seltsame Eigenwilligkeit des Louis C. K. zu illustrieren. Etwas wie "Horace and Pete" ist im amerikanischen Fernsehen nicht vorgesehen. Die Serie ist sperrig, langatmig und sie verzichtet, wo immer sie nur kann, auf schnelle Lacher. Im Grunde ist sie auch gar kein Fernsehformat, sondern ein Theaterstück, bei dem zufällig ein paar Kameras mitliefen.

C. K. hält sich an den Grundsatz des antiken Dramas, die Einheit von Zeit, Raum und Handlung. Alles spielt sich in ein und derselben Kulisse ab. Was der Zuschauer sieht, ist ein Tag in der fiktiven New Yorker Bar "Horace und Pete".

Seit hundert Jahren gelten in dieser Spelunke zwei Regeln: Es werden keine gemixten Drinks ausgeschenkt, nur pures Zeug. Und: Die Bar ist ein Familienunternehmen, in jeder Generation geführt von einem Horace und einem Pete. Das Problem ist nur, dass die aktuellen Namensträger (Louis C. K. und Steve Buscemi) sich als wenig geschäftstüchtig herausstellen.

Man könnte sagen, "Horace and Pete" ist eine Mischung aus Dittsche und den Buddenbrooks: Vor dem Grundrauschen absurder Tresengespräche entspinnt sich ein Drama um den Niedergang einer Familie.

Die Familie und das Familienunternehmen sind allerdings nicht das einzige, was im Niedergang begriffen ist. Die erste Folge von "Horace und Pete" spielt kurz vor den Vorwahlen in Iowa - ein Hinweis darauf, wie kurzfristig C. K. die Serie produziert haben muss.

"Warum nicht Trump wählen?" fragt ein auf Krawall gebürsteter Gast nach einer Wutrede auf die Verfehlungen der amerikanischen Gesellschaft der letzten Jahrzehnte. "Wenn wir für ihn stimmen, bedeutet das nur, dass wir untergehen wollen - also lasst uns untergehen."

Und damit wäre auch der Kern eines jeden Louis-C. K.-Projekts benannt: Wie kein anderer versteht C. K. es, Geschichten vom Scheitern zu erzählen. Nicht der übliche Scheitern-als-Chance-Nonsens, nein, Scheitern als das, was es ist: als schmerzhafte Niederlage, als erbärmliches, nicht zu reparierendes Misslingen.

Abgesang auf die aussterbende Spezies des weißen Mannes

Am besten gelang C. K. bislang die Inszenierung des Scheiterns in seiner Erfolgsserie "Louie". Halb autobiographisch erzählt "Louie" davon, wie ein geschiedener Mann um die vierzig versucht, die Erziehung seiner zwei Töchter, das Überleben als mittelmäßig erfolgreicher Stand-Up-Comedian und den New-Yorker-Dating-Dschungel unter einen Hut zu bekommen.

"Louie" ist so etwas wie das Gegenstück zu "Sex and the City". Während letzteres den Aufstieg der unabhängigen Single-Frau zelebrierte, ist "Louie" der Abgesang auf die aussterbende Spezies des westlichen, weißen Mannes. Der Serien-Louie ist politisch unkorrekt, einsam und depressiv. Meistens, aber nicht immer, meint er es gut mit dem, was er tut, aber immer, wirklich immer, geht es schief.

Das Ganze inszeniert C. K. so anarchisch, dass man sich wundert, wie die Serie nun schon bis zur fünften Staffel laufen konnte. An irgendeinem Punkt driftet fast jede Folge ins Surreale ab - mal flüchtet Louies entgeistertes Date vor ihm in einem Hubschrauber, mal tritt David Lynch als sonderlicher Kauz auf, um ihn als David-Letterman-Nachfolger zu coachen.

Während einer Louie-Folge lacht man mehrmals laut auf, aber wenn man fertig ist, bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Zu deprimierend und irgendwie auch zu wahr wirkt das alles.

Alles am Ende

Genauso verhält es sich mit C. K.s neuem Projekt "Horace und Pete". Im Grunde ist es ein tieftrauriges Unterfangen: Die Politik, die Familie, das Geschäft - alles am Ende. Was übrig bleibt, sind Fluchen und ein anständiger Drink - wobei letzteres auch schon wieder relativiert werden muss, denn im Verlauf der ersten Episode stellt sich heraus, dass im "Horace und Pete" seit hundert Jahren jeder Drink mit Wasser verdünnt wird.

Aber wer weiß, vielleicht ist ja doch noch nicht alles am Ende. Immerhin gelingt am Tresen im "Horace und Pete" etwas, was der amerikanischen Politik in den letzten 15 Jahren nicht gelungen ist: Ein Stammgast schafft es, einen Republikaner und einen Demokraten miteinander zu versöhnen.

Louis C. K. allerdings würde diesen Anflug von Zuversicht wohl strikt zurückweisen. Wie heißt es in der ersten Folge von "Louie"? "Ich weiß zu viel über das Leben, um auch nur irgendwelchen Optimismus zu haben."

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