Nachrichtensender N 24:Auftrag durchgeführt

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Pro Sieben Sat1 verkauft N24, lässt sich aber die Nachrichten bis 2016 garantieren. Doch die Politik warnt.

Christopher Keil

Am 1. März 2009 trat Thomas Ebeling, der früher in der Tabak-, Pharma- und Getränke-Industrie tätig war, beim Medienkonzern Pro Sieben Sat 1 an. Es stand schlecht um die nach der Kirch-Pleite an Finanzinvestoren geratene Sendergruppe: 129 Millionen Euro Verlust für 2008, im dritten Quartal 2009 sank der Umsatz um 90 Millionen Euro.

Torsten Rossmann (links) und Stefan Aust, die neuen N-24-Gesellschafter. (Foto: dpa)

Dabei war Ebeling, 50, als Vorstandsvorsitzender verpflichtet worden, um in der größten Werbemarktkrise Wachstum zu liefern - Wachstum an der Börse. Kurz nach Ebelings erstem Arbeitstag fiel das Pro-Sieben-Sat-1-Papier auf 96 Cent, von da an bewegte sich sein Kurs allerdings kontinuierlich nach oben. Derzeit liegt es bei 12,30 Euro. Nach Ebelings erstem Dienstjahr für die Finanzinvestoren KKR und Permira wies die größte deutsche Privatsenderkette 185Millionen Euro Gewinn aus bei einem Umsatz von 2,76 Milliarden Euro.

Dass Pro Sieben Sat1 an diesem Mittwoch den Verkauf von N24 an den bisherigen N24-Geschäftsführer Torsten Rossmann und den früheren Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust bekannt gab, wird die Ertragsphantasie der Anleger weiter anregen. In einem Brief an deutsche Spitzenpolitiker beschrieb Ebeling N24 als "mit mehr als 40 Millionen Euro defizitär". Der Konzernboss bat um Verständnis dafür, den Verlustbringer abstoßen zu wollen. Mit seiner Einstellung, Nachrichten seien vielleicht für Politiker wichtig, nicht aber "bei allen Zuschauern", hatte der studierte Psychologe eine Kontroverse ausgelöst und den Verdacht erhärtet, dass Finanzinvestoren als Betreiber von Medienunternehmen keine medienethische Verpflichtung spüren. Keineswegs entlässt der Rundfunkstaatsvertrag kommerzielle Veranstalter aus der Pflicht, relevante News zu setzen und damit einen gesellschaftlich relevanten Beitrag zu leisten.

Offenbar informierte Pro Sieben Sat1 den für Medien zuständigen Kulturstaatsminister Bernd Neumann nun vorab vom Verkauf. Neumann hatte im Dezember bei einem Treffen mit Ebeling gefordert, den Nachrichten- und Informationsanteil bei Sat1, Pro Sieben und Kabel 1 nicht zu verringern. Das sicherte der Konzern dem Minister jetzt zu.

Ein bis zum 31. Dezember 2016 geschlossener Vertrag mit den neuen Besitzern regelt, dass N24 die Nachrichten für Pro Sieben Sat1 im bisherigen Umfang liefert. Ungefähr 30Millionen Euro zahlt Pro Sieben Sat 1 dafür, 25 Millionen weniger als bisher. "Die Kostenersparnisse werden realisiert, ohne die Substanz zu tangieren", sagte Ebeling.

Genau so äußern sich Unternehmensberater, die Personal abbauen, Etats verkleinern und verkünden, dass auf diese Weise mehr - oder die gleiche - Qualität entsteht. Zwar hat sich Pro Sieben Sat1 finanziell großzügiger eingebracht, als das während der Verhandlungen in den zurückliegenden Monaten in Aussicht stand. Doch die neuen Gesellschafter haben erklärt, bis Ende 2011 72 der gegenwärtig 218 Stellen abzubauen, so dass N24 mit einem Basisteam von 141 angestellten Mitarbeitern plant.

Pro Sieben Sat1 wird für die Personal und Technik betreffende Restrukturierung einmalig 41 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Der entsprechende Sozialplan dafür wurde schon im März verabschiedet. Der Vertrag, der zwischen Pro Sieben Sat1 und der N24 Media GmbH ausgehandelt wurde, ist verschachtelt. Auch ein Verkaufspreis soll in die Berechnungen eingeflossen sein. Stefan Aust wird für seine 26 Prozent persönlich haften, also nicht über die Produktionsfirma Agenda Media GmbH, die er zur Hälfte besitzt. An Agenda Media ist Studio Hamburg beteiligt, eine Tochter des Norddeutschen Rundfunks (NDR).

Die Moderatoren der von N24 eingebrachten Formatnachrichten werden in der neuen Konstruktion von Sat1, Pro Sieben und Kabel 1 angestellt. Der bekannteste, N24-Anchor Peter Limbourg, bekommt den Titel Senior Vice President Nachrichten&Politische Information. Vorstandschef Ebeling führte aus, dass unter Limbourgs Leitung eine Redaktion aufgebaut werde, die mit N24 zusammenarbeite. Auch MAZ&More, verantwortlich für das Frühstücksfernsehen und Das Magazin bei Sat1, wird als Tochter in die N24 Media GmbH überführt. Die Mediengruppe RTL Deutschland ließ an diesem Mittwoch anspielungsreich mitteilen: "Wir begreifen uns als vollwertiges Rundfunkunternehmen, zu dessen Programmangeboten Information und Nachrichten ebenso gehören wie erfolgreiche Unterhaltung."

Angesichts der Bewerber - ein russischer Millionär, der gerade das Vierte von jedem Anspruch befreit hatte, sowie zwei ambitionierte, im TV-Nachrichten-Geschäft unerfahrene Bietergemeinschaften - ist der Management Buy-Out (MBO) mit Rossmann und Aust eine gute Lösung, doch Pro Sieben Sat1 steht weiter unter Beobachtung. Zwar sei es schön, sagte der frühere NRW-Medienminister Andreas Krautscheid zur SZ, dass "bei N24 Journalisten am Werk sind. Das bedeutet keine Entwarnung aus Richtung Politik". Die Frage, so Krautscheid, heute Generalsekretär der NRW-CDU, bleibe: "In welcher Qualität taucht die Information im Programm auf?" Ähnlich äußert sich der rheinland-pfälzische Staatskanzleichef Martin Stadelmaier (SPD): "Die Qualitätsfrage an Pro Sieben Sat 1 stellt sich unverändert." Seinen schwersten Auftrag hat Ebeling zwar konsequent durchgeführt, die grundsätzlichen Probleme ist er nicht losgeworden.

© SZ vom 17.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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