Erste Interviews von Bundespräsident Gauck:"Angst nicht so mein Lebensthema"

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Bundespräsident Gauck gibt sich in ersten Interviews nach seiner überzeugenden Wahl selbstbewusst: Er deutet an, sich im Amt für kritische Fragen offen zu zeigen - und bisweilen vorsichtiger zu formulieren.

Der neue Bundespräsident Joachim Gauck hat sich zufrieden über sein Wahlergebnis in der Bundesversammlung geäußert. In der ARD-Sendung "Farbe bekennen" sagte er am Sonntagabend: "Ich bin sehr glücklich. Alles andere wäre auch in der Nähe von DDR-Wahlergebnissen gewesen." Mehr als 100 Delegierte aus dem Lager der Unterstützer Gaucks hatten sich der Stimme enthalten. Auf die Frage, ob er Angst vor den hohen Erwartungen habe, sagte Gauck: "Angst ist nicht so mein Lebensthema gewesen." Er sei sicher, dass sich das einpendeln werde.

Der neue Bundespräsident Joachim Gauck mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt. (Foto: dapd)

Ungeachtet seiner Betonung des Freiheitsbegriffs sei er auch ein Befürworter des Sozialstaats. "Soziale Gerechtigkeit gehört dazu", sagte Gauck. Es dürfe nicht sein wie in den USA, wo es keinen Sozialstaat gebe. Der "rheinische Kapitalismus", also das westdeutsche Sozialstaatsmodell der Nachkriegszeit, werde von ihm keineswegs abgelehnt. "Ich möchte nicht, dass der Sozialstaat beschädigt wird."

Der neue Bundespräsident relativierte auch seine umstrittenen Äußerungen über die bankenkritische Occupy-Bewegung. Er habe nicht die Proteste insgesamt als "albern" bezeichnet, wohl aber das Projekt, die Europäische Zentralbank zu besetzen. "Ich kann die Haltung verstehen, aber ich hätte gerne ein paar Inhalte."

In seinem Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht Gauck kein Problem. "Ich habe Grund anzunehmen, dass sie mich schätzt." Er habe keinen Anlass zum Misstrauen. Warum Merkel seine Präsidentschaft zweimal zu verhindern versuchte, kann sich Gauck nicht erklären. "Ich weiß nicht, was wirklich in ihr vorgegangen ist." Ähnlich äußerte er sich im ZDF: Wichtig sei für ihn, dass "wir uns in die Augen schauen" und Vertrauen haben konnten.

Gauck hält das Amt des Bundespräsidenten durch den Rücktritt seines Vorgängers Christian Wulff wegen einer Kette von Vorwürfen nicht für beschädigt. "Unsere Politiker sind nicht immer nur begnadet. Das muss die Bevölkerung akzeptieren." Die Forderung, den umstrittenen Ehrensold für ehemalige Bundespräsidenten zu reformieren, werde er prüfen, sagte Gauck.

Zur Position seines Vorgängers, wonach der Islam auch zu Deutschland gehöre, sagte Gauck: "Ich werde nicht Christian Wulffs Worte benutzen - aber gehen Sie davon aus, dass mir die Tendenz am Herzen liegt."

Zu anderen inhaltlichen Fragen seiner Präsidentschaft wollte Gauck noch nicht Stellung nehmen, etwa zu einer möglichen Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Dennoch ließ er für die Forderung Sympathie erkennen: Manchmal sei Geld unerlässlich, manchmal würden dadurch aber auch Innovationen blockiert. Insgesamt sei es notwendig, "mehr Fantasie" zu entwickeln.

Zu der Frage, ob er seiner Gegenkandidatin Beate Klarsfeld das bisher verweigerte Bundesverdienstkreuz verliehen werde, sagte Gauck, er wolle zunächst prüfen, warum das noch nicht geschehen sei. "Ich bin da nicht ideologisch festgelegt."

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