Fall Bayern LB: Ermittlungen gegen Journalisten:"Innerdeutscher Tatort"

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Fall Bayern LB: Münchner Staatsanwälte gehen gegen österreichische Journalisten von "News" und "Profil" vor. Sie hatten aus Ermittlungsakten zitiert.

Klaus Ott

Seit bald eineinhalb Jahren ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft wegen diverser Affären bei Bayerns Landesbank, die mit womöglich kriminellen Geschäften viele Milliarden verzockt hat. Fast 20 meist ehemalige Manager des Staatsinstituts haben als Beschuldigte ein Aktenzeichen bekommen, bis hin zum früheren Vorstandschef Werner Schmidt.

Österreichische Recherche: Münchner Staatsanwaltschaft will Bußgelder für Journalisten. (Foto: ddp)

Inzwischen haben die Strafverfolger ihre Untersuchungen noch ausgeweitet, doch die neuesten Verdächtigen sind keine Mitarbeiter der BayernLB und auch keine Wirtschaftsbosse. Es sind drei Journalisten aus Österreich, die seit Monaten über die skandalumwitterten Verbindungen zwischen der Landesbank in München und der in Klagenfurt ansässigen Finanzgruppe Hypo Alpe Adria berichten und viele obskure Vorgänge enthüllt haben.

Den Reportern der Magazine Profil und News wird zur Last gelegt, wörtlich und umfassend aus Ermittlungsakten der Münchner Staatsanwaltschaft zitiert zu haben. Dies ist in Deutschland verboten, bis der Inhalt der Akten bei Gericht zur Sprache kommt oder die Verfahren abgeschlossen sind. In Österreich gibt es kein solches Verbot, aber die Münchner Fahnder haben ihre Kollegen in Wien um Rechtshilfe gebeten, doch die blocken ab.

Einer der drei Betroffenen, Wirtschafts-Ressortchef Michael Nikbaksch von Profil, nennt das Vorgehen gegen ihn und eine Kollegin in seinem Blatt "kafkaesk". Da werde österreichischen Journalisten in Österreich etwas zur Last gelegt, was nach österreichischem Recht gar nicht strafbar sei. Nikbaksch spricht von einem "Anschlag auf die Pressefreiheit". Auch Chefreporter Kurt Kuch von News, den das ebenfalls trifft, ist nicht amüsiert. Er warnt vor einer Einschränkung der österreichischen Pressefreiheit durch ausländische Gesetze.

So hoch möchte Manfred Nötzel, der Chef der Münchner Staatsanwaltschaft, den Fall aber lieber gar nicht hängen. Er verweist darauf, dass man Profil und News auch in Bayern kaufen könne. "Damit haben wir einen innerdeutschen Tatort." Also müsse der Inhalt den deutschen Gesetzen entsprechen.

Mehr als ein paar tausend Euro Bußgeld haben die österreichischen Journalisten wohl nicht zu fürchten. Die drei Reporter wollen aber nicht zahlen - ganz grundsätzlich nicht, und weil das eventuell weitere Verfahren nach sich ziehen könnte. Den Reportern von Profil und News wird auch zur Last gelegt, aus persönlichen Aufzeichnungen des in Kärnten ansässigen Vermögensverwalters Tilo Berlin zitiert zu haben. Berlin hatte mit privaten Investoren an der Übernahme der Hypo Alpe Adria durch die BayernLB gut verdient. Die Münchner Staatsanwaltschaft zweifelt, ob alles mit rechten Dingen zuging. Berlin beteuert seine Unschuld. Ein Bußgeld gegen Journalisten, die Berlins Aufzeichnungen wörtlich publiziert hatten, könnte dem Vermögensverwalter später helfen, Schadenersatz wegen der Veröffentlichungen durchzusetzen.

Doch bis zu einem Bußgeld wäre es noch ein weiter Weg. Die österreichische Justiz will den Münchner Kollegen offenbar keine Amtshilfe leisten, weil die in Deutschland erhobenen Vorwürfe in Österreich kein Gesetzesverstoß seien. News-Chefreporter Kuch sollte am Donnerstagnachmittag von der Wiener Staatsanwaltschaft als Beschuldigter vernommen werden. Doch die junge Ermittlerin, bei der er geladen war, sagte ihm zu seiner Verblüffung: "Ich vernehme Sie nicht." Anschließend wurde Kuch zur Vizechefin der Wiener Staatsanwaltschaft geschickt. Und die teilte ihm mit, die österreichische Justiz habe nicht vor, die Pressefreiheit zu attackieren.

Das wirft die Frage auf, ob die drei Journalisten trotzdem in München mit einem Bußgeld belegt werden könnten. Und was geschähe, falls weder sie noch ihr Verlag zahlten. Beide Magazine erscheinen im News-Verlag, an dem das deutsche Pressehaus Gruner + Jahr rund die Hälfte der Anteile hält. Im Extremfall könnte ersatzweise Haft angeordnet werden, und darauf würde es Kuch auch ankommen lassen, sagt er.

Auch Profil-Wirtschaftschef Nikbaksch denkt nicht daran, klein beizugeben. Er hat den Verdacht, dass einige Betroffene der Skandalberichterstattung in Österreich versuchten, "uns über den Umweg Deutschland eine Breitseite zu verpassen, weil wir unbequem geworden, aber über die österreichischen Gesetze nicht zu packen sind". Auslöser der Ermittlungen gegen die Reporter soll jedenfalls auch die Anzeige eines Geschäftsmannes sein, gegen den wegen eines Wirtschaftsdelikts ermittelt wird.

© SZ vom 24.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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