TV-Kritik: "Let's Dance"-Finale:Too big to fail

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Duell der Pummelchen: Beim Finale der öffentlichen Tanzstunde traf Klausi Beimer auf Maite Kelly. Beide beeindruckten mit Hüftgold und sexy Rhythmus - obwohl sie zu Beginn der Show niemand auf der Rechnung hatte.

Verena Wolff

Lindenstraße gegen singende Hippie-Kommune: Als ob eine öffentliche Tanzstunde nicht schon peinlich genug wäre, trat beim Finale der aktuellen "Let's Dance"-Staffel nun auch noch Klausi Beimer gegen den jüngsten weiblichen Spross der Kelly-Family, Maite Kelly, an. Mehr Retro-Bombast hat RTL nicht zu bieten - deshalb konzentrieren wir uns im Folgenden einfach mal auf die ausnahmsweise gute Show, die ausnahmslos von ihren Ausnahme-Finalisten lebte:

Beeindruckend, leidenschaftlich, sexy: Beifallsstürme gab es von der Jury für den Paso doble von Maite Kelly und ihrem Tanzpartner Christian Polanc. (Foto: dapd)

Joachim Llambi tut es einfach nicht: Er sortiert die Nummernkärtchen unter dem Tisch - aber die Zehn zückt er nicht. "Sensationell" nennt er zwar den Lieblingstanz von Maite Kelly, den Paso doble, den das Paar beeindruckend, leidenschaftlich und sexy vorträgt. Die drei anderen Juroren der TV-Tanzshow "Let's Dance" verleitet dies zu Beifallsstürmen und stehenden Ovationen. Und Llambi? Vergibt neun Punkte. Dabei hatte Moderator Daniel Hartwich schon ganz leise, im Hintergrund, gemutmaßt: "Jetzt passiert es. Sylvie, jetzt passiert es."

Aber es passierte nicht.

Zwar wirkte der mitunter hundsgemein auftretende Juror ob der Darbietung der beiden sichtlich verzückt - sei es von dem Freistil-Auftritt, dem letzten Tanz des Abends und der aktuellen Saison der Show, den das Paar mit verschiedenen Tänzen zu den Melodien des Hollywood-Streifens Moulin Rouge bestritt. Und doch zeigte er, nach drei Mal voller Punktzahl der Mit-Juroren - wieder nur die Neun. Das Publikum buhte. Moderator Hartwich: "Dass der Llambi mal für neun Punkte ausgepfiffen wird, hätte ich auch nicht gedacht."

Denn Joachim Llambi ist so etwas wie die graue Eminenz dieser Show, die RTL in der vierten Staffel ausstrahlte. Und Llambi ist ein strenger Vertreter seines Fachs: Wo sich die anderen Wertungsrichter auf der Viererbank gerne in höhere Punktesphären begeben, zückt der Duisburger Ex-Profitänzer maximal eine Drei oder eine Vier. Die Acht, die er zu Beginn der Sendung an Moritz A. Sachs für dessen Darbietung des Wiener Walzers vergab, grenzte schon an eine Sensation. Aber mehr als eine Neun ist offenbar nicht drin. Worauf er noch wartet, fragt sich so mancher Zuschauer in den einschlägigen Blogs und Foren im Netz. Denn bei den Finalisten muss es sich wohl um die besten zwei Paare seit Bestehen der Show gehandelt haben.

Die beiden bewiesen Rhythmus und Sex-Appeal, tanzten furiose Schrittfolgen mit Leichtigkeit, zeigten ein großes Repertoire an Drama. Dabei hatte man die beiden XL-Kandidaten Kelly und Sachs zu Beginn der Sendung noch gar nicht auf der Rechnung. Sie ist Teil der Folkband Kelly Family, er der ewige Klausi Beimer aus der Lindenstraße.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum Maite Kelly siegte.

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Doch die angetretenen Sportler, die man aus ihren Disziplinen leichtfüßig kennt, versagten auf ganzer Linie und flogen gleich zu Beginn der Show raus. Auch so mancher Schauspieler tat sich ungeahnt schwer mit Walzer, Jive und Rumba. Maite und Moritz, 31 und 32, hingegen haben es der Konkurrenz gezeigt - und weit mehr als eine flotte Sohle auf das rutschige Parkett gelegt. Im Finale: Quickstep, Paso doble und eine Freistil-Choreographie die eine; Samba, Wiener Walzer und ebenfalls den geforderten Freestyle der andere.

Ins Finale, da herrscht Einigkeit bei Fans und Jury, haben es die beiden richtigen Paare geschafft: Die, die sich geschunden haben in den vergangenen drei Monaten, die viel gearbeitet und geleistet haben - die aber auch ein Talent für Musik und Show haben. 320 Stunden Training brauchte Moritz A. Sachs. Bei Maite Kelly waren es nach Senderangaben 306 Stunden. Das sind, hochgerechnet, knapp 40 Arbeitstage, die sie ausschließlich mit dem Einstudieren der verschiedenen Standard- und lateinamerikanischen Tänze verbracht haben. Zwölf und neun Kilo haben sie dabei verloren.

Zu Beginn der finalen Sendung fuhr man nochmals alle Teilnehmer der Show auf - und sah, warum diese beiden im Finale stehen. Da waren die ehemaligen Teilnehmer, die haarscharf am Takt vorbei tanzten - und da waren die, die in ihrer eigenen Welt zu tanzen schienen. Musik, Takt? Nie gehört. Ihnen zuzuschauen war fast, wie beim obligatorischen Tanzschulbesuch auf den Höhen der Pubertät selbst mit dem unmusikalischsten Partner weit und breit gestraft zu sein.

Abgenommen haben beide ordentlich - auch wenn das Finale immer noch als "Duell der Pummelchen" oder "Brumme gegen Bär" tituliert wurde. Aber der zweitjüngste Spross der Kelly Family hat einfach mehr Gespür für Musik, den Rhythmus scheinbar im Blut. Bei Sachs ist der Bauch zwar weitestgehend weg - dennoch wirkt er noch ein wenig tapsig. Ein veritabler Tanzbär, den Juror Roman Frieling zum "Tanzbiest" aufgewertet hat. Der den einen oder anderen Schritt beim Wiener Walzer mal einspringt. Maite Kelly sieht hingegen aus, als hätte sie nie etwas anderes gemacht, als zu tanzen - "einen weichen Schrittansatz" bescheinigt ihr derselbe Wertungsrichter.

In dieser letzten Sendung zeigt die 31-jährige zweifache Mutter ihre neu erworbene Taille und mehr Bein als je zuvor - besonders beim letzten Tanz, einer eigenen Choreographie zur Musik von Moulin Rouge, die mehr als gelungen war. Frieling brachte das exakt auf den Punkt: "Das war verrucht, das war sexy, das war geil." Jurorin Motsi Mabuse schöpfte gar ein neues Wort: "Bomben-hammer-brilliant". Modedesigner Glööckler, zur Feier des Tages mit Diamanten am Haaransatz leuchtend, war sich sicher: "Hier haben wir den Siegertanz gesehen."

Wie gehabt kabbelte sich der schrille Kreative mit Moderator Hartwich, die Juroren Llambi und Frieling werden wohl in diesem Leben auch keine Freunde mehr. Motsi Mabuse sieht sich als Chefin im Ring - und Moderatorin Sylvie van der Vaart tat gut daran, weniger Redeanteile als ihr Ko-Präsentator zu haben.

Den beiden Finalisten lag jede Art von Konkurrenz fern, so schien es. Moritz gönnte Maite den Titel und Maite Moritz. Die Kampfansagen in den Einspielfilmen kamen eher halbherzig. "Kicheranfall statt Kampfansage" titelte RTL bezeichnenderweise vor der Show. "Ich glaube, wir wollen einfach aus Liebe zum Tanz und zum Sport gut abliefern, aber wir können trotzdem nachher ein Bier trinken gehen", gab Kelly beim Sender zu Protokoll.

Also lagen sie sich schließlich auch in den Armen, die Maite und der Moritz. Am Ende des Abends, um 22:24 Uhr, als die Siegerin feststand. Maite Kelly ist die Dancing Queen - und das auch ohne jemals zehn Punkte von Joachim Llambi gesehen zu haben.

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