ARD-Mittwochsfilm "Im Jahr des Drachen":Auf dem Holzweg

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Die ARD kündigt ihren Mittwochsfilm als "psychologisch ausgefeiltes Drama" an, doch "Im Jahr des Drachen" ist eher eine abstruse Version von "Pretty Woman". Warum sich die gestandenen Darsteller in hölzerne Dialoge pressen ließen, bleibt unklar.

Marco Maurer

Man stelle sich vor, Edward Lewis, gespielt von Richard Gere in Pretty Woman, hätte eine Hemdenfabrik in Köln und wäre auf Geschäftsreise in Vietnam. Dort träfe er auf die Prostituierte Huong, obgleich er zuhause eine Ehefrau hat, die an Krebs leidet, und einen Sohn, der damit liebäugelt, eine Diskothek in Nordrhein-Westfalen zu erwerben. Die Geschichte hört sich überfrachtet und abstrus an - aber so stellt sich der WDR gut zwei Jahrzehnte nach Erscheinen von Pretty Woman wohl die deutsche Version der ewig jungen Geschichte zwischen Mann und bezahlter Frau vor.

"Zu viel Schnaps:" Huong (Nina Liu) und Midlife-Thomas (Klaus J. Behrendt) in "Im Jahr des Drachen". (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Die Fragen, die sich bei Jahr des Drachen aufdrängen, sind: Warum nehmen gestandene Schauspieler wie Klaus J. Behrendt und Karoline Eichhorn solche Rollen an? Und vor allem: Was glaubt das öffentlich-rechtliche Fernsehen, seinen Zuschauern damit Gutes tun zu wollen?

Zu Frage eins lässt sich nur vermuten, dass sich Dialoge wie der zwischen Huong (Nina Liu) und Midlife-Thomas (Behrendt) im Drehbuch besser lesen, als sie dann klingen. Huong, die gerade Thomas nach Köln nachgereist ist, fragt in einer Szene: "You are sleepy?" Thomas gibt zur Antwort: "Zuviel Schnaps!" Sie erwidert: "Nicht gut!"

Im Film jedenfalls klingt das ziemlich albern. Auch sonst weiß man oft nicht, ob Behrendt deswegen immer so verwundert blickt, weil er sich zumeist im fernen Vietnam befindet, oder weil er dort langsam bemerkt, dass er - mitten in Saigon - ins starre Korsett eines deutschen Fernsehfilms gedrängt wurde und darum wohl hölzerne Dialoge abliefern muss.

Bleibt die Frage, was die ARD uns sagen will. Im Begleittext heißt es, der Film sei ein "psychologisch ausgefeiltes Drama" und "eine bittersüße Liebesgeschichte. Ein Film über die tiefe Sehnsucht des Menschen nach einer zweiten Chance". Ach, vielleicht läuft ja bald mal wieder Pretty Woman.

Jahr des Drachen , ARD, 20.15 Uhr.

© SZ vom 11.10.2012/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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