Gespräch mit zwei "Marienhof"-Fans:"Total übertrieben, wunderbar trashig"

Lesezeit: 4 min

Marienhof wird 18: Mit der ARD-Serie sind Millionen Jugendliche erwachsen geworden. Zwei Fans erinnern sich.

Christina Maria Berr, Ulrike Bretz, Tobias Dorfer

Marienhof wird 18 - und mit der ARD-Serie sind Millionen Jugendliche erwachsen geworden. Zwei Mitglieder der sueddeutsche.de-Redaktion waren jahrelang marienhof süchtig. Ein Gespräch mit zwei Fans.

"Es gehört eigentlich dazu, dass man sich über die Handungen aufregt": Die ARD-Serie "Marienhof" wird 18. (Foto: ARD Foto)

sueddeutsche.de: Mal ehrlich, habt Ihr die Serie wirklich immer geguckt?

Sie: Ich hab das geguckt bis 1993.

Er: Damals kam es jeden Tag - nach Verbotene Liebe. Zuvor wurde Marienhof zwei Mal in der Woche ausgestrahlt.

Sie: Ja, dann fing mein Arbeitsleben an - und dann ist man um 18.25 Uhr nicht daheim. Man kann es also nicht mehr gucken.

Er: Ich war 18, als ich damit aufhörte. Irgendwie habe ich dann doch die Lust verloren.

Sie: Und während des Studiums hat immer die ganze WG mit dem Abendessen vor dem Fernseher gesessen und Marienhof geguckt.

Er: Ich saß damals allein vor dem Fernseher, weil es bei uns niemand außer mir gucken wollte. Was übrigens ganz schlimm war, wenn man sich schon drauf gefreut hat - ...

Sie: ... und dann kam Skispringen ...

Er: ... oder Uefa-Cup.

Sie: Dann war der Abend gelaufen.

sueddeutsche.de: Und was ist nun das Tolle an Marienhof?

Er: Also bei mir war es so: Wir hatten anfangs nur drei Programme und im ZDF lief Forsthaus Falkenau und im dritten Programm die Sesamstraße oder das Sandmännchen. Da fällt die Wahl nicht sonderdlich schwer.

Sie: Mir hat gefallen, dass man sich so wunderbar aufregen kann. Mir war immer klar, dass es ein ganz großer Mist ist. Dass es total übertrieben ist und ich hätte mich nie dazu bekannt. Das ist so unwahrscheinlich alles und so durchschaubar.

Er: Aber das ist doch typisch Soap. Da verliert die Frau ihren Lover, weil der sie mit einem Mann betrügt, daraufhin rutscht sie in eine Sekte, da muss man sie dann befreien, zwei Monate später ist sie dann noch drogenabhängig und kriegt dann auch noch ein Kind von einem Mann, den sie gar nicht kennt.

Sie: Und das Kind verliert sie dann auch noch. In der Serie sind in etwa so viele Kinder geboren, wie es Fehlgeburten gab.

Er: Beängstigend.

Sie: Und total durchschaubar. Aber es gehört eigentlich dazu, dass man sich über die Handlungen aufregt.

Er: Man genießt eher, dass man alles durchschaut. Man sieht, da trinkt einer zweimal in einer Folge Alkohol und weiß: In zwei Monaten ist er alkoholabhängig und in einer Entzugsklinik.

Sie: Das geht schneller als in zwei Monaten.

Er: Also gut, in vier Wochen.

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Sie: Schlimm war auch immer, wenn man gemerkt hat, da baut sich eine Handlung auf und die gefällt einem nicht.

Er: Und dann merkt man, dass man eine Figur nun öfter zu sehen bekommt.

Sie: Ja, aber das Schöne ist, wenn man regelmäßig guckt, sind die Figuren der Sendung wie alte Bekannte. Dann entstehen Gespräche unter Freunden, in denen man fragt: Was ist eigentlich aus jenem geworden? Was hat der gemacht? Und so weiter. Das ist so, wie man heute alte Schulkameraden googelt.

Er: Was ist eigentlich aus Ortrud geworden?

Sie: Ja, die Ortrud ...

Er: Die war glaub ich auch alleinerziehend, zwischendurch mal in einer Sekte, bei Männern war sie nicht so erfolgreich - und irgendwann war sie dann weg.

sueddeutsche.de: Wer sind denn eigentlich die Hauptfiguren?

Sie: Da gibt es die typischen Charaktere - immer einen Arzt, einen Lehrer, einen Intriganten...

Er: Dann die gute Seele.

Sie: Genau, Inge Busch. Die war vom ersten Moment an dabei.

Er: Die hat einen Blumenladen gehabt.

Sie: Und ihre Kinder Marco und Jenny... Auch so zwei Problemkandidaten.

Er: Ich glaube, dass die Macher jeden Tag die Nachrichten gucken - und dann wird zwei Monate später das entsprechende Thema in Marienhof behandelt, zum Beispiel Integration oder Drogen... Marienhof ist die Serie, die am nächsten am Leben dran ist...

Sie: ... und am gesellschaftlich-öffentlichen Leben. Es geht ja in Marienhof auch um ganz "normale" Leute. Die Personen wohnen nicht in Schlössern oder Burgen wie bei anderen Serien.

Er: Es gibt einen Blumenladen, einen Plattenladen - sogar einen Ein-Euro-Laden ...

Sie: Eine Drogerie... Es gibt eben auch alle Typen des Lebens.

Er: Als der Türke Sülo eingezogen ist, wurde das Thema Ausländerfeindlichkeit thematisiert. Sülo hatte einen Gemüsestand, auf den prompt ein Brandanschlag von Neonazis verübt wurde. Das war, soweit ich weiß, nur ein Paar Monate nach dem Mordanschlag auf das Asylbewerberheim in Solingen.

sueddeutsche.de: Wenn Ihr heute in Marienhof hineinzappt, kommt ihr noch bei der Handlung mit?

Sie: Ich kenne noch manche Figuren, den Fechner zum Beispiel. Ich habe aber keine Ahnung, was er macht. Der hatte mal ne Drogerie und war böse.

Er: Aber ich glaube, er hat sich inzwischen geändert, so wie viele Bösewichte sich mit der Zeit ändern.

Sie: Was ist eigentlich aus Kim geworden, die mal mit dem Töppers zusammen war...

Er: Keine Ahnung, aber Andrea Süßkind, die in der Serie zeitweise einen Plattenladen hatte und mit der Pächterin der Disco Foxy liiert war, die ist derzeit in einem Werbespot für die Apotheken-Umschau zu sehen.

sueddeutsche.de: Wachsen die Figuren eigentlich mit?

Er: Die Leute bleiben ja nicht so lang in der Sendung, aber das Stammpersonal, zum Beispiel Inge Busch, ist natürlich älter geworden im Laufe der Jahre.

Sie: Was mich immer aufgeregt hat, dass Charly, ein jugendlich wirkender Auszubildender, von deutlich älteren Schauspieler gespielt wurde... Ist Charly eigentlich immer noch Auszubildender?

Er: Vielleicht gehört ihm jetzt der Laden? Kannst Du Dich eigentlich noch an den Schleichwerbeskandal in Marienhof erinnern?

Sie: Genau! Da war ich empört!

sueddeutsche.de: Wie lange soll denn Marienhof noch weiterlaufen?

Er: Die ARD überlegt ja offenbar, die Sendung im kommenden Jahr einzustellen.

Sie: Vielleicht sollte es mal auf einen späteren Sendeplatz gelegt werden. Dann wäre ich vermutlich sofort wieder angefixt. Und ich würde mich wieder aufregen.

sueddeutsche.de: Zum 18., was wünscht Ihr der Sendung?

Sie: Die ist wunderbar trashig - und das soll so bleiben.

Er: Dass bloß kein Graf eingeschleust wird, ...

Sie: ...und keine Millionäre ...

Er: Dass die Handlung nicht auf ein Schloss verlegt wird.

Sie: Aber im Lotto könnte mal einer gewinnen.

Er: Und dann steigt er aus.

Sie: Oder er geht daran kaputt.

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