ProSieben: red!@the city:Plastikbusen in Miami

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In Florida scheint die Sonne über Menschen, die prominent, hübsch und reich sind - so oder so ähnlich präsentiert das Promimagazin "red@the city" die US-Strandmetropole Miami. Wenn da nur nicht die Fakten wären. Denn nein, liebe Leute von ProSieben, so funktioniert Amerika nicht.

Verena Wolff.

Es gibt Sendungen, deren Titel neu sind und der Rest altbekannt. Bei red@the city ist das der Fall, auch wenn der Anspruch niveauvoll klingen mag: Zehn trendige Metropolen von ihrer hippsten Seite - die will Annemarie Warnkross, ihres Zeichens Freundin von Wayne Carpendale, am späten Mittwochabend bei Pro Sieben präsentieren.

Nichts ist echt in Miami: Strandszene, die nicht aus der Sendung "red@the city" stammt (Foto: DPA)

Zum Auftakt ging's nach Miami. Es folgen: Rio de Janeiro, Los Angeles, New York, Berlin, Sydney, Paris, Mallorca, London und die Cote d' Azur. So weit, so gut.

Wo Miami glitzert, da wo die Plastikbrüste sind, da heißt die Stadt South Beach. Dort gibt es Art Deco, bis man keine Pastellfarben mehr sehen kann. Gestylte Menschen mit Idealfiguren und Dauerlächeln, dass man sich nach einem zarten Bierbauch und grauen Haaren sehnt. Teure Autos und allen erdenklichen anderen Luxus, dass eine Fahrradtour ins Grüne ihren ganz eigenen Charme entwickelt.

Nur in South Beach ist red!@the city. Und zeigt, wie amerikanische Großstädte nun mal funktionieren. Geld regiert. Das ist in Miami nicht anders als in Boston, San Francisco oder Seattle. Wer kein Geld hat, gehört nicht dazu - es sei denn, er oder sie ist außergewöhnlich hübsch und schafft womöglich gerade darum bald die Anhäufung eines Vermögens.

"Calli", das Belegexemplar für Prominenz

Das Leben von Promis will das Magazin zeigen - doch nicht ein einziger Prominenter tritt in der Dreiviertelstunde vor die Kamera. Man spricht über Promis, aber nicht mit ihnen. Deutsche allerdings hat die Redaktion ausreichend gefunden: Ein männliches Ex-Modell, dass seit Jahrzehnten in Miami lebt und als Makler für Luxusimmobilien arbeitet.

Eine Designerin, die über eine US-Fernsehsendung den Durchbruch geschafft hat und wenig Stoff mit wilden Mustern für viel Geld an die Frau bringt. Und: Rainer Calmund, Ex-Fußballmanager, der seit vielen Jahren in Miami urlaubt und sich für die Sendung durch die verschiedenen Restaurants futtert. "Calli", das Belegexemplar für Prominenz.

Unbekannte Top-Tipps will das Magazin lüften - und schafft es gerade mal, ein paar bewegte Bilder aus Luxus-Hotels zu zeigen, die sich der durchschnittliche Zuschauer in seinen kühnsten Träumen nicht leisten kann.

Nachtclubs? Stadtmagazin lesen "und sich einfach auf die Gästeliste der angesagtesten Partys setzen lassen", flötet eine Stimme aus dem Off.

Nein. So funktioniert Amerika nicht.

Eher schon so: "Je weniger die Mädchen anhaben und je mehr die Jungs nach Kohle aussehen, um so eher ist man drin."

Ein paar Fakten halten die Präsentatorinnen bereit, über die es sich zumindest zu Schmunzeln lohnt: Sie stellen den einzigen professionellen Sonnenschutz-Aufträger, einen so genannten Tanning Butler, vor und protzen mit Tatsachen à la "in der Öffentlichkeit mit einer Erektion rumzulaufen, ist per Gesetz verboten".

Etwa 20.000 Brustvergrößerungen soll es pro Jahr in Miami geben. Und der Schönheitschirurg Julio Gallo liefert eine typisch amerikanische Erklärung dafür: "Die Leute leben draußen und tragen weniger Kleidung als die im Norden, daher ist der Köper so wichtig." Was nicht passt wird einfach passend gemacht. Allerdings: 20.000 Brust-OPs in einem Ort mit einem Einzugsgebiet von 5,5 Millionen Menschen und Zigtausend Touristen klingt irgendwie gar nicht allzu sensationell.

Und noch eines dieser Fäktchen: Die Wassergrundstücke vor Miami gelten als teuerste in ganz Amerika. Nur: Den Angaben verschiedener Makler-Organisationen zufolge gibt es viele, viele Ort in Kalifornien, die weit vor Miami rangieren. Auch in den Hamptons auf Long Island, einer New York City vorgelagerten Insel, werden in schöner Regelmäßigkeit deutlich höhere Preise erzielt.

Ort des Körperkults ist Miami, das dürfte auch dem letzten nach den ersten fünf Minuten von red@the city klar geworden sein. Der Körper sei also wichtiger als der Kopf, heißt dazu die sinnige Moderation. Und: 700 Fitnessstudios gebe es in Miami, aber nur eine Universität.

Klingt eindrucksvoll, stimmt aber nicht.

Eine flüchtige Internet-Recherche ergibt mindestens neun Unis in Miami, dazu zahlreiche Colleges und verschiedene Fachschulen. Miami ist halt auch eine der größten amerikanischen Städte - und damit ein Ort, in den es die Jungen zum Studium zieht.

red@the city suggiert zu wissen, was bei den Stars angeblich "mega-in" ist: Das Heiraten am Strand. Das ist auch für Deutsche machbar und erschwinglich - und sogleich ist ein deutscher Heiratsplaner hergezaubert, der ungeniert für sich werben darf. Bei großen Hochzeitsgesellschaften geht es kaum unter mehreren Zehntausend Dollar, bei einem Paar aus Gera schon für 200.

Ein Antrag, ein Ja-Wort, eine Urkunde, ein Glas Prosecco. So schnell ist man verheiratet. Ja, das geht in Florida unkompliziert. In Kalifornien aber auch. Und sogar noch günstiger - nämlich nur für ein paar Dollar Verwaltungsgebühr. Den Antrag kann man online stellen.

Da ist ein Reporter im schicken Hotel Circa 39, in der offenbar die Honeymoon-Suite nur 150 Dollar kostet. Eine Suite speziell für Flitterwöchler ist auf der Hotel-Webseite nicht zu finden.

Aber gut. Nichts ist echt in Miami, das hat der geneigte Zuschauer schon in der Anmoderation von Annemarie Warnkross erfahren. Und wer red@the city schaut, kann zumindest sicher sein, dass alle Klischees bedient werden. Per bewegtem Bild und angeblichem Faktenreigen. Geredet wird ohne Unterbrechung, Stille ist dem Magazin-Zuschauer offenbar ein Graus.

Also werden wohl in den kommenden Wochen weitere überraschende Dinge bei red@the city zu erfahren sein: dass Tribeca und Soho seit Jahrzehnten die trendigsten Viertel von Manhattan sind, dass man in Sydney am Bondi Beach zum Surfen geht und das Opernhaus einzigartig ist - und dass man in Rio de Janeiro Beachvolleyball spielt und einmal im Jahr Karneval ist.

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